Bad Mergentheim. „Wohnungsnot lindern und eine bessere Zukunft schaffen“ – das klingt modern und könnte in dieser Form auch heute noch auf Wahlplakaten von Parteien stehen. Tatsächlich war das aber 1924 der Antrieb einiger Männer, um am 8. November im Bad Mergentheimer Gasthof „Zur Rose“ eine Bau- und Spargenossenschaft zu gründen.
Unter ihnen befand sich auch Maurus Weber. Der ehemalige Stadtrat leitete damals die Sitzung und wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. Dass er Namensgeber einer Straße im Weberdorf wurde, zeigt bereits: Die damals gegründete Genossenschaft wurde zur Erfolgsgeschichte, welche die Kurstadt und auch die Umgebung stark geprägt hat.
Engagierte Persönlichkeiten entscheidend für Genossenschaft
Absehbar war dieser Erfolg nicht unbedingt, die Genossenschaft blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Denn auch wenn bezahlbarer Wohnraum durchaus ein massentaugliches Thema war, kämpfte die neue Genossenschaft in den Anfangsjahren mit finanziellen Schwierigkeiten. „Doch dank der unermüdlichen Bemühungen von engagierten Persönlichkeiten wie Lothar Daiker und Maurus Weber konnte die Krise überwunden werden“, schreibt die Genossenschaft in einer Festschrift zum Jubiläum im November.
Ein Meilenstein dabei: Der Kauf eines zwei Hektar großen Grundstücks bei Bad Mergentheim für den aus heutiger Sicht phänomenalen Preis von gerade mal vier Mark pro Quadratmeter. Dieses Grundstück wurde später als „Weberdorf“ bekannt und erfreut sich als Wohngebiet auch heute noch großer Beliebtheit.
Selbst die massiven Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs überstand die Genossenschaft. Eine Auflösung stand allerdings im Raum, die Lage war ernst. Ein zinsloser Ministeriumskredit sicherte den Fortbestand.
Beim Blick auf die Geschichte der heutigen Kreisbau Main-Tauber wird deutlich, dass die Genossenschaft letztlich ein Spiegel der Zeitgeschichte war. Das Auf und Ab, die bewegte Vergangenheit des Landes schlugen sich in der Historie der Genossenschaft durch. So war die Nachkriegszeit auch für die Genossenschaft eine Zeit des Aufbaus, des beginnenden Wachstums und der Erneuerung.
Eine Auflistung von Projekten in den folgenden Jahrzehnten zeigt die Bedeutung für den Bad Mergentheimer Raum: Die Trillbergsiedlung (der Bereich unweit des heutigen Caritas-Krankenhauses) und die Herrenwiesen, Projekte der 1950er-Jahre, bilden bis heute markante Punkte und Wohnviertel des Stadtgebiets.
Doch nicht nur in der Kurstadt hinterließ die heutige Kreisbau Main-Tauber ihre Spuren. Auch in Weikersheim und Niederstetten entstanden Wohnungsbauten, beispielsweise in der Laudenbacher Straße unweit des Gymnasiums oder im Niederstettener Nachtigallenweg oberhalb des Vorbachs.
Auch ein Skandal bremst die Kreisbau nicht nachhaltig aus
Nach erfolgreichen Jahrzehnten geriet die Kreisbau dann in den 90er-Jahren erneut in äußerst unruhige Fahrwasser. Ein spielsüchtiger Geschäftsführer veruntreute mehrere Millionen D-Mark und verschleierte dies einige Zeit über ein schwarzes Konto, wie die FN damals berichteten. Ein schwerer finanzieller Schlag für die Genossenschaft. An Bauprojekte war daher für mehrere Jahre kaum zu denken, die finanziellen Mittel wurden für langwierige Rechtsstreitigkeiten und den bloßen Erhalt der Genossenschaft benötigt.
Wichtiges in Kürze
- Gründung: 8. November 1924 in Bad Mergentheim mit damals neun Gründungsmitgliedern. Unter ihnen: Stadtrat Maurus Weber
- April 1925: Beginn mit Wohnungsbau im heutigen Weberdorf, bis 1928 entstanden 33 Gebäude und 37 Wohnungen
- 1949-51: Großes Projekt Trillbergsiedlung mit insgesamt 84 Wohneinheiten
- 1973: Verschmelzung mit der Wertheimer Baugenossenschaft
- 1974: Nach 50-jährigem Bestehen hat die Kreisbau mehr als 1000 Wohneinheiten und weitere Objekte im Portfolio
- 1983: Neubau des Johanniterhofs
- 90er-Jahre: großer Veruntreuungsskandal um Geschäftsführer Manfred Gimple
- ab 2000: wieder vermehrte Bautätigkeit im Tätigkeitsbereich der Kreisbau.
Mit der Jahrtausendwende verbesserte sich die Lage wieder. Zahlreiche neue Projekte wurden verwirklicht oder Objekte für zukünftige Pläne angekauft. Bad Mergentheim, Igersheim, Weikersheim, Niederstetten und – etwas außer der Reihe – Wertheim bildeten den Tätigkeitsbereich der Kreisbau Main-Tauber. Die Tätigkeit in Wertheim erklärt sich im Übrigen durch eine Verschmelzung mit der bis dahin eigenständigen „Gemeinnützigen Baugenossenschaft Wertheim“ vor gut 50 Jahren. Seither bildete die Stadt neben den Gemeinden des Altkreises Bad Mergentheim einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt der Genossenschaft.
So viel also zur bewegten Geschichte der Kreisbau Main-Tauber von ihrer Gründung 1924 bis heute. In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Projekte angestoßen, teils schwere Krisen gemeistert und der genossenschaftliche Gedanke bis in die Gegenwart getragen.
In den kommenden Teilen werden die Fränkischen Nachrichten die aktuelle und zukünftige Entwicklung in den Blick nehmen: Wo steht die Kreisbau Main-Tauber heute? Lässt sich der Gründungsgedanke des bezahlbaren Wohnens in Zeiten enorm gestiegener Baukosten überhaupt noch verwirklichen? Wie blickt die Genossenschaft in die Zukunft, welche Projekte plant sie? Diese – und weitere – Fragen werden in den nächsten Teilen der redaktionellen Serie beantwortet.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-kreisbau-main-tauber-praegte-das-stadtbild-in-100-jahren-entscheidend-mit-_arid,2252864.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/weikersheim.html
[3] https://www.fnweb.de/orte/niederstetten.html
[4] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html