Detektivarbeit in der Kurstadt

Bad Mergentheim: Was geschah mit den Venezianischen Figuren?

Es war einmal ein Kurgast und großzügiger Mäzen, der Bad Mergentheim reich beschenkte. Fünf Figuren sind aber abhanden gekommen und werden immer noch gesucht.

Von 
Sascha Bickel
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Drei Figuren stehen heute noch im Pfarrgang am Durchgang zum Johanniterhof. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Von ehemals zwölf der Kurstadt gespendeten Sandsteinfiguren sind nur noch sieben da. Wo sind die fünf „Venezianischen Figuren“ geblieben? Eine Spurensuche.

Im Pfarrgang, im Johanniterhof und in der Herrenmühlstraße sind sie zu bewundern. Die sieben von ehemals zwölf, die noch da sind. Aber der Reihe nach.

Ende Juni erreichte die Fränkischen Nachrichten ein Leserbrief von Sonja Götzelmann, die unter anderem im Bürgerforum Stadtbild aktiv ist und sich zuletzt öffentlichswirksam mit vielen Gleichgesinnten für den Erhalt des Kiliansbrunnens am Gänsmarkt starkmachte. In ihrem Leserbrief fragte sie provokativ: „Wo sind sie geblieben?“ Und dann führte sie aus: „Es war einmal ein Kurgast und großzügiger Mäzen, der Bad Mergentheim mit einem warmen Regen an finanziellen Zuwendungen beglückte. Dr. Hermann Reusch (1896-1971), damals Generaldirektor der Guten Hoffnungshütte in Oberhausen schenkte der Stadt Bad Mergentheim hohe Beträge für den Bau eines Verbindungsweges von Mergentheim nach Igersheim, der Stadtkapelle den größten Teil der Uniformen und unterstützte den Bau des Schießstandes. Auch schenkte er der Kurstadt zwölf ungefähr 80 cm hohe Sandsteinfiguren aus dem Park seines Familiensitzes Jagdschloss Katharinenhof bei Backnang.

Aufklärung gewünscht

1956 verlieh ihm der Gemeinderat die Ehrenbürgerwürde. 1959 fanden die zwölf Figuren ihren Platz im Mergentheimer Schlosshof am Fischbrunnen und vor dem Finanzamt. Nach einer Restaurierung 1987 wurden drei der Figuren am Durchgang Pfarrgang-Johanniterhof, weitere zwei Figuren im Johanniterhof und zwei am ehemaligen Bürgermeisterhaus plaziert – der Rest, also fünf Figuren sind seit dieser Zeit verschwunden.“ Sonja Götzelmann fragte öffentlich nach dem Verbleib der restlichen Figuren und die FN-Redaktion bat die Stadtverwaltung und das Stadtarchiv daraufhin um Aufklärung.

Inzwischen sind die Details zusammengetragen und der Pressesprecher der Stadt, Carsten Müller, äußerte sich ausführlich zum Sachverhalt. Müller betont gleich zu Beginn seiner Stellungnahme, dass sich „die Spur jener fünf Sandstein-Figuren, deren Verbleib unbekannt ist, bereits Ende der 1960er Jahre verliert. Insofern können wir als heute Verantwortliche vonseiten der Stadt Bad Mergentheim diesbezüglich auch nur stadtgeschichtliche Recherchen anstellen und nicht auf unmittelbares Wissen zurückgreifen.“

Um die Geschichte von Anfang an und mit allen vorliegenden Informationen zu umreißen, hier nun das Ergebnis aller Recherchen: In den 1950er Jahren wurden der Stadt die insgesamt zwölf „Venezianischen Figuren“ von Ehrenbürger Dr. Hermann Reusch geschenkt.

Wohl aus dem 17. Jahrhundert

Carsten Müller führt weiter aus: „Die Plastiken stammten aus Schloss Katharinenhof, einem Jagdschloss in der Gemeinde Strümpfelbach in der Nähe von Backnang. Das Alter der Figuren und der Name des Künstlers sind nicht bekannt. Schätzungen zufolge könnten sie aus dem 17. Jahrhundert datieren, dies ist jedoch nicht gesichert.

Nachdem der damalige Bürgermeister Dr. Norbert Schier die Figuren feierlich und dankbar entgegengenommen hatte, wurden sie zunächst im Äußeren Schlosshof aufgestellt und dort am Fischbrunnen sowie auf der Mauer des Finanzamtes platziert. Dies kann mit Bildern des Stadtarchivs belegt werden. Zeitungsberichten zufolge gab es damals die Idee, die Figuren langfristig auf der Schlossmauer am Deutschordenplatz aufzureihen. Dazu kam es jedoch nie“, so Müller.

„Was wir heute wissen: Ende der 1960er Jahre kam es – vermutlich bedingt durch Bauarbeiten im Schlosshof – zum Abbau und später zur Aufteilung der Figuren. Die Figuren, deren Verbleib bekannt ist, wurden in den nachfolgenden Jahrzehnten wie folgt platziert: Drei Figuren wurden im Pfarrgang am Durchgang zum Johanniterhof aufgestellt, zwei Figuren auf dem Brunnen im Johanniterhof und zwei Figuren an der Pforte zum Bürgermeisterhaus in der Herrenmühlstraße. Es gibt ein historisches Foto im Stadtarchiv, das die Vermutung nahelegt, einige der Figuren könnten zeitweilig auch im Kurpark gestanden haben. Die Aufnahme ist diesbezüglich aber nicht eindeutig und somit bleibt auch dies Spekulation“, erläutert der städtische Pressesprecher.

Einlagerungsorte überprüft

Und er fügt an: „Zuletzt wurde in einer Aktennotiz des Stadtarchivs aus dem Jahr 2004 noch einmal festgehalten, dass der Verbleib der fünf übrigen Figuren unbekannt ist. Aktuell hat unser heutiger Stadtarchivar Alexander Ploebsch noch einmal Recherchen zum möglichen Verbleib der besagten fünf Figuren angestellt und denkbare Einlagerungsorte überprüft, konnte diese aber auch nicht ausfindig machen.“

2005 sind die sieben ausgestellten Figuren im Auftrag der Stadt gereinigt und denkmalgerecht restauriert worden, heißt es aus dem Rathaus. Carsten Müller ergänzt schließlich noch: „Eine neuerliche Sanierung der drei Figuren am Pfarrgang wird derzeit vom zuständigen Sachgebiet ‚Bauverwaltung & Bauordnung‘ geprüft und vorbereitet. Hier sind aber zunächst noch Zuständigkeiten zu klären, da diese Plastiken nicht auf städtischem Grund stehen, sondern auf kirchlichem. Grundsätzlich weisen wir mit Blick auf die Zeitschiene zudem darauf hin, dass unsere Sanierungsmittel für Kleindenkmale in diesem Haushaltsjahr bereits aufgebraucht sind.“

Wer Hinweise auf den Verbleib der fünf Figuren hat, darf sich gerne an die Stadtverwaltung oder das Stadtarchiv wenden.

Das Bild aus dem Jahr 1967 zeigt einige der Figuren im Äußeren Schlosshof am Fischbrunnen. © Stadtarchiv Bad Mergentheim

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Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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