Landwirtschaft

Das Ende des Schweinezyklus

Steigende Kosten, Billigimporte aus Spanien und günstige Verbraucherpreise machen dem Tierhalter Lars Unangst aus Bödigheim das Leben schwer

Von 
Martin Bernhard
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Liegt die Zukunft für Schweinemäster Lars Unangst in der Direktvermarktung? Der 45-Jährige plant, die wertvollen Iberico-Schweine zu züchten und deren Fleisch direkt zu vermarkten. © Martin Bernhard

Mit Schweinezucht ist derzeit kein Geld zu verdienen. Dennoch hält Lars Unangst aus Bödigheim rund 1500 dieser Tiere. Die Energiekrise macht die Situation für den Tierhalter noch schwieriger.

Bödigheim/Buchen. Wenn es ums Geld ginge, täte Lars Unangst aus Bödigheim gut daran, seine rund 1500 Schweine zum Schlachter zu bringen. Denn die Tiere bedeuten für ihn nur Arbeit, aber keinen Lohn. „Das ist eine Nullnummer“, stellt er im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten fest. Derzeit erhält er 1,80 Euro pro Kilo, also etwa 180 Euro pro Schwein. Die Kosten fressen den Umsatz auf: 60 Euro zahlt Unangst für ein zwei Monate altes Ferkel. In vier Monaten Mast investiert er pro Tier rund 100 Euro für Futter und mindestens 20 Euro für Betriebskosten und Abschreibung. „Ich bin weit vom Mindestlohn entfernt“, stellt er fest.

Zehn Euro Verlust pro Schwein

Vor einem Jahr war die Situation noch schlimmer. Da bekam der Landwirt nur 1,20 Euro pro Kilo. „Da habe ich jedem Schwein einen Zehn-Euro-Schein mitgegeben, wenn ich es zum Schlachter brachte“, drückt sich der 45-Jährige plakativ aus. „Mit einem leeren Stall hätte ich ein besseres Geschäft gemacht.“ Deshalb reduzierte er den Tierbestand um 500 Stück. Unangst will den von seinen Eltern vor 40 Jahren gegründeten Mastbetrieb nicht aufgeben. Und er hofft auf bessere Zeiten.

Vor 40 Jahren vier Mark pro Kilo

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Matthias Hermann vom „Beratungsdienst Ackerbau Neckar-Odenwald-Tauber“ ist die Problematik bekannt. Vor 40 Jahren erhielten die Bauern vier D-Mark pro Kilo Schweinefleisch bei deutlich geringeren Kosten. Damals konnte man von diesem Preis gut leben. Zwischen 2017 und 2019 war der Schweinepreis auf 1,30 Euro bis 1,50 Euro gesunken. „Und jetzt sind die Kosten exorbitant gestiegen“, sagt Hermann. „Die hohen Getreidepreise sind das K.o. für Tierhändler.“ Er weist auf den Schweinezyklus hin: Ist der Preis niedrig, züchten die Landwirte weniger Schweine. Bei gleichbleibender Nachfrage sollte der Preis wieder steigen.

Das funktioniert allerdings nur innerhalb eines einheitlichen Markts. Und der ist auch in der Europäischen Union nicht gegeben. „Die Spanier fluten den Markt mit billigem Schweinefleisch“, sagt Hermann. Sie würden günstigeres Futter aus Übersee importieren und müssten weniger Vorschriften beachten als ihre deutschen Kollegen. „Das ist Wettbewerbsverzerrung“, stellt Matthias Hermann fest.

„Ich bräuchte mindestens 2,20 Euro pro Kilo Fleisch, damit sich die Arbeit für mich lohnt“, stellt Lars Unangst fest. Wenn die Energiekosten weiter steigen, reicht möglicherweise auch dieser Preis nicht. Unangst verbraucht mit seinem Betrieb nach seinen Worten 100 000 Euro an Kilowattstunden Strom im Jahr. Denn jeden Tag läuft die Schrotmühle fürs Getreide. Das Korn im Silo wird im Sommer belüftet und heruntergekühlt, damit es länger haltbar ist. An Diesel benötigt er 32 000 bis 35 000 Liter im Jahr.

Derzeit verdient der Bödigheimer seinen Lebensunterhalt mit Ackerbau. Auf einer Fläche von 200 Hektar baut er Wintergerste, Winterweizen, Sommergerste, Mais, Erbsen und etwas Dinkel an. Ein Teil seiner Ernte verarbeitet er zu Futter für seine Schweine. Sojaschrot, Mineralfutter und etwas Gerste muss er zukaufen.

Von den gestiegenen Düngemittelpreisen ist der Landwirt noch nicht betroffen. Denn er hat sich im vergangenen Jahr günstig für 2022 eingedeckt. „Im kommenden Jahr wird es spannend“, stellt er fest. Denn zeitweise habe sich der Preis verdreifacht.

Matthias Hermann, der selbst 25 Hektar in Hirschlanden im Nebenerwerb bewirtschaftet, bestätigt die Angaben seines Kollegen aus Bödigheim. So kostete der Stickstoffdünger Kalgamon vor zwei Jahren 15 bis 20 Euro pro Doppelzentner (100 Kilo), derzeit 65 Euro und in den vergangenen Monaten in der Spitze 95 Euro. Nach den Worten von Hermann hätten die Düngerhersteller trotz des hohen Bedarfs ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Denn es sei für sie lohnender gewesen, das für die Produktion nötige Gas zu verkaufen als es für die Düngerherstellung zu verwenden.

„Der Dünger, den wir jetzt verbrauchen, wurde im vergangenen Jahr produziert“, erläuterte Hermann. Deshalb war die Verfügbarkeit des Materials bisher kein Problem. „Jetzt wird er für das kommende Jahr hergestellt.“ Wer zurzeit welchen für das nächste Jahr bestelle, müsse in der Regel Vorkasse leisten. Das sei auch beim Kauf von Pflanzenschutzmitteln so. Auch dieses sei teurer geworden, ebenso Ersatzteile für landwirtschaftliche Geräte. „Das sind Zustände wie in der DDR“, meint der 37-Jährige. „Die Lieferzeiten für Bulldogreifen betragen sechs Monate.“

Stückkosten senken

Wie können die Landwirte auf diese Situation reagieren? Hermann geht davon aus, dass sich der Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte fortsetzen werde: „Es geht nach dem Prinzip ,Größer-Schneller-Weiter’“, sagt er. „Um die Stückkosten zu senken, muss man mehr mit gleichem Material- und Energieeinsatz produzieren.“ Aus den familiengeführten Bauernhöfen entstünden dann große Agrarfabriken. Wenn das die Verbraucher nicht wollen, müssten sie bereit sein, einen höheren Preis für Lebensmittel zu zahlen. „Verbraucher sollten regional einkaufen“, appellierte Hermann an die Bürger.

Der Landwirt spricht sich außerdem für den Handel von Kohlendioxid-Zertifikaten aus. „Das könnte die letzte Chance für die Landwirte sein, Geld zu verdienen“, sagt er. Denn die Landwirtschaft sei der einzige Betriebszweig, der Kohlendioxid im Boden einlagern könne. So nehme Mais zwischen April und August viermal soviel Kohlendioxid auf wie die Pflanzen im tropischen Regenwald.

Lars Unangst will so lange nicht warten. Er hat einen Stall mit Stroh ausgestreut und hält dort „hundert glückliche Schweine“. Wie in früheren Zeiten muss er wöchentlich von Hand ausmisten und jeden zweiten Tag neu einstreuen. Er will das Fleisch der Tiere zu einem besseren Preis direkt vermarkten.

Nebenan hält er einige Iberico-Schweine. Er plant, die wertvolle Rasse selbst zu züchten. Je nach Fleischqualität kann er mit diesen Tieren einen Kilopreis von 20 bis 50 Euro erzielen.

Redaktion

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