Bad Mergentheim. Als Lorenz Fries im Jahr 1550 verstarb, bedachte er in seinem Testament auch seine Geburtsstadt Bad Mergentheim, damals noch ohne „Bad“, mit einem Geldbetrag von 100 Gulden. 80 davon sollten an junge Paare verteilt werden, die sich in der Stadt niederlassen wollten, die restlichen 20 sollten angelegt werden, dass die Ratsherren einmal im Jahr zu einem Essen eingeladen werden und seiner gedenken. Dieses Geld sucht Oberbürgermeister Udo Glatthaar noch heute, meinte er scherzhaft in seinem Grußwort.
Doch wie kam der Sohn einfacher Wirtsleute zu so hohen Geldbeträgen? In Bad Mergentheim ist wenig über den berühmten Sohn der Stadt bekannt. Sicher, es gibt eine Lorenz-Fries-Schule und auch Gästeführer schlüpfen in die historische Rolle von Lorenz Fries, aber sonst? Seit Jahren bemüht sich die Schule als Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Schwerpunkt Lernen, mehr über ihren Namensgeber zu erfahren.
Lorenz Fries gilt als der bedeutendste fränkische Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts. Seine „Würzburger Bischofs-Chronik“ und „Die Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken“ sind wertvolle Quellen in der Geschichtsforschung. Viel mehr ist in seiner Heimatstadt nicht bekannt und genau das wollten die Schülerinnen und Schüler der Lorenz-Fries-Schule ändern. In alten Unterlagen fanden sie die Zeichnung eines Archivschrankes für die „hohe Registratur“ und den wollten sie im Rahmen eines Projektes des Katholischen Jugendreferates des Dekanats Mergentheim nachbauen.
72-Stunden-Aktion
In einer 72-Stunden-Aktion, wie die Projekte des Dekanats heißen und die Jugendlichen animieren sollen, sich ehrenamtlich einzusetzen, begann das Projekt an der Lorenz-Fries-Schule. Schnell war klar, das ganze Projekt lässt sich nicht aus der Schule heraus alleine bewerkstelligen. Man musste sich Partner suchen und fand sie in der Firma Bembé Parkett. Markus Müller, Personalleiter bei der über 250 Jahre alten Firma, ist jetzt noch ganz begeistert von dem Enthusiasmus, den die Jugendlichen an den Tag gelegt haben. Er war sofort Feuer und Flamme und beriet mit der Lehrwerkstatt der als hochwertige Parkettleger bekannten Firma, wie man unterstützen könnte. Auch hier fand die Schule offene Türen vor, Ausbilder der Holzmechaniker Robert Schöffmann und seine Auszubildenden in der Schreinerei nahmen sich dem Projekt an. Und auch das damals (2019) noch als Deutschordensmuseum firmierende Residenzschloss Bad Mergentheim sowie die Stadt Bad Mergentheim unterstützten das Projekt.
Zuerst galt es, die Zeichnung von Fries in eine Explosionszeichnung zu übertragen, wie es heute als Arbeitsvorbereitung üblich ist. Immerhin sollte der Schrank eine Größe von 2,40 mal 2,30 Meter haben. Die Jugendichen hatten schon gut vorgearbeitet und kleine Modelle angefertigt, damit man erkennen konnte, wie der Schrank einmal real aussieht.
Eichenholz verwendet
Diese Vorlage wurde dann vergrößert, bis der Schrank schließlich entstehen konnte. Man wollte, wie beim Original, Eichenholz verwenden, zusammengerechnet musste ein Kubikmeter bestes Eichenholz verarbeitet werden, erläuterte Schöffmann bei der Vorstellung des Archivschrankes im Roten Saal des Residenzschloss Mergentheim. Der Schrank besteht aus 31 Schubkästen und einem Durchgang und ist eine sehr massive Arbeit. Über 400 Stunden Arbeit sind letztlich in die Realisierung des Werkes geflossen, viel mehr als die ursprüngliche Idee der 72 Stunden. „Es war ein sehr großes Projekt“, befand dann auch Schulleiter Volker Lueg. Der Stolz in der Schule, so etwas geschaffen zu haben, ist heute noch spürbar. Durch Corona wurde das Projekt etwas verlängert, von den ursprünglich eingeplanten drei Praxistagen der Schülerinnen und Schüler bei der Firma Bembé konnte nur einer abgehalten werden.
Fester Platz
So kam es erst jetzt zur feierlichen Übergabe an das Residenzschloss Mergentheim. Monika Menth, die in Vertretung von Konservatorin Maike Trentin-Meyer ebenfalls ein Grußwort hielt, ist stolz darauf, dass das Möbelstück nun im ersten Obergeschoss des Museums einen festen Platz gefunden hat. Der Schrank soll zum Spielen animieren, deshalb sind einige Schubladen mit Materialien belegt, andere noch frei. Jede Schublade ist beschriftet, was die Schülerinnen und Schüler größtenteils selbst übernommen hatten. Die Schubladen wurden mit einem Laser vorberietet und dann die Buchstaben als Intarsien aus dunklerem Nussbaum eingelegt, ganz wie beim Vorbild der Fries’schen Zeichnung. Wie toll die Funktion des Schrankes ist, probierten die Schülerinnen und Schüler im Anschluss an die feierliche Enthüllung gleich aus und hatten viel Spaß dabei.
Die Schule will sich übrigens weiter an der Forschung über Lorenz-Fries beteiligen. Und einen weiteren positiven Nebeneffekt hatte die Aktion auch. Zwei Jugendliche waren von der Arbeit in der Lehrwerkstatt der Firma Bembé so angetan, dass sie einen Lehrvertrag unterschrieben und jetzt zum Parkettleger ausgebildet werden.
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