Markelsheim/Röttingen. Selbst wenn man Karl Kuhn als Geschäftsführer der Firma „Tauberenergie“ oder als Bad Mergentheimer Stadtrat kennt – man muss bei den Musical-Aufführungen auf der Röttinger Burg Brattenstein schon zweimal hinschauen: Ob als Mafia-Scherge im dunklen Nadelstreifenanzug mit Schnellfeuergewehr oder als sommerlich hell gewandeter Millionär, Kuhn ist längst so in seine Rollen hineingewachsen, dass man ihn vor allem als große Bühnenfigur wahrnimmt.
Dass er als örtlicher Geschäftsmann und Stadtrat auch weiter „seriös“ unterwegs ist, das bleibt selbstverständlich. Trotzdem: Hier ehrbar, dort zwielichtig, das erfordert schon im Kopf des Markelsheimers einen gewissen Systemwechsel. Oder, einfacher gesagt, das Eintauchen und Aufgehen in einer Schauspielrolle.
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„Als Schüler war ich bei der Abschlussfahrt in Hamburg bei einer Aufführung von ’Cats’“, erinnert sich Karl Kuhn, „jetzt stehe ich selber auf der Musicalbühne“. Bei ihm habe sich über die Arbeit am Stück vor allem „Respekt und Ehrfurcht“ vor der Arbeit der hauptberuflichen Schauspieler eingestellt. „Das ist wirklich ein Knochenjob.“
Großartiger Einsatz
Wie kam Kuhn an die Nebenrolle im Musical „Sugar – Manche mögen’s heiß“? Seit Jahren schon casten die Röttinger Freilichtspiele talentierte Laien für ihre drei Sommerproduktionen. Sprech-, Gesangs- und Bewegungstalent sind dafür Voraussetzungen. Und natürlich Zeit für die umfangreichen Proben. „Das hat schon Tradition in Röttingen“, hält Intendant und Regisseur Lars Wernecke im FN-Gespräch fest. „Und wir sind froh, dass neben vielen bewährten Darstellern auch immer wieder neue dazu kommen – so wie Herr Kuhn.“ Ob Profi oder Amateur: Der Schweiß, der bei den Proben und den abendlichen Aufführungen fließt, ist der gleiche. Wernecke: „Es ist großartig, was auch in den kleineren Rollen geschaffen wird und wie die Ensemblemitglieder aus der Region sich ihre Parts spielerisch erarbeiten.“
Klar, es gibt die klassischen Hauptrollen, professionelle Darsteller, die ganz vorne stehen und hier ihre Bühnenerfahrung ausspielen könnnen. Statist ist beim Musical aber keiner – Theater ist eine Ensemblekunst; es funktioniert also nur im exakten Zusammenspiel und ohne Starallüren.
„Sugar“ ist eine Komödie: Wenn hier der Rhythmus nicht stimmt, in den schnellen Anschlüssen „Löcher“ entstehen, dann fallen auch die Stars mit runter. „Wir wurden sehr genau eingetaktet“, erklärt Kuhn. Als Mitglied des Eltern-Lehrer-Chors am Bad Mergentheimer „St. Bernhard“ verfügt er zwar über langjährige sängerische Erfahrung. Als „Extra“-Schauspieler auf der Bühne steht er aber zum ersten Mal. „Choreographie und Singen“, das habe er über die Proben erst einmal zusammenbringen müssen, mittlerweile laufe es allerdings ohne Probleme.
Beruf und Hobby unter einem Hut
Vor der Bewerbung in Röttingen sei ein langer Prozess des Nachdenkens geschaltet gewesen. Immerhin müsse er auch berufliche Aspekte mit dem Engagement unter einen Hut bringen. „Und das mitten in der Pandemie, wo man noch gar nicht wusste, ob man am Ende überhaupt spielen kann.“ Die Hygienevoraussetzungen: Tests und penible Dokumentation in der Firma, Tests vor der Bühnenarbeit, regieverordnete Abstände und das seit Ende März – aber der Aufwand habe sich schließlich doch gelohnt.
Als Stadtrat ist er mittlerweile der Dienstälteste – und die Fraktionskollegen waren größtenteils schon bei den ersten Aufführungen im Publikum. Die Amateure fungieren automatisch auch als lokale „Haken“: „Das Taubertal ist eine Marke, über Ortsgrenzen hinaus“, sagt Kuhn. Spielorte wie Röttingen seien wichtig für den Tauber-Tourismus insgesamt. Wenn sich dann noch Zuschauer aus der Region aufgrund von Bekanntschaften an den Spielort locken lassen, dann sei das doch eine tolle Sache.
Für ihn persönlich ist die „kollegiale Zusammenarbeit“ auf der Bühne eine wunderbare Erfahrung. Er nehme von der darstellerischen Arbeit in Röttingen auch etwas für seinen Alltag mit. „Am nächsten Tag ist man dann „ganz anders drauf“, schaut mit einer neuen Perspektive aufs Leben und den eigentlichen Beruf. „Ich kann nur sagen: Das ist eine echte Bereicherung“, hält Karl Kuhn fest.
In der Operette „Orpheus in der Unterwelt“ (Premiere am 1. Juli) kommt mit Ringo Wunderlich ein weiterer Darsteller aus der Region zum Einsatz. Wunderlich trat in großen Rollen bereits vielfach beim „Freilichttheater im Tempele“ Niederstetten auf. Informationen zu Spielplan/Karten in Röttingen: www.frankenfestspiele-roettingen.de.
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