Bad Mergentheim. Das Jahr 1525 ist für Mergentheim ein folgenreiches Jahr, denn aufgrund von Reformation und Bauernkrieg wird die Stadt erst zur provisorischen, dann aber zur dauerhaften Residenz der Hochmeister des Deutschen Ordens. Fast 300 Jahre lang ist Mergentheim die Stadt der Ordensregierung und damit die Zentrale des Gesamtordens. Von hier aus werden bis 1809 die Niederlassungen des Ordens, der 1190 während des dritten Kreuzzugs im „Heiligen Land“ gegründet worden war, regiert und verwaltet.
18 Hochmeister residieren von 1527 bis 1809 in Mergentheim und stehen an der Spitze der Verwaltung, die immer umfangreicher wird und aus den Händen der Ordensritter in die Hände weltlicher Juristen und Kanzleibeamten übergeht. Dadurch entwickelt sich das Schloss immer mehr zu einem umfangreichen Verwaltungssitz und die Stadt zum Wohnort von Beamten, so dass Stadt und Schloss zusammenwachsen.
Welche Spuren haben die Hochmeister in der städtischen Gesellschaft und im Stadtbild hinterlassen? Dieser Frage wollen wir nachgehen und deutlich machen, dass der Deutsche Orden als Stadtherr eng mit der Entwicklung Mergentheims verbunden ist. Manche Hochmeister hinterlassen deutliche Spuren. Andere sind nie in der Stadt. Ihre Amtszeit ist manchmal nur kurz. Und vor allem: Viele haben hohe Ämter in anderen Städten, wie zum Beispiel Kurfürst von Köln oder Bischof von Straßburg, und residieren in prunkvolleren Schlössern, mit denen das Mergentheimer Schloss, um das sie sich dann weniger kümmern, nicht mithalten kann.
Wie kommt es aber dazu, dass Mergentheim zum Hochmeistersitz wird? Dazu ein kleiner geschichtlicher Rückblick. 1525 verliert der Deutsche Orden sein Oberhaupt. Albrecht von Brandenburg legt den Hochmeistermantel im preußischen Ordensstaat ab, führt die Reformation ein und erhält das nun weltliche Herzogtum als Lehen vom polnischen König. Der Orden verliert damit seinen Hochmeister und sein wichtigstes Territorium Preußen.
Ein weiterer Verlust
Und es gibt einen weiteren Verlust im gleichen Jahr: Aufständische verwüsten im Bauernkrieg die Burg Horneck, den Sitz des Deutschmeisters Dietrich von Cleen, der nach Mergentheim ins hiesige Schloss ausweicht und damit, noch gar nicht beabsichtigt, den Grundstein dafür legt, dass die Stadt zum Hauptsitz des Ordens wird. Aus dem erst provisorischen Amtssitz des Deutschmeisters wird der Hauptsitz der Hochmeister.
Walter von Cronberg ist der erste Hochmeister in Mergentheim. Er wird 1477 auf Schloss Kronberg im Taunus geboren, wird als 16-Jähriger Mitglied des Ordens und steigt 1515 zum Ratsgebietiger der Ballei (Verwaltungsbezirk) Franken auf. 1526 wird er vom Orden als Nachfolger des Deutschmeisters Dietrich von Cleen, der zurückgetreten ist, gewählt. Auch Cronberg hält Mergentheim als Amtssitz für geeignet, wo der Hofstaat acht Jahre nach seinem Amtsantritt 130 Personen umfasst.
Ende des Jahres 1527 entscheidet Kaiser Karl V., dem der Orden untersteht, dass bis zu einer regulären Hochmeisterwahl jeder gewählte Deutschmeister unter dem Titel „Deutschmeister und Administrator des Hochmeistertums Preußen“ den gesamten Orden unter Wahrung des Rechtsanspruchs auf Preußen führen soll. Diese komplizierte Rechtsform, die im Titel zum Ausdruck kommt, verbirgt sich hinter dem dann in der Öffentlichkeit üblich gewordenen Kurztitel Hoch- und Deutschmeister. Die Wiedergewinnung Preußens gehört bis ins 18. Jahrhundert zum (aussichtslosen) Formelschatz der Ordensdiplomatie. 1530 wird Cronberg vom Kaiser in feierlicher Form mit der Würde eines Hochmeisters ausgestattet und Mergentheim wird zur fürstlichen Residenz.
Bildmotive erinnern an ihn
Dass Walter von Cronberg zu den für Mergentheim bedeutenden Hochmeistern zählt, lässt sich allein schon daraus ableiten, dass sich mit ihm viele Bildmotive in der Stadt verbinden lassen: Schloss, Neuhaus, Münzstätte, Wappenstein und Gemälde im Museum, Leibeigenschaftsurkunde, Friedhof, Grabdenkmal. Zudem wurde die Cronbergstraße nach ihm benannt.
Zu Beginn seiner Regierungszeit lässt der Hochmeister die von den Aufständischen im Bauernkrieg zerstörte Burg Neuhaus wiederherstellen. Daran erinnert ein Wappenstein Cronbergs im Deutschordensmuseum, der ursprünglich an der Burg Neuhaus 1528 angebracht wurde.
Käse in der Apotheke
1535 errichtet er eine Münzstätte in Schlossnähe und unterstreicht damit, dass er es mit der Residenzfunktion des Ordens in Mergentheim ernst meint. Pfennige und Batzen lässt er hier prägen. Georg Boss wird als Münzmeister und der hiesige Stadtschreiber Michael Klein als Aufseher eingesetzt, um für den genauen Wert der Münzen zu sorgen.
1537 lässt Cronberg die erste Hofapotheke am Marktplatz einrichten. In ihr werden nicht nur Arzneimittel, sondern auch Papier, Siegelwachs, Lebküchlein und holländischer Käse verkauft.
Das einschneidendste Ereignis in seiner Regierungszeit ist die Aufhebung der Leibeigenschaft, verkündet in einer Urkunde des Hochmeisters am 12. November 1537, die im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Dass die Bürger von der Leibeigenschaft befreit werden, hat vor allem auch wirtschaftliche Gründe, denn kaum noch jemand ist bereit, in die Stadt zu ziehen, und „viele nahrhafte Leute“ seien fortgezogen, stellt die Ordensregierung fest.
Freiheit kostet Geld
Allerdings kommen die Ordensuntertanen nicht kostenlos in den Genuss bürgerlicher Freiheiten. Sie können sich je nach eigenem Vermögen freikaufen. Wohlhabende wie zum Beispiel der Apotheker müssen Gulden auf den Tisch legen, Ärmere kommen mit Pfennigbeiträgen davon.
1541 rafft die Pest so viele Menschen in Mergentheim dahin, dass die Friedhöfe in der Stadt nicht ausreichen, um die Toten zu beerdigen. Deshalb wird ein neuer Friedhof mit großem Holzkreuz außerhalb der Stadt angelegt. Anstelle des Kreuzes von damals wird 1608 die Michaelskapelle gebaut, die noch heute auf dem Alten Friedhof zu sehen ist.
Cronberg stirbt am 4. April 1543 in Mergentheim und wird in der Ordensgruft beigesetzt. Sein Grabmal, das er frühzeitig in einer Werkstatt in Nürnberg in Auftrag gegeben hat, befindet sich in der Marienkirche.
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