Verein „Arbeitskreis Asyl“

„Stadt soll Wohnungen anmieten“

Putins Vernichtungskrieg in der Ukraine hat neue Flüchtlingsströme in Europa ausgelöst. Auch der Verein „Arbeitskreis Asyl“ hat dadurch viel zu tun. Die Unterbringung der Menschen in Containern möchte man aber vermeiden.

Von 
Hans-Peter Kuhnhäuser
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Thomas Tuschhoff (links) und Horst Hoffmann vom Verein „Arbeitskreis Asyl“ gaben im FN-Gespräch Auskunft zur aktuellen Situation der Flüchtlingsarbeit in Bad Mergentheim. © Kuhnhäuser

Bad Mergentheim. Die Menschen, die in den Jahren 2014/15 aus dem Orient zu uns flüchteten, „kamen zwar in großer Zahl, aber langsam“, erinnert sich Horst Hoffmann vom Arbeitskreis (AK) Asyl. Anders ist es bei den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. „Die kamen sehr schnell.“

Von „geballt, in großen Schwüngen“ spricht Thomas Tuschhoff. Und beide Vereinsvertreter machen sich im Gespräch mit unserer Zeitung große Sorgen, „dass es noch mehr werden“. Denn Putins Vernichtungskrieg richtet sich „gegen die Existenzgrundlagen der Bevölkerung“ – viele werden zur Flucht gezwungen, wollen sie den Winter überleben.

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Eine andere Ursache für die auf einmal und in hoher Zahl eintreffenden Flüchtlinge ist auch, „dass sich das Verfahren geändert hat. Die Menschen kommen schneller in die Kommunen“, weiß Hoffmann. Aktuell kamen seit dem russischen Überfall offiziell 410 Personen aus der Ukraine in die Kurstadt. „Bad Mergentheim ist natürlich attraktiv, denn hier gibt es eine gute Infrastruktur“, also Kinderbetreuung, Schulen, Krankenhäuser und Arbeitsplätze – vieles ist fußläufig zu erreichen. So sei es kein Wunder, dass die Stadt ein Schwerpunkt im Landkreis sei.

Erwähnens- und lobenswert sei „die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung“, betont Hoffmann. „Wir haben noch nie so viele Spenden bekommen“, erklärt zudem Thomas Tuschhoff.

Und beide verweisen darauf, dass die Ukrainer – „vorwiegend sind es ja Frauen und Kinder“ – überaus integrationswillig seien und „jede Arbeit annehmen. Die sind nicht wählerisch!“

Natürlich seien auch Menschen gekommen, „die Geld haben. Die erhalten hier aber auch keine Leistungen“, verweist Hoffmann auf die Regularien.

Hohe Belastungen

Was man dazu wissen muss: Dem Landkreis werden vom Land die in Bad Mergentheim freiwillig aufgenommenen Flüchtlinge auf die aufzunehmende Quote angerechnet. „Das führt dazu, dass der Landkreis insgesamt weniger Flüchtlinge aufnehmen muss. Und im Gegensatz zu anderen Landkreisen verweigert der Main-Tauber-Kreis der Stadt eine Anrechnung auf die von ihr unterzubringenden Zahl der Flüchtlinge. „Im Kontext heißt das, dass durch die hohe Zahl von Flüchtlingen in unserer Stadt – im Verlauf der letzten Jahre handelt es sich um rund 1000 Personen, die hier in Bad Mergentheim eine zumindest vorübergehende Bleibe gefunden haben, hohe Belastungen mit sich bringen: Für die Stadtverwaltung, die Kindergärten und Schulen, aber auch für den Verein Arbeitskreis Asyl“, stellen Tuschhoff und Hoffmann fest.

Insgesamt, so sagen die beiden Vereins-Vertreter, „sind die Ukrainer pflegeleichte Flüchtlinge. Das einzig wirkliche Problem ist die Sprache. Englisch hilft oft.“

Gleichwohl seien sie ein Grund für einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf. Den leistet der Verein in seinem Büro in der Zaisenmühlstraße. Und nicht nur das: Beim Übergang der ukrainischen Geflüchteten vom Asylbewerberleistungsgesetz ins Arbeitslosengeld II hatte der Arbeitskreis Asyl sehr viel Arbeit mit dem Ausfüllen der Formulare. „Damit tun sich ja schon Einheimische schwer. Die Flüchtlinge selbst sind einfach nicht in der Lage, sie eigenständig auszufüllen.“

Nun fürchten Hoffmann und Tuschhoff „einen neuen Berg von Arbeit“ durch die Umstellung auf das ab Januar geltende Bürgergeld.

Wie lange die Flüchtlinge aus der Ukraine bleiben, „ist aktuell völlig ungewiss“. Das aber sei ein weiteres Problem für die Wohnungssuche. „Der Markt ist leergefegt, es ist ohnehin schon schwierig genug, eine Wohnung zu finden. Und viele Vermieter wollen eine Perspektive.“

Somit liege es auch an der Stadt, hier tätig zu werden – „natürlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, sagt Hoffmann. Der Vorschlag des Vereins: „Eine Anmietung und anschließende Verteilung von Wohnungen durch die Stadt könnte viele Schwierigkeiten ausräumen.“

Angemessene Unterbringung

Es gehe dabei nicht darum, weitere Flüchtlinge nach Bad Mergentheim zu locken, betont Hoffmann. „Ziel ist, die bereits bei uns lebenden Flüchtlinge, gleich welcher Herkunft, sowie jene, die uns der Landkreis noch zuweist, angemessen unterzubringen und zu integrieren.“ In Containersiedlungen sei das nur bedingt, teilweise gar nicht möglich, auch weil das enge Zusammenleben Spannungen zwischen Ethnien nicht verhindere.

Dazu müsse man wissen, „dass es unter Flüchtlingen eine gewisse Fluktuation gibt: Manche kehren zurück in ihr Herkunftsland, andere ziehen innerhalb Deutschlands um, und wieder andere suchen selbst nach einer passenden Wohnung.“ Ein häufiger Wohnungswechsel aber sei für Vermieter „mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Manche wollen deshalb nicht mehr an Geflüchtete vermieten“, weiß Hoffmann.

Die Lösung: „Die Stadt mietet und vergibt die Wohnungen“ und käme den Vermietern entgegen, sind sich die Vereinsvertreter sicher. Schließlich würde so bei einem Ortswechsel der bisher dort wohnenden Menschen „ein nahtloser Übergang zu den neuen Bewohnern sichergestellt – die Vermieter hätten dann keinerlei Aufwand“. Zudem: „Wir wollen mit diesem Vorschlag keinen Anreiz für den Landkreis schaffen, uns weitere Flüchtlinge zuzuweisen“, sagt Hoffmann. Und: „Ich würde dem Gemeinderat oder auch den einzelnen Fraktionen gerne über unsere Tätigkeit berichten, auch um zu vermeiden, dass Entscheidungen getroffen werden, die uns die Arbeit erschweren.“

Auch einige grundsätzlichen Anmerkungen zur Flüchtlingsarbeit des Vereins machten Tuschhoff und Hoffmann.

„Mittlerweile werden wir (der Verein Arbeitskreis Asyl) in der Stadt – auch von Mitarbeitern der Stadtverwaltung – nicht mehr als ‚AK Asyl’ bezeichnet, sondern als Asylamt“, berichtet Hoffmann. Was eigentlich ein Lob ist, hat einen ernsten Hintergrund: „Stadt und Kreis sollten bedenken, dass unsere ehrenamtlich geleistete Flüchtlings- und Integrationsarbeit sowohl für den Landkreis als auch für die Stadt überaus kostengünstig ist“, erläutert Hoffmann. Denn: „Sollte ich, aus welchen Gründen auch immer, diese Arbeit nicht mehr leisten können, würden erhebliche Personalkosten anfallen.“ Hoffmann selbst rechnet dabei mit einem Aufwand von „60 000 bis 70 000 Euro“. Wohlgemerkt: „Pro Jahr!“

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