Bad Mergentheim. Vor fast 55 Jahren, am 28. Juni 1969, fand in der Christopher Street im New Yorker Greenwich Village der erste weithin bekannt gewordene Aufstand Homosexueller und queerer Minderheiten statt. Im Jahr danach begründete der erste Gedenktag dieses Aufstandes eine Tradition, die 1977 Schweden, im Jahr darauf die Schweiz und am 30. Juni 1979 Berlin, Köln, Bremen und Stuttgart erreichte. Aus den anfänglich nur ein paar hundert Teilnehmenden wurden mit den Jahren Tausende, die sich am Christopher Street Day bunt und deutlich gegen die Diskriminierung von Menschen wendeten, die sich nicht auf traditionelle Sexualvorstellungen eingrenzen lassen wollten.
CSD: Bewegung feiert 1990 Erfolg
1990 konnte die Bewegung einen Erfolg feiern: Am 17. Mai vor 34 Jahren beschloss die Weltgesundheitsorganisation WHO, Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel für Krankheiten zu streichen. Seit 2005 wird dieser Tag als „Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie“ als internationaler Gedenktag begangen.
In den Wochen um die beiden Jahrestage wird es in vielen großen Städten bunt: dann trägt die LGBTQ-Community – das Kürzel steht für lesbisch, gay, bisexuell, transident und queer – ihre Forderungen nach gleichen Rechten bei Kundgebungen und Demos gemeinsam mit vielen Unterstützern und Unterstützerinnen in die Öffentlichkeit und feiert mit Paraden, Events und Festen offen die auch sexuelle Vielfalt.
Im Taubertal wurde der Tag bislang noch nie öffentlich zelebriert, in Mosbach nahmen an der ersten dortigen CSD-Demo immerhin bereits 200 Menschen teil.
Das können wir auch, beschloss das im Februar gegründete achtköpfige Organisationsteam, das jetzt nur noch an letzten Feinheiten für den CSD-Tag am 8. Juni feilt. Schon dieses Team, berichten die Orgateam-Mitglieder Robert Schiffmann und Verena Reichenberger, stehe mit seinem Altersspektrum von unter 18 bis knapp 60 Jahren für Vielfalt, und mit dabei sind „Heteros, Homos, Transidente“, weiblich, männlich und divers – Menschen eben, die für Toleranz einstehen, etwas bewegen wollen. Das klappt: Unter dem Motto „Bunt Mergentheim“ laden sie für den 8. Juni um 17 Uhr auf den Deutschordenplatz Bad Mergentheim ein, wo während der zweistündigen Kundgebung unter anderen für den Landkreis Landrat Christoph Schauder sprechen wird. Grußworte der Kurstadt wird Manuela Zahn, die erste Stellvertreterin des Oberbürgermeisters, überbringen. Als Hauptrednerin hat das Orga-Team die Stuttgarter Selbsthilfe-Pionierin für Transsexuelle Janka Kluge gewonnen. Mitte 60 ist sie und sieht keinen Grund, leiser zu werden, ob es sich nun darum dreht, für die Akzeptanz des LGBTQ-Spektrums zu werben oder Neonazis und Querdenkern die Stirn zu bieten. Auch Werner Fritz, Vorsitzender des Paritätischen Kreisverbands Main-Tauber und die Bad Mergentheimer Psychologin Angelika Mayer-Rutz werden zur Versammlung auf dem Deutschordenplatz sprechen. Beide haben in ihren Berufen viel Erfahrung mit den durch das „Anderssein“ verursachten Schwierigkeiten gesammelt. Fritz leitet die Jugendhilfe Creglingen, Mayer-Rutz hat als Psychologin unter anderem den „Gesprächskreis für Eltern, Angehörige und Freunde Homosexueller“ in Würzburg aufgebaut und in zwei Interviewsammlungen – „Bitte liebt mich, wie ich bin“ erschien 2010 und „Wie Phoenix aus der Asche“ 2018 – die Herausforderungen für homosexuelle und transidente Menschen greifbar gemacht.
Queere Community auch in der ländlichen Region vertreten
Als Sprecherinnen des Orga-Teams leiten Verena und Theresa Reichenberger durch die Veranstaltung, die ein Würzburger DJ-Duo von der kleinen Bühne vorm Beethoven-Haus aus mit den passenden Sounds umrahmt. Zu den in Kooperation mit dem Schlosscafé am Getränkestand zu findenden Kaltgetränken spendiert das Orga-Team Lose für die Tombola – und natürlich gibt’s auch einen interessanten und bunt bestückten Infostand. Die beiden „D-Janes“, die schon am Deutschordenplatz CSD-Klassiker aufgelegt haben, sorgen dann auch am Abend ab 19.30 Uhr im Jugendhaus Marabu für den passenden Sound zur Queerdance-Fete, bei der ganz ausdrücklich alle Menschen zum Tanzen, Reden und Spaß haben, kommen können. Sehr gut und angenehm seien die Gespräche mit dem Ordnungsamt im Vorfeld der Veranstaltung abgelaufen, betonen Reichenberger und Schiffmann. In Bad Mergentheim werde dieser allererste CSD im Taubertal wohl nicht so glitzrig und auffallend wie in den großen Städten, aber darum gehe es ja auch nicht: „Wir wollen zeigen, dass es uns gibt – auch in ländlichen Regionen.“ Als ganz normale Menschen wollen sie Ängsten und Unsicherheiten entgegenwirken und darauf hinweisen, dass auch die „bunten und damit auffälligeren Menschen denselben Respekt wie alle anderen verdienen.
Zudem gelte es, auf die derzeit wieder zunehmenden Anfeindungen, die queere Menschen in ganz Europa erleben, hinzuweisen. Errungene Freiheiten sind, wie nicht nur Beispiele aus einzelnen osteuropäischen Ländern zeigen, nie wirklich garantiert.
LGBTQ+: Es gibt noch viel zu tun
Und obwohl in Deutschland das im Oktober 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vielen Paaren das Leben leichter macht, ist das Adoptionsrecht bislang noch nicht angepasst. Dass noch viel zu tun bleibt und es nur in kleinen Schritten weitergeht, ist dem CSD-Organisations-Team klar.
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