Austausch mit Lateinamerika

Bad Mergentheim: Wie ein einzigartiges Programm der Dualen Hochschule Kulturen verbindet

Das Doppelabschlussprogramm der DHBW Mosbach am Campus Bad Mergentheim mit der Universidad Autónoma de Bucaramanga in Kolumbien feiert zehnjähriges Bestehen.

Von 
Linda Hener
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Glückliche Gesichter nach den mündlichen Prüfungen: die Absolventen, Vertreter des jeweiligen Dualen Partnerunternehmens und Prüfende der UNAB. Studiengangsleiter Rainer Jochum ist links im Bild. © Jochum

Bad Mergentheim. „Das Doppelabschlussprogramm ist ein Glanzpunkt unserer Aktivitäten mit Lateinamerika“, erklärt Prof. Rainer Jochum über das einzigartige Studienmodell an der DHBW am Campus Bad Mergentheim. Der Leiter des Studiengangs BWL – International Business hat das Programm seit seinem Start 2013/14 aufgebaut und begleitet. In einer Hochschul-Kooperation mit der Universidad Autónoma de Bucaramanga (UNAB) ermöglicht es seit 2015 Studierenden, innerhalb von sechs Semestern zwei gleichwertige Abschlüsse zu erwerben: den deutschen Bachelor of Arts (B.A.) und den kolumbianischen Pregrado Profesional de Administración de Empresas.

Die Anfänge des besonderen Programms gehen bereits auf die 1990er Jahre zurück: Die damalige Berufsakademie, Vorläuferin der heutigen DHBW, half, das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung nach Lateinamerika zu übertragen. Theorie und Praxis sollten im Hochschulumfeld verbunden werden und zugleich kulturelle Brücken schlagen. Erste Pilotprojekte legten den Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, unterstützt von der deutsch-kolumbianischen Industrie- und Handelskammer (AHK), an der heute das DHLA-Netzwerk „Duale Hochschule Latinoamérica“ angesiedelt ist.

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Der Ablauf des vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Programms ist folgendermaßen: Deutsche Studierende verbringen vier Semester an der DHBW, absolvieren die Praxisphasen beim Dualen Partnerunternehmen und die beiden letzten Theoriesemester an der UNAB und studieren dort in Spanisch, die Bachelorarbeit wird in Englisch geschrieben. Kolumbianische Studierende erleben das Studium in Bad Mergentheim, besuchen englischsprachige Kurse und schließen ebenfalls mit dem Bachelor ab. Bisher haben 77 Studierende teilgenommen – 41 aus Kolumbien, 36 aus Deutschland.

Das Programm wurde von Anfang vom DAAD gefördert, „was einerseits eine Auszeichnung für uns ist, andererseits auch den Studierenden mit Stipendien hilft“, erklärt Rainer Jochum: „Man muss sich vorstellen, das Kaufkraftverhältnis ist ungefähr 5 zu 1. Das heißt, wenn Studierende aus Kolumbien zu uns kommen, ist für sie alles rund fünf Mal so teuer wie zu Hause. Für unsere Studierenden ist alles entsprechend günstiger, allerdings fallen natürlich zusätzlich die Reisekosten zu europäischen Preisen an.“

Ein zentraler Bestandteil ist die gegenseitige Anerkennung aller Studienleistungen. Die Abschlussprüfung wird gemeinsam von beiden Hochschulen abgenommen, weswegen Prof. Rainer Jochum einmal im Jahr nach Kolumbien fliegt, Prüfungen betreut und mit den Verantwortlichen Änderungen bespricht.

Mehr als nur akademisches Wissen

Für die deutschen Teilnehmenden ist das Doppelabschlussprogramm mehr als ein weiterer Abschluss. Sie fühlen sich von der lateinamerikanischen Kultur, der spanischen Sprache und der landschaftlichen Vielfalt angezogen. Bucaramanga, auf etwa 1.000 Metern Höhe gelegen, gilt mit seinen rund 500.000 Einwohnern als sicher, das Klima schwankt das ganze Jahr über zwischen 20 und 30 Grad. Besonders die tropische Vielfalt begeistert die jungen Leute aus Deutschland: So überzeugt das frisch gepflückte schmackhafte Obst direkt vom Markt. Die Wochenenden nutzen viele für Reisen durch das Land – zu den Metropolen Bogotá oder Medellín, an die Karibikküste mit Cartagena oder gar in das Amazonasgebiet. Innerhalb einer Stunde kann man zudem auf 4000 Meter Höhe gelangen.

Kolumbianische Studierende lernen hingegen in Deutschland den Wechsel der Jahreszeiten kennen, nicht selten sehen sie das erste Mal Schnee und im Kontrast lange Sommerabende am Ende des Semesters.

Prof. Jochum betont, dass ein solches Programm kontinuierliches Engagement und Vertrauen erfordert – sowohl in die Partnerhochschule als auch in die Rahmenbedingungen vor Ort. Gerade in den Anfangsjahren sei es wichtig gewesen, die Sicherheitslage in Kolumbien selbst zu prüfen. Sein Eindruck nach über einem Jahrzehnt: „Durch die Zusammenarbeit habe ich gesehen: die Menschen sind stolz auf ihr Land und ihre Kultur, die Studierenden, vor allem die aus dem Dualen System sind sehr fleißig, die Infrastruktur und Betrieb an der Universität ist modern und effizient.“ Allerdings sei Englisch dort nicht weit verbreitet, weshalb für das Studium gute Spanischkenntnisse Voraussetzung seien und das auch beim täglichen Leben und Reisen ungemein helfe.

„Ich sehe das Doppelabschlussprogramm als äußerst bereichernde Erfahrung im Rahmen meines Studiums. Es ergänzt sich optimal mit den interkulturellen Grundlagen, die in den ersten beiden Studienjahren an der DHBW theoretisch vermittelt werden und hilft, sich persönlich weiterzuentwickeln“, schildert David Bieber, der aktuell im finalen Semester in Kolumbien ist, seine Eindrücke. Andere Lehr- und Lernstrukturen an der Gastuniversität, das Leben in einer Gastfamilie sowie in einem generell sehr unterschiedlichen Kulturkreis würden dazu beitragen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Empfehlen würde er das Programm allen Studierenden, die für neue Erfahrungen offen sind und die spanische Sprache mindestens auf B2-Niveau beherrschen.

Alumnus Enrico Güntert, der 2024 in Kolumbien war, blickt ebenfalls sehr positiv auf die Zeit dort zurück: „Das Doppelabschlussprogramm an der UNAB in Bucaramanga hat mir ermöglicht, internationale Märkte und Geschäftsprozesse aus einer neuen Perspektive kennenzulernen.“ Besonders wertvoll seien für ihn die interkulturellen Erfahrungen und der Austausch mit Studierenden aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Lebensgeschichten gewesen. „Mir hat es nicht nur auf einer fachlichen Ebene, sondern auch in meiner Persönlichkeitsentwicklung einen ordentlichen Boost gegeben. Daher kann ich voller Überzeugung sagen, dass ich das Doppelabschlussprogramm jedem ans Herz legen kann, der eine Offenheit für neue Kulturen hat und seine Karriere global ausrichten möchte.“

Freie Autorin

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