Kommunalpolitik

Jufa-Projekt: Ein Tod auf Raten und viele offene Fragen

Das Jufa-Familienhotel-Projekt ist gescheitert. Jufa selbst gab bis Montagnachmittag keine weiteren Auskünfte, dafür äußern sich jetzt die Bad Mergentheimer Ratsfraktionen und Dehoga – teils kritisch und verärgert.

Von 
Sascha Bickel
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Das ehemalige städtische Altenpflegeheim (APH) steht seit Jahren leer und sollte zum Jufa-Familienhotel umgebaut werden. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Die FN-Redaktion bat um Stellungnahmen und bekam sie auch. Es gibt Kritik an der Stadt, am Hotelkonzern „Jufa“, aber auch Ideen für die künftige Nutzung des leerstehenden städtischen Altenpflegeheims (APH), das eigentlich zum Familienhotel umgebaut werden sollte. Doch diese Pläne sind ad acta gelegt.

CDU

Andreas Lehr bezieht Position für die CDU-Fraktion. Er sagt: „Es ist bedauerlich, dass die Jufa das Projekt nun nicht umsetzen wird. Das Segment Jugendhotel hätte sehr gut nach Bad Mergentheim gepasst und die bestehenden Angebote im Beherbergungsbereich ergänzt. Letztlich hätten wir uns jedoch gewünscht, dass die Unternehmensführung wesentlich früher offen ihre Probleme bei der Umsetzung kommuniziert hätte. Die Stadtverwaltung muss nun eine saubere und transparente Abwicklung aller offenen Punkte mit der Jufa sicherstellen.“ Letztlich biete die neue Situation aber auch Chancen für die Stadtentwicklung.

Die CDU werde die Stadt um eine detaillierte Stellungnahme zu etwaigen finanziellen Auswirkungen bitten. „Natürlich hatte die Stadtverwaltung einen Aufwand bei der Begleitung des Projektes. Wir sind deshalb der Auffassung, dass die Stadt etwaige Ansprüche auf Ersatz des Aufwandes genau prüfen muss“, so Lehr. Wie geht es weiter? „Eine Nutzung, die den Hochschulstandort im Bereich studentisches Wohnen oder in der Lehre voranbringt, erscheint schon durch die räumliche Nähe, als sehr sinnvoll“, erklärt Lehr.

Grüne

Thomas Tuschhoff teilt mit: „Die mehrfachen Umplanungen und Verzögerungen durch die Jufa waren bereits ein starkes Indiz für ein Scheitern des Projekts. Die Absage kam daher recht spät aber nicht mehr überraschend. Wir bedauern, dass das Familien- und Jugendhotel nicht nach Bad Mergentheim kommt. Ein Ende mit Schrecken ist aber allemal besser als ein Schrecken ohne Ende.“

Die Gesamtaufwendungen der Stadt für dieses Projekt „sind uns noch nicht bekannt“, so Tuschhoff: „Zum Glück wurde nur ein Erbpacht- und kein Kaufvertrag abgeschlossen, so dass wenigstens keine Grunderwerbsteuer für einen Rückkauf anfällt. Jetzt ist der Weg frei für eine dringend benötigte Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete.“

Freie Wähler

Jochen Flasbeck schreibt der Redaktion: „Die FW haben gleich zu Beginn der Diskussion um die Folgeverwendung des APH-Areals immer für den Verkauf diese ‚Filetstückes‘ plädiert. Das wäre hilfreich in Anbetracht der Schuldensituation der Stadt gewesen.“ Das Anfangskonzept der Jufa sei gut und wäre für die Stadt ein Gewinn gewesen.

Was soll nun geschehen? Flasbeck: „Wir haben Flüchtlinge, Menschen, die jetzt im Winter eine schützende Unterkunft brauchen – bis der Gemeinderat endgültig über neue Pläne entschieden hat.“

SPD

Für die SPD-Fraktion teilt Jeremias Träger mit: „Wir haben schon lange geahnt, dass das Projekt nicht nur verzögert wird, sondern einen Tod auf Raten stirbt. Wir sind sehr enttäuscht und entsetzt über die jetzige Situation, denn das Jufa-Hotel wäre eine Attraktivierung gewesen und hätte zur Steigerung der Übernachtungszahlen geführt. Von der Stadtverwaltung erwarten wir baldmöglichst eine Übersicht über die Höhe der Steuergelder, die hier verbrannt worden sind, eingerechnet die vielen Stunden, in denen sich die Verwaltung mit dem Projekt beschäftigt hat. Danach muss geprüft werden, inwieweit für den entstandenen Schaden Regress geltend gemacht werden kann.“

Träger sagt weiter: „Der Vorschlag des Oberbürgermeisters, das Gebäude für studentische Zwecke zu nutzen, erscheint uns sinnvoll. Wir würden uns freuen, wenn wir mit Gründung der langersehnten städtischen Wohnungsbaugesellschaft hier das erste Grundstück einverleiben könnten und der dringend notwendige erste Schritt zu Sozialem Wohnraum geschaffen werden kann.“ Kurzfristig wären auch Wohnungen für Flüchtlinge denkbar.

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FDP

Prof. Hans-Werner Springorum sagt: „Die Liberalen im Gemeinderat fühlen sich von der Jufa-Gruppe hintergangen, nachdem schon mehrere Termine nicht eingehalten wurden und jetzt das Projekt geplatzt ist. Die imposante zugesagte Förderungssumme hatte bei der Stadt-FDP ohnehin Verärgerung ausgelöst, weil dafür die von ortsansässigen Gastronomen erwirtschafteten Steuergelder Verwendung finden sollten, um die absehbare Konkurrenz zu unterstützen! Das Gebäude sollte nun rasch in einen bewohnbaren Zustand versetzt werden, damit wir für weitere Flüchtlingswellen aus dem Ukraine-Krieg gerüstet sind.“

Jufa

Keine Stellungnahme kam am Montag aus Österreich. Eine Anfrage an die Jufa-Gruppe blieb unbeantwortet.

Dehoga

Für den Dehoga-Kreisverband äußert sich Frank Bundschu: „Die Absage der Jufa-Hotels erfüllt mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sicherlich hätte ein Jugend- und Familienhotel, im Sinne einer modernen Jugendherberge das Angebot der Stadt ergänzt und bereichert. Der gefundene Betreiber hatte, nach heutiger Erfahrung, aber auch anderes im Sinn.“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband im Landkreis sei der Überzeugung, so Bundschu, dass wenn man „ein modernes Jugend-Hotel gewollt und dies ernst gemeint hätte, zwischen 2017 und 2019 genügend Zeit gewesen wäre, dies zu realisieren. Dass sich nach nun sechs Jahren – davon zwei Corona-Krisenjahre – die Rahmenbedingungen geändert haben, mussten auch wir, privatwirtschaftlich geführte Hotels, erkennen, meistern und wirtschaftlich überstehen.“

Dehoga hatte laut Bundschu von Beginn an, die zusätzlichen Angebote im Bereich „normale“ Urlauber und Geschäftsreisenden sowie den Millionen-Zuschuss der Stadt kritisiert. „Jugend und Familie als Deckmantel in den Vordergrund stellen, aber Businesskunden für Seminare auf der Internetseite bewerben, dass passte eben nicht.“

„Den Vorschlag, das Gelände gemeinsam mit dem Land und der DHBW für Studierende zu entwickeln, halte ich persönlich für zukunftsweisend. Vielleicht können die Pläne des Jugendhotels mit Restaurant mit leichten Änderungen für studentisches Wohnen mit Mensa abgewandelt werden“, so Bundschu abschließend.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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