Hilfe vor Ort

Tafeln retten Lebensmittel und helfen immer mehr Menschen in Not

Der Tauberbischofsheimer Sozialladen des Caritasverbands besteht seit 15 Jahren. In den vier Tafeln im Main-Tauber-Kreis leisten Ehrenamtliche wertvolle Arbeit

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Heike von Brandenstein
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Seit 15 Jahren gibt es die Tafel in der Kreisstadt. Sie ist damit die dritte von vier im Main-Tauber-Kreis. Der Sozialladen ist beliebt und heiß begehrt, so dass mittlerweile ein Aufnahmestopp herrscht. Der Grund: Es fehlen Lebensmittel.

Tauberbischofsheim. Die Marktlage, die Inflation mit immer höheren Preisen für den täglichen Bedarf, steigende Mieten und in schwindelerregende Höhen kletternde Energiekosten: Wer wenig Geld hat, wird derzeit noch ärmer und weiß oft nicht, wie er über die Runden kommen soll. Für Menschen in solch prekärer Situation gibt es Hilfen. Die Vesperkirchen, Suppenküchen von sozialen oder kirchlichen Verbänden und natürlich die Tafeln. Von der im Vinzenz von Paul Haus in der Albert-Schweitzer-Straße der Kreisstadt ist der Caritasverband im Tauberkreis der Träger, die anderen drei in Wertheim, Bad Mergentheim und Lauda befinden sich unter der Obhut des Diakonischen Werks Main-Tauber-Kreis.

Tiefkühlpizza heiß begehrt

Nicht erst seitdem sie die Charta Oecumenica unterschrieben haben, arbeiten die katholische und die evangelische Seite sehr gut zusammen. Sie helfen sich gegenseitig, holen Lebensmittel aus dem Zentrallager bei Heilbronn in einem Fahrzeug und teilen sie auf. Dort nämlich werden Produkte teilweise palettenweise abgegeben, die falsch produziert oder verpackt wurden und deshalb nicht in den Handel kommen. Für die ehrenamtlichen Fahrer können sich echte Glückstreffer ergeben. Wenn sie Tiefkühlpizza ergattern oder Frischeprodukte wie Milch, Sahne oder Joghurt.

Das Team der Tauberbischofsheimer Tafel arbeitet bis auf das Leitungsduo – der Frau der ersten Stunde Sylvia Hehn und Verena Auerhammer – ehrenamtlich. Meist sind es Rentner, die sich für andere einsetzen und etwas Sinnvolles leisten wollen.

„Ohne unsere Ehrenamtlichen ginge das alles nicht“, sagt Beate Maier, Bereichsleiterin Beraten und Gemeindecaritas. Der Caritasverband setze Kirchensteuermittel ein, um die Not vor Ort zu lindern. Froh sei sie, dass dieses Jahr sowohl die Stadt Tauberbischofsheim als auch der Landkreis einen kleinen Zuschuss gewähren.

Das liebe Geld spielt nämlich durchaus eine Rolle. Bei steigenden Energiepreisen werden die Fahrten teurer. Auch die Heiz- und Kühlkosten klettern in die Höhe. „Die Tafel ist ein ganz wichtiger Bestandteil der sozialen Infrastruktur“, meint auch Michael Müller, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands.

Schwierige Rahmenbedingungen

Wie alle leidet auch der Sozialladen unter den schwierigen Rahmenbedingungen: Neben den Preissteigerungen sind das die Vielzahl der Bedürftigen – Senioren mit niedriger Rente, Familien und Alleinerziehende mit geringem Einkommen und Geflüchtete. Hinzu kommt, dass der Handel weniger abgibt. In Supermärkten werden Waren, die kurz vor Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums sind, um etliche Prozentpunkte günstiger verkauft, manche werben bei leicht welkem Salat, Obst oder Gemüse, mit dem Slogan „Ich bin noch gut“, vom Preis her billiger.

All das macht den Tafeln zu schaffen. Deshalb wurde in Tauberbischofsheim jetzt ein Aufnahmestopp ausgesprochen. Jeder, der bei der Tafel einkaufen darf, hat einen Ausweis, der erst nach Prüfung der Bedürftigkeit ausgestellt wird. Neue werden derzeit nicht ausgegeben.

„Im Zweifel haben wir nicht ganz zufriedene Kunden, wenn die Ware kaum reicht“, beschreibt Müller die momentane Situation. In der vergangenen Woche zum Beispiel habe es an einem Tag nur drei Brote gegeben. Manchmal fehlten Kartoffeln, Nudeln, Mehl oder Reis. Auch bei der Tafel in Lauda stehe man kurz vor dem Aufnahmestopp, bestätigt Wolfgang Pempe, Geschäftsführer des Diakonischen Werks.

Bei der Frage in die Runde der Ehrenamtlichen in der Kreisstadt, was besonders begehrt sei, schallt ein Ruf aus vielen Kehlen: „Öl.“ Das sei sehr teuer geworden und werde im Haushalt immer benötigt. Daneben würden auch Butter und H-Milch stark nachgefragt.

Margit Wagner ist die dienstälteste Mitarbeiterin bei der Tauberbischofsheimer Tafel. „Ich wünsche mir, dass wir genug haben, um alles gerecht verkaufen zu können. Eine volle Kühltheke, wie zu den Anfangszeiten der Tafel, wäre schön.“

Waltraud Albert findet es schlimm, wenn Leute zwei Stunden geduldig ausharren und es dann nur noch zwei oder drei Kartoffeln gibt. „Das tut einem weh“, sagt sie.

Qualität der Ware variiert

Egon Stumpf ist Fahrer bei der Tafel. Seine Runde führt ihn von Tauberbischofsheim nach Hardheim, Külsheim, Lauda, Igersheim und Bad Mergentheim. 70 bis 80 Kilometer ist er mit dem Tafeltransporter unterwegs. Teilweise erhält er gute Ware, manchmal aber auch solche, die bei genauerem Hinsehen entsorgt werden muss, weil sie faul oder schimmelig ist. Das ärgert ihn, weil sich Unternehmen auf diese Weise die Entsorgung auf Kosten Ehrenamtlicher und des Main-Tauber-Kreises, der die Müllgebühren für die Tafeln trägt, abnehmen lassen.

Die Mitarbeiter der Tafel wissen aber auch, unter welchem Stress die Supermarktangestellten stehen. Schnell muss es bei ihnen gehen, so dass häufig nicht sorgsam aussortiert werden kann, sondern alles auf einem Haufen landet. Oft kommt es dadurch zu Vermischungen unterschiedlicher Lebensmittel, sind Verpackungen beschädigt, so dass der flüssige Inhalt ausläuft.

Versorgung für 130 Menschen

„Die Tauberbischofsheimer Tafel hat zwei Mal pro Woche geöffnet. Dienstags und donnerstags können die 60 registrierten Personen von 14 bis 16 Uhr einkaufen“, so Sylvia Hehn. Damit versorgt der Sozialladen rund 130 Menschen pro Tag. Sie und Guido Imhof, Abteilungsleiter Soziale Dienste, sind stolz auf die Ehrenamtlichen. „Wir haben ein tolles Tafel-Team, das sich versteht, zusammenhält und bei dem jeder Handgriff sitzt.“

Nicht nur Lebensmittel gibt es bei der Tafel, sondern auch andere, dringend benötigte Dinge wie Hygieneartikel oder Schulmäppchen und Ranzen für Kinder. Guido Imhof weist auf die Weihnachtspäckchenaktion hin, die Freude schenkt, und auf die Sozialberatung, die auf weitere Hilfen aufmerksam macht.

Fast 1000 Tafeln in Deutschland

Mehr als 960 Tafeln gibt es deutschlandweit. Mit 60 000 Helferinnen und Helfern sind sie eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen im Land, indem sie pro Jahr rund 265 000 Tonnen Lebensmittel retten und sie an über zwei Millionen Menschen weitergeben. Was immer bei diesem Thema mitschwingt, ist allerdings die sozialpolitische Komponente. Kann es in einem trotz Inflation und Preissteigerungen immer noch reichem Land wie Deutschland richtig sein, dass Menschen mit wenig Geld auf die Tafel angewiesen sind?

Michael Müller vom Caritasverband und Wolfgang Pempe vom Diakonischen Werk sind sich einig, dass an diesem Punkt eindeutig etwas schief läuft. „Eigentlich ist diese Versorgung eine sozialpolitische Aufgabe“, sagt Müller. Pempe meint drastisch: „Die Tafeln kompensieren das Versagen des Sozialstaats.“

Kein Ersatz für Regelleistungen

Michael David, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung der Nationalen Armutskonferenz, meint: „Tatsächlich sind Tafeln eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung. Sie können, wollen und dürfen sozialstaatliche Regelleistungen nicht ersetzen.“

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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