Bad Mergentheim. Zwölf verschiedene Anträge liegen bei der Stadt Bad Mergentheim auf dem Tisch, die zusammengerechnet 115 Hektar Fläche durch die Nutzung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen belegen wollen. Davon hält die Stadtverwaltung nach ihrer Prüfung und Anwendung des geltenden Kriterienkatalogs rund 81 Hektar für realisierbar.
Im Gemeinderat gab es nun Streit darüber, für welche Projekte zuerst Bebauungsplanverfahren eingeleitet werden, denn alle Vorhaben können schon allein aus personellen Gründen im Bauamt nicht gleichzeitig bedient werden. Die Debatte wurde – wie im November – emotional geführt.
Verteilt im Stadtgebiet
Die (Teil-)Flächen sind über das gesamte Stadtgebiet verstreut. Ein Projekt ist nahe Edelfingen (Richtung Radarstellung) angedacht, ein anderes am Üttingshof bei Dainbach, ein weiteres auf der Höhe bei Neunkirchen (Richtung Wachbach), dann gibt es gleich drei Vorhaben zwischen Wachbach und Hachtel, zwei bei Apfelbach, eines direkt neben Schönbühl, ein anderes bei Herbsthausen und noch zwei bei Rot.
CDU-Fraktionschef Andreas Lehr stellte klar, dass seine Fraktion lieber Einzelfallentscheidungen gehabt hätte, aber nun leider der zuletzt im November geänderte Kriterienkatalog gelte. Dieser besagt unter anderem, dass im Stadtgebiet künftig 65 Hektar (entsprechen 0,5 Prozent der Gemarkungsfläche und damit Vorgaben des Landes) für Freiflächen-Photovoltaikanlagen zur Verfügung stehen. „Die CDU wollte Beschränkungen bei den Größen der Projekte und eine klare Priorisierung“, erinnerte Lehr. Eine Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Anträge sei jetzt nötig und Aussagen der Ortschaftsräte zu den Plänen.
Stadtbaudirektor Bernd Straub oblag es, die Vorhaben kurz zu umreißen und auf die Beschlussanträge in der Ratsvorlage einzugehen. Dazu kritisierte Andreas Lehr, dass an diesem Abend über fünf Projekte abgestimmt werden solle, während die sieben anderen erst im zweiten Halbjahr 2023 beraten und entschieden werden sollen. „Es fehlen Stellungnahmen von Ortschaftsräten. Und wie kommt außerdem die Reihenfolge bei der Projektbearbeitung zustande?“, fragte Lehr und ärgerte sich über ein undurchsichtiges Vorgehen der Verwaltung.
OB verteidigt Vorgehen
Oberbürgermeister Udo Glatthaar versuchte zu beschwichtigen, dass bis Oktober alle Anträge gesammelt wurden. Er verteidigte das Vorgehen in seinem Bauamt. Man halte sich an die festgelegten Kriterien und wolle dem Gemeinderat heute eine erste Entscheidungsmöglichkeit anbieten. Ein zweiter Block soll dann in der zweiten Jahreshälfte Thema sein. „Alles gleichzeitig geht nicht“, so der OB. Und natürlich könne der Rat jederzeit eine andere Reihenfolge der Bearbeitung festlegen. Die Ortschaftsräte seien oder würden zudem beteiligt.
Thomas Tuschhoff (Grüne) plädierte dafür, jetzt vorwärts zu kommen und Entscheidungen zu treffen. So sah es auch Klaus-Dieter Brunotte (SPD): „Es darf keine weitere Verzögerung mehr geben.“ Die Ortschaftsräte seien aber selbstverständlich immer einzubinden.
„Seltsam“
Von einer seltsamen Vorauswahl sprach Wolfgang Herz (CDU) und forderte – wie auch Fraktionskollege Hanspeter Fernkorn – einen eigenen Punktekatalog, nach dem Projekte bewertet und erst danach angegangen würden.
„Wir werden nicht allen gerecht werden können“, alles dauere schon zu lange, es brauche jetzt Entscheidungen, hielt Jordan Murphy (SPD) dem entgegen.
Die Vorlage der Stadt bemängelte auch Karl Kuhn (CDU), worauf Jochen Flasbeck (Freie Wähler) sagte: „Jetzt lasst uns endlich mal mit der Freiflächen-Photovoltaik anfangen.“
„Kriegserklärung“
Ulrich Gebert (CDU) sprach von einer „Kriegserklärung an die Stadtteile“. Zu viele wertvolle Äcker würden mit Photovoltaik zugepflastert. Und die Bürgerinteressen fielen hinten runter.
SPD-Mann Murphy wurde es dann zu bunt und er verwies darauf, dass die CDU-Vertreter im vorberatenden Bauausschuss ausdrücklich nicht (!) gegen das jetzt im Gemeinderat vorgelegte Vorgehen gestimmt hätten. Es hatte im Ausschuss 15 Ja-Stimmen, eine Enthaltung und keine Gegenstimme gegeben. „Heute zerreißt die CDU aber das Thema! Das passt nicht zusammen“, so Murphy. SPD-Fraktionschefin Inge Basel bescheinigte daraufhin dem Bauamt ihr Vertrauen bei der präsentierten Vorauswahl der Projekte.
Es folgten noch weitere Aussagen zur Energiepolitik in Deutschland und der Welt sowie stark parteipolitisch gefärbte Einlassungen, ehe es nach über einer Stunde zur Abstimmung kam. Hier fielen dann zahlreiche Entscheidungen überraschenderweise einstimmig.
Die Verwaltung wurde einstimmig beauftragt, im ersten Halbjahr 2023 ein Bebauungsplanverfahren mit einer Gesamtfläche von ca. 9,53 Hektar auf der Gemarkung Althausen beim Üttingshof einzuleiten. Gleiches gilt für ein Verfahren auf Gemarkung Neunkirchen mit zehn bis 13 Hektar Fläche - obwohl der benachbarte Ortschaftsrat Althausen hier Einwände geltend gemacht hatte. Eine von der CDU beantragte Zurückstellung dieses Vorhabens wurde mit 13:17-Stimmen abgelehnt und die Einleitung des B-Planverfahrens danach mit 19:11-Stimmen (gegen die CDU) festgelegt.
Einstimmig beschlossen wurde, eine sieben Hektar große Fläche bei Wachbach anzugehen; eine zehn Hektar umfassende, benachbarte Projekt-Fläche bleibt zunächst außen vor.
Weiter gab es noch vier einstimmige Festlegungen: Vor Einleitung der einzelnen Bebauungspläne ist der jeweilige Ortschaftsrat zu beteiligen. – Vor der formalen Einleitung der Bebauungsplanverfahren sollen vertragliche Regelungen zur Kostenübernahme und zur grundsätzlichen Gestaltung der Anlagen mit den Antragstellern geschlossen werden. – Das Projekt bei Edelfingen wird aufgrund schutzbedürftiger Belange der Natur abgelehnt. – Und die restlichen sieben Vorhaben sollen erneut im zweiten Halbjahr beraten und entschieden werden.
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