FN-Serie "Ein Tag als"

Hinter dem Fitnesstrainer können sich viele Berufe verstecken

„Selbstständigkeit heißt selbst und ständig zu arbeiten“, so ein bekannter Spruch. Auch für den FN-Reporter als Tagespraktikanten war zum Glück noch Arbeit da, um aus dem Spruch Realität werden zu lassen

Von 
Simon Retzbach
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Andreas Lutz beim Anleiten im Fitnesskurs. Noch in diesem Jahr sollen auch am Bad Mergentheimer Standort Kurse angeboten werden. © Katarina Lutz

Bad Mergentheim. Denn seit Juni weht im ehemaligen Fit4You-Studio in Bad Mergentheim ein anderer Wind: Andreas „Andi“ und Katarina „Kati“ Lutz haben als ANKA-Fitness das Bad Mergentheimer Studio übernommen. Ein großer Schritt für das Paar, das vorher Räume im Fechtzentrum der Kreisstadt für Fitnesskurse angemietet hatte und für Personal Training zu Kunden bis nach Würzburg gefahren ist.

Ich will mir das Ganze einmal anschauen und komme an einem Dienstag zur Spätschicht um 14 Uhr in das Studio, wo ich die neuen Inhaber beim gemeinsamen Mittagessen treffe. Eine kleine Stärkung und ein Moment der Ruhe, bevor für die beiden die Arbeit so richtig losgeht.

Andi zeigt mir dann direkt, dass man Muskeln auch trainieren kann, ohne die zahlreichen Geräte benutzen zu müssen. Es reicht, diese nach den Vorstellungen der neuen Besitzer durch das Studio zu verschieben. Die zuvor jahrelang kaum veränderte Struktur wird durch die beiden ordentlich verändert, so dass wir uns daran machen, mehrere Geräte an ihren neuen Platz zu verrücken.

Auch als Spülkraft komme ich mal zum Einsatz, Sauberkeit ist eben in allen Belangen wichtig. © Andreas Lutz

Gar nicht so leicht, sind diese doch aufgrund ihrer massiven Konstruktionsweise und eingebauter Gewichtsblöcke ordentlich schwer. Mithilfe von Rollbrettern und grundlegenden Physikkenntnissen (die Andi beisteuern muss, ich bin auf diesem Gebiet ein Totalausfall) gelingt uns die Arbeit schließlich und ich fühle mich, als hätte ich so eben schon eine Trainingseinheit absolviert.

Nebenbei kümmert sich Kati um jede Menge administrative Dinge. Verträge verwalten, Neuverträge abschließen und auch die Handwerkertermine organisieren – auch im Fitnessbereich geht es nicht ohne ein bisschen Bürokratie und Planung.

Zusätzlich bieten sie immer noch Kundentermine vor Ort an, bis zu sechs solcher Termine kommen wöchentlich hinzu. Das sorgt für volle Tage, „13 Stunden und länger sind normal“, wie Kati mir erklärt. Auch am Wochenende sind die Neu-Mergentheimer mit der Arbeit beschäftigt, ganz „selbst“ und „ständig“ eben.

Schon bevor sie ins Studio fahren, werden Mails und der Instagram-Kanal auf neue Nachrichten geprüft, bevor im Studio gründlich gereinigt, Probetrainings vereinbart oder Trainingspläne geschrieben werden. Nachdem wir uns für diese kurzen Einblicke unterhalten haben, geht es wieder körperlich ran und nach dem „Möbelpacker“ entdecke ich nun gewissermaßen den nächsten Beruf, den man als Fitnesstrainer ausüben muss.

Denn auch als Handwerker ist man gefragt. Die Geräte selbst brauchen andauernd kleinere Reparaturen, aber insbesondere die derzeitige Studioübernahme und der damit verbundene Umbau erfordert auch größere Handwerkertätigkeiten insbesondere von Andi und an diesem Dienstag eben auch von mir.

Wie man Fitnesstrainer wird

  • Fitnesstrainer ist in Deutschland kein geschützter Begriff, eine einheitliche Ausbildung existiert nicht. Das bedeutet, dass man theoretisch ohne Ausbildung bzw. Lizenz arbeiten kann.
  • Neben einem sportwissenschaftlichen Studium können staatliche oder private Fachschulausbildungen wie Physiotherapie (mit zusätzlichen Qualifikationen im Bereich Sport) oder Sport- bzw. Gymnastiklehrer und private Ausbildungsinstitute entsprechendes Wissen vermitteln.
  • wichtige Charaktereigenschaften sind laut Katarina und Andreas Lutz „Empathie, Wissbegierigkeit und der Wille, Menschen zu helfen.“
  • Die Tätigkeit als Fitnesstrainer zeichnet sich vor allem durch seine Befähigung auf der Trainingsfläche aus. Neben gezielter Kundenbetreuung bei der Anleitung zählen die Trainingsplangestaltung und die Analyse der körperlichen Leistungsfähigkeit zu den täglichen Aufgaben.
  • Neben dem Fitnessstudio oder einer Selbstständigkeit sind auch Wellnesshotels, Kur- und Rehakliniken Einsatzfelder für Fitnesstrainer. Hier werden allerdings entsprechende Qualifikationen vorausgesetzt.
  • Weit verbreitet sind die von privaten Akademien verliehenen Fitnesstrainer-Lizenzen in den Stufen A (höchste) bis C.
  • Die Qualität privater Anbieter kann durch das Vorhandensein eines TÜV-Siegels sichergestellt werden.
  • Je nach Bundesland, Einsatzbereich, Unternehmensgröße, Qualifikation, Alter und Berufserfahrung fällt das Gehalt sehr unterschiedlich aus.

Ein ausführliches FAQ zum Beruf findet man hier.

Handwerkliche Vorarbeiten

Die bis September entstehenden Kursräume, in denen dann verschiedene Fitnesskurse mehrmals wöchentlich angeboten werden sollen, sind derzeit noch im Rohbau und damit die professionellen Handwerker in ihrer kostbaren Zeit möglichst effizient arbeiten können, leisten wir erste Vorarbeiten.

Zum Verlegen eines Kabels quer durch das Studio erklimmen wir mehrfach die Leiter, um an die Decke des Studios zu kommen. Keine ganz leichte Aufgabe, da die mehr als 1000 Quadratmeter große Halle doch recht hohe Decken hat. Doch was tut man nicht alles, damit der Zumbakurs im neuen Kursraum auch einen Stromanschluss hat?

Als auch diese Aufgabe nach mehrmaligem Auf- und Absteigen gelöst ist, folgt dann logischerweise eine klassische Praktikantenaufgabe. „Wer Dreck macht, muss ihn auch wieder weg machen“, erklärt mir Andi grinsend. Also ran an den Staubsauger und den Staub beseitigen, immerhin erwarten die Mitglieder eine saubere Trainingsfläche.

Barkeeper und Kaufmann

Zurück an der Theke erwartet mich der nächste Beruf: Als Barkeeper muss stets dafür gesorgt werden, dass die Getränkewünsche der Mitglieder erfüllt werden, immerhin muss ein schweißtreibendes Training entsprechend kompensiert werden. Und auch hier gilt letztlich die Weisheit mit dem Dreck, so dass die benutzten Gläser von mir auch wieder gespült werden müssen.

Auch kaufmännisch werden wir an diesem Tag aktiv, zusammen mit Andi gehen wir die Bestände an Proteinpulvern und sonstigem Trainingszubehör durch, um eine Bestellung vorzubereiten. Gerade als neue Studioinhaber gilt es, eine sinnvolle und wirtschaftliche Preisstruktur zu finden.

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Mit Blick auf die Uhr bereitet sich Andi auf ein Kundengespräch vor. Denn neben Fitnesskursen, dem Studio und Personal Training bieten Andi und Kati noch Ernährungsberatung an. Zur Feierabendzeit um 18 Uhr ziehen wir uns also von der voller werdenden Trainingsfläche zurück, um in Ruhe mit dem Kunden telefonieren zu können.

„Wie findest du den Plan, den ich dir gemacht habe?“, fragt Andreas seinen Kunden, der einen Wunsch nach Gewichtsreduktion als Ziel angab. Dieser ist zurückhaltend, er habe andere Vorstellungen gehabt. Coach Andi nimmt die Aussagen ernst und erklärt, was er sich bei der Planung gedacht hat und welche vielleicht auch weniger beliebten Umstellungen für den gewünschten Gewichtsverlust erforderlich sind. Ausführlich gehen die beiden verschiedene Alltagssituationen des Mannes durch und identifizieren Gefahrenquellen und Möglichkeiten zur Optimierung des Essverhaltens.

Wert legen Andi und Kati auch auf die Außendarstellung und Präsenz in Sozialen Medien. So schnappt sich Andi eine Kamera und filmt das durchaus beeindruckende Kreuzheben eines Mitglieds ab, perfektes Material für die fleißig genutzte Instagramseite.

Ein Tag als

Jobtausch: Ein Tag als Fitnesstrainer

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Jobs aufgegeben

Bis 22 Uhr ist das Studio geöffnet, so lange geht auch die Schicht der beiden Mittdreißiger. Warum die viele Arbeit, warum die hart umkämpfte Fitnessbranche als Berufsfeld ergreifen? „Wir wollten schon immer etwas aufbauen, wurden in unseren bisherigen Berufen beide nicht glücklich. Also haben wir uns in einem Urlaub dazu entschieden, die Trainerlizenz zu machen“, erklärt Kati die Motivation. Man werde durch sein Umfeld oft schon früh in eine Richtung gedrängt, dabei seien klassische Berufe nicht zwingend ein glückbringender Weg für immer. Und so gaben beide sichere Jobs in der Industrie auf, um ihr Glück in der Selbstständigkeit zu suchen.

Mit dem Studio in Bad Mergentheim haben sie sich einen Traum erfüllt und wollen nun voll durchstarten. Mit qualifiziertem Personal und enger Betreuung rund um Sport und Gesundheit wollen sie sich von der Konkurrenz abheben und so ein ernstzunehmender Standort für Fitness und Gesundheit in der Kurstadt werden.

Und wer weiß, was sich das dynamische Ehepaar noch so alles überlegt – und welche „Berufe“ sich dann noch hinter dem Fitnesstrainer verbergen. „Man muss in diesem Beruf nicht so viel machen wie wir hier, das hängt von einem selbst ab. Aber wir wollen es so“, fasst Andi seine Auffassung des Berufs zusammen.

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