Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim

Nach Attacke im Freibad Bad Mergentheim: „Leute haben Angst vor Ihnen“

„Nicht vom Beckenrand springen“ – die Regel dürfte Freibadbesuchern gut bekannt sein, in Bad Mergentheim weist ein Schild explizit daraufhin. Ein solcher Sprung kommt einen Mann aus Lauda-Königshofen nun teuer zu stehen.

Von 
Simon Retzbach
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Hochbetrieb im Freibad Bad Mergentheim. Im August vergangenen Jahres kam es hier zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen einem Besucher und einer Bademeisterin. Nun wurde ein Urteil gesprochen. © Sabir Lulaj

Bad Mergentheim. Obwohl sich ein 35-jähriger Badegast nach Angaben von Verteidiger Frank Gangl „noch immer unschuldig“ fühlt, wurde nun eine Geldstrafe in Höhe von 1600 Euro rechtskräftig.

Doch was war passiert? Der Angeklagte besuchte im August vergangenen Jahres mit einer Arbeitskollegin und seinem Neffen das Freibad in Bad Mergentheim. Der Neffe sprang dann mehrmals vom Rand in das Schwimmbecken, kam Badegästen dabei gefährlich nahe und hörte auch nach persönlicher Ansprache durch Betroffene nicht damit auf.

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Als diese daraufhin eine Bademeisterin informieren, eskaliert nach Schilderungen der Staatsanwaltschaft die Situation. Nachdem auch die Bademeisterin den Jungen anspricht und ihn bittet, das Springen vom Beckenrand zu unterlassen, schreitet der 35-Jährige Mann ein. Nach einem hitzigen Wortgefecht soll er die Bademeisterin dann „heftig“ am Arm gepackt und in Richtung des Beckens gezogen haben.

Angeklagter hat andere Version der Ereignisse

Von dem Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung will der Mann aus Lauda-Königshofen nichts wissen, schildert eine gänzlich andere Version der Ereignisse. Sein Neffe sei zwar gesprungen, jedoch mit genügend Abstand zu anderen Badegästen und er habe sich zudem etliche Male entschuldigt, als ihn Betroffene konfrontieren.

Die Bademeisterin sei seinem Neffen zu nahe gekommen, „ich bin nur dazwischen gegangen, aber habe definitiv niemanden angefasst“, ist sich der Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts sicher. Dann ein harter Vorwurf seinerseits: Die Bademeisterin habe ihn fremdenfeindlich beleidigt.

Es wird deutlich, dass der Angeklagte sich keiner Schuld bewusst ist. Er sei möglicherweise überfordert gewesen, da er keine eigenen Kinder habe und in der Auseinandersetzung habe er „unter Adrenalin“ gestanden. Aber: „Ich bin so erzogen, eine Frau fasst man nicht an.“ Richterin Susanne Friedl ist über die Ausführungen sichtlich verstimmt, konfrontiert den Mann mit einer Vorstrafe wegen Körperverletzung. 2017 hat er im Streit seiner Ex-Frau heftig ins Gesicht geschlagen.

Zeugenaussagen bestätigen Schilderung der Staatsanwaltschaft

Nächster Versuch einer Verteidigung: „Ich bin doch nicht blöd und fasse eine Frau vor hunderten von Leuten an.“ Auch hiervon lässt sich Friedl nicht überzeugen. „Es gibt, vor allem in Großstädten, unzählige solcher Fälle. Es ist eine allgemeine Einstellung, dass man sich nichts mehr sagen lässt und darunter leiden dann Lehrer oder eben Bademeister“, beschreibt sie ihre Wahrnehmung.

Mehrere Zeugenaussagen der betroffenen Badegäste sowie der beiden diensthabenden Bademeister bestätigen die Schilderung der Staatsanwaltschaft. Der Griff am Arm wurde mehrfach beobachtet, ausländerfeindliche Bemerkungen hingegen von keinem der Zeugen bemerkt. „Er hat sich hereingesteigert und sie richtig heftig am Arm gepackt. Ich hatte Angst, dass er sie gleich schlägt oder ins Wasser wirft“, schildert eine Zeugin den Vorfall.

Auseinandersetzung belastet Zeugen noch immer

Mehrere der Zeugen, darunter die angegriffene Bademeisterin, schildern in ihren Aussagen zudem, wie nachhaltig sie die Auseinandersetzung belastet. Auch wenn die körperliche Verletzung eher leicht war, berichtet beispielsweise die Bademeisterin von einem „mulmigen Gefühl“, wenn sie abends im Bad arbeitet. Auch als der Neffe einige Zeit später erneut das Freibad besucht, kommen bei ihr sofort ungute Gefühle hervor. Mit dem Finger habe der Junge immer wieder auf sie gedeutet, vom Vater (dem Zwillingsbruder des Angeklagten) habe sie bedrohlich wirkende Blicke wahrgenommen.

Der Kollege der betroffenen Bademeisterin vermutet hinter dem Vorfall sogar ein Muster. „Ich kenne den Angeklagten schon seit gut 20 Jahren, als ich noch Bademeister im Freibad in Lauda war“, erzählt er. Immer wieder habe es bei der Familie kleinere Verstöße gegeben, insbesondere bei besagtem Neffen. Dieser provoziere absichtlich, damit sein Onkel einschreite, wenn es Ärger gebe.

Richterin konfrontiert Angeklagten mit Aussagen

Richterin Susanne Friedl konfrontiert den Angeklagten mit den bisherigen Zeugenaussagen. „Leute haben Angst vor Ihnen“, so ihr Vorwurf in Richtung des 35-Jährigen. Sie rät ihm ausdrücklich dazu, den Einspruch gegen den bereits verhängten Strafbefehl zurückzuziehen.

Da es sich um ein sogenanntes Strafbefehlsverfahren handelt, kann durch einen entsprechenden Verzicht des Angeklagten der bereits vorformulierte Strafbefehl auch ohne Hauptverhandlung in Kraft treten. Dieses vereinfachte Verfahren entlastet die Justizbehörden durch schnellere Bearbeitungszeiten.

Lange sah es so aus, als würde der Angeklagte auf einer Hauptverhandlung bestehen, die Zeugen hätten dann erneut aussagen müssen. Nach längerer Diskussion zwischen Verteidiger Frank Gangl und dem Angeklagten zieht dieser – trotz fehlender Schuldeinsicht – seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Dieser ist damit rechtskräftig, der Mann muss nun eine Strafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro, insgesamt also 1600 Euro zahlen.

Redaktion

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