Landwirtschaft

Der Getreidepreis steigt auch im Main-Tauber-Kreis in ungeahnte Höhen

Von 
Bernd Hellstern
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Wie wirkt sich die derzeitige politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland und in Europa auf die Landwirtschaft und insbesondere auf die Getreideernte aus? Das wollten wir im Gespräch mit zwei Landwirten aus der Region erfahren.

Bad Mergentheim/Igersheim. Krieg in der Ukraine und die Inflation, die steigende Zinsen mit sich bringt, machen sich aktuell in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens bemerkbar. Jeder ist betroffen, denn neben der Industrie, dem Mittelstand und dem Handwerk, ist die Krise bis in die kleinsten Zellen der Gesellschaft, die Familie, vorgedrungen.

In hohem Maße und gleich mehrfach betroffen sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die ja nicht nur von der jeweiligen Marktsituation und damit den Preisen abhängig sind. Die Wetterlage, die während der Wachstumsphase des Getreides vorherrscht, sofern sie mehrheitlich verschiedene Getreidesorten anbauen, wirkt sich ebenso auf den Gewinn oder Verlust aus wie etwa die Schlachtviehpreise.

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Im Gespräch mit den Landwirten Daniel Kuhnhäuser aus Igersheim und Dieter Scheppach aus Herbsthausen erfuhren die Fränkischen Nachrichten nun aus erster Hand, wie sich die wirtschaftliche Situation unter anderem in der Erntezeit, derzeit für sie darstellt.

Beide Betriebe bewirtschaften zwischen 100 und 150 Hektar Fläche und liegen damit im bundesdeutschen Durchschnitt. Daniel Kuhnhäuser hat den Betrieb vor einem Jahr von seinem Vater übernommen, er führt ihn im Nebenerwerb. Er betreibt Ackerbau und baut Weizen, Sommergerste, Hafer, Dinkel und Zuckerrüben an. Vor fünf Jahren hat er außerdem Sonnenblumen mit ins Anbauprogramm genommen. In seinem Stall stehen 25 Milchkühe mit Nachzucht.

Auch Dieter Scheppach betreibt seinen Betrieb im Nebenerwerb. Das ist allerdings nur deshalb möglich, weil sein benachbarter Arbeitgeber, die Herbsthäuser Brauerei, sich in der Gestaltung seiner Arbeitszeit sehr großzügig zeigt. In Spitzenzeiten helfen noch der Junior und ein paar freiwillige Helfer. Scheppach konzentriert sich ganz auf den Ackerbau. Er baut Winterweizen, Wintergerste, Winterraps, Durum- Weizen, Braugerste und Silomais an, dazu kommen einige Hektar Blühmischungen und Luzerne (Klee) als ökologische Flächen.

Zum Zeitpunkt der Hofübernahme war die wirtschaftliche Situation „gut bis sehr gut“, sagt der Landwirt. Die Anbaukulturen seien gut über den Winter gekommen, die Bestandsdichte sei zufriedenstellend gewesen, die Stockung habe gepasst, die notwendigen Arbeiten (unter anderem Düngen und Pflanzenschutz) wurden vorgenommen. Doch dann sei plötzlich der Ukraine-Krieg ausgebrochen und alles habe sich über Nacht verändert. Angefangen bei Preissteigerungen in ungeahnte Höhen, nachdem schon im Herbst die Preise für Dünger etwas angezogen hatten. Im Herbst hatte er für einen Doppelzentner noch 33 Euro gezahlt, im Frühjahr nach Kriegsausbruch mit 100 Euro über das Dreifache, während im Gegensatz die Getreidepreise nur sehr leicht angestiegen seien.

In der Zwischenzeit hat sich der Preis für Dünger bei etwa 70 Euro eingependelt. Dazu kamen die Preissteigerungen für Diesel und andere im Betrieb benötigte Kraftstoffe. Für ihn stellte sich die Frage nach der richtigen Kalkulation, und wie man weiter macht. Aber die Sorgenfalten sollten aufgrund des fehlenden Regens noch größer werden. Im Mai habe man Tag für Tag zuschauen können, wie der Bestand immer mehr abnahm. Waren die Arbeiten auf dem Feld überhaupt noch sinnvoll, fragte er sich. Denn es werde ein unter dem Durchschnitt liegender Ertrag mit schlechterer Qualität erwartet.

Während sich der Ertrag unter anderem bei Weizen und Sommergerste je nach Ackerlage aufgrund der Trockenheit gerade noch in erträglichen Grenzen halten werde, würden bei den Zuckerrüben im Herbst – bei der momentanen Witterung – geschätzt nicht mehr als 50 Tonnen pro Hektar erwartet.

Markt übersättigt

Der Markt für Dinkel sei derzeit übersättigt, die Lager sind voll. Damit tue sich ein neues Problem auf, denn der Dinkel gebe sich mit weniger Wasser zufrieden. Dieses fehle dem dringend benötigen Weizen während der Wachstumsphase, was den Ertrag deutlich schmälere.

Der Herbsthäuser Landwirt pflichtet seinem Igersheimer Kollegen bei: die Entwicklung der Einkaufs- und Verkaufspreise sei sehr eng mit dem Ukraine-Krieg verbunden, denn beide Kriegsparteien zählten weltweit zu den wichtigsten Getreideproduzenten. So habe ein Tonne Getreide 2020/21 einen Verkaufserlös von nur 170 bis 180 Euro gebracht, die wirtschaftlich gerechnet eigentlich 200 Euro hätte bringen müssen.

Für die neue Ernte kristallisiere sich Stand jetzt ein Verkaufspreis von zirka 330 Euro heraus. Das klinge sehr gut, relativiere sich aber, wenn man die Entwicklung des Düngerpreises betrachte, der in kürzester Zeit von 200 Euro pro Tonne auf 700 Euro angestiegen sei.

Bedingt durch den fehlenden Regen sei eine Ernte von lediglich zirka 70 Prozent der möglichen Menge zu erwarten. Die Trockenheit mache sich besonders beim Silomais bemerkbar, der jetzt eigentlich schon über zwei Meter hoch sein müsste. Er erwarte höchstens 50 Prozent des üblichen Ertrags,, was für die Futtermittelbetriebe eine Katastrophe bedeute. Ein Ende der Preisspirale, unter anderem wegen der Gasknappheit, so die Einschätzung der Landwirte, sei noch nicht abzusehen.

Wohl auch deshalb nannte der Vorsitzende des Bauernverbandes des Main-Tauber-Kreises, Reinhard Friedrich, das laufende Jahr in jeder Hinsicht ein anspruchsvolles Jahr, das man – er könne sich jedenfalls nicht daran erinnern – so noch nie erlebt habe. Aufgrund fehlender Mengen sei der Getreidepreis schon im Herbst angestiegen, um nach dem Beginn des Ukraine-Krieges in ungeahnte Höhen zu fliegen. Die meisten Landwirte, außer jene, die noch etwas Vorrat hatten, konnten diesen Preis nicht nutzen.

„Existenzielle Katastrophe“

Durch den gestiegenen Düngerpreis, die dramatischen kriegsbedingten Preissteigerungen und die drohenden Gasknappheit sei zu befürchten, dass die Preise weiter ins Unermessliche ansteigen. Schon die jetzige Situation sei für viele Landwirte eine existenzielle Katastrophe.

Im nächsten Jahr sollen laut neuer EU- Regel vier Prozent der Ackerflächen stillgelegt werden. Friedrich bezweifelt allerdings, ob dies in der augenblicklichen Situation überhaupt zu verantworten sei.

Sein Appell an die Politik lautet, dies noch einmal zu überdenken und bei der Prioritätenliste, die bei Gasknappheit Anwendung findet, mit einzukalkulieren, dass Lebensmittelproduktion ohne Dünger nicht möglich sei.

Schließlich ging Friedrich auf die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln ein. Man sei dazu bereit, allerdings nur, wenn die Pflanzen weiter so vor Schädlingen geschützt werden könnten, dass die Erträge erhalten blieben.

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