Ein Hausarzt im Gespräch (Teil 1)

Bad Mergentheim: Warum es für die Hausarztversorgung "langen Atem" braucht

5000 offene Hausarztstellen gibt es bundesweit, es droht laut Experten eine „gesundheitsgefährdende“ Situation. Auch in Bad Mergentheim gibt es offene Stellen. Eine Praxis vermeldet nun gute Nachrichten

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Simon Retzbach
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Ein neuer Name verstärkt das Praxisteam um Carsten Köber – und trägt zur hausärztlichen Versorgung der Kurstadt bei. © Simon Retzbach

Bad Mergentheim. Bad Mergentheim. Es ist gewissermaßen ein Ausreißer aus den zuletzt schlechten Neuigkeiten rund um die hausärztliche Versorgung im Raum Bad Mergentheim. Denn bislang dominierte vor allem die abrupte Schließung dreier Hausarztpraxen mit zahlreichen negativen Konsequenzen, die teilweise bis heute anhalten. Nun also einmal wieder gute Nachrichten: Die Gemeinschaftspraxis um Carsten Köber, Thorsten Zahn und Ulrike Knödler bekommt mit Sonja Kreißl-Kemmer eine weitere Fachärztin für Allgemeinmedizin hinzu.

Im Gespräch mit Dr. Carsten Köber wird deutlich: Die Verstärkung um eine weitere Kraft ist gut für die hausärztliche Versorgung der Kurstadt, ist jedoch noch kein Grund für Euphorie. „Der Kollaps des hausärztlichen MVZ [mit Schließung der drei Praxen; Anm. d. Red.] steckt uns heute noch wortwörtlich in den Knochen und war der Hauptgrund für die Aufstockung“, erklärt Köber.

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Mit bislang drei Fachärzten habe man deutlich zu viele Patienten behandeln müssen, „an eine normale Sprechstunde war nicht mehr zu denken. Es ging Richtung Fließbandarbeit.“ Durch die Verstärkung sei nun wieder an so etwas wie Normalbetrieb zu denken.

Allerdings ist diese vergleichsweise gute Situation wohl nur vorübergehend. In der Praxis selbst, aber auch im Raum Bad Mergentheim. Derzeit würde er die hausärztliche Versorgung mit „einer Schulnote 3 bis 4“ bewerten. Aktuell vier freie Hausarztsitze in der Kurstadt bereiten ihm momentan zwar keine Sorgen, aber der umtriebige Köber richtet den Blick über die Praxis hinaus und in die Zukunft. Hier lauern für ihn Gründe zur Sorge, macht er deutlich.

Doch zurück zur Gegenwart. Wie gelingt es, eine Nachfolge oder Verstärkung als Hausarzt für den ländlichen Raum zu gewinnen? Gerade Köber kann zu dieser Frage viel sagen. Er ist stark engagiert in der Nachwuchsgewinnung, stets sind junge Mediziner in unterschiedlichen Phasen der Ausbildung Teil seines Praxisteams. Und genau hier setzt Köber an: Ausbilden, Präsenz beim Ärztenachwuchs zeigen – für Nachwuchsgewinnung in seinen Augen unverzichtbar.

Klare Prognose: „Die Einzelpraxis ist nicht mehr zukunftsfähig“

Denn das Bild hat sich gewandelt. Vorbei die Zeiten, in denen der Hausarzt als ’Einzelkämpfer’ kurz vor der geplanten Rente mühelos einen Nachfolger finden konnte. Es gilt heute mehr denn je, für den Hausarztberuf zu werben, mögliche Bedenken der jungen Mediziner mit guten Argumenten zu entkräften. So gelang es Köber und seinem Team auch bei Sonja Kreißl-Kemmer. Ein Schichtmodell mit guten Vertretungsmöglichkeiten, keine beängstigend hohen Überstundenberge, dafür gute Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie oder auch Hobbys – das überzeugte die Fachärztin und brachte dem Ärzteteam die sehnlich erhoffte personelle Unterstützung.

Möglich ist diese Arbeitsweise laut Köber nur durch ein Team mehrerer Ärzte samt entsprechendem Fachpersonal, das sich gegenseitig unterstützt. Seine Prognose daher eindeutig: „Die Nachfolgersuche hängt an der Praxisart. Die Einzelpraxis ist nicht mehr zukunftsfähig.“

Wenn man hingegen einen „langen Atem“ in der Ausbildung beweist, wird das belohnt. Mittlerweile müsse er nicht mehr nach auszubildenden Medizinern suchen, diese kämen auf ihn zu. Das verdankt der erfahrene Allgemeinmediziner einem stetig aufgebauten Netzwerk, das er kontinuierlich pflegt. So konnte er bereits mehrere Kräfte für die Allgemeinmedizin – auch in der Region – gewinnen, wenngleich diese nicht dauerhaft in seiner Praxis blieben. Nur ein Beispiel von vielen ist Nandor Hänsel, der mittlerweile als Leiter des MVZ am Caritas mit mehreren Ärztekollegen hausärztliche Versorgung bietet.

Generell steht für Köber fest: „Die Allgemeinmedizin und der Beruf des Hausarztes sind grundsätzlich attraktiv. Die meisten sagen, dass es ihnen gefällt, wenn sie erstmal da sind.“ Auch den ländlichen Raum sieht er nicht als besonderen Problemfaktor, die Region sei infrastrukturell „gut aufgestellt“.

Praktische Einblicke für Entscheidung wichtig

Köber beobachtet, dass sich Mediziner oft erst recht spät im Studienverlauf für die Allgemeinmedizin entscheiden würden. Bis dahin stehen oft andere Felder wie die Chirurgie im Blickpunkt des Nachwuchses. Gerade deshalb ist die Möglichkeit, den Medizinern Einblicke in den Praxisalltag bieten zu können, so wichtig. „Sie merken oft erst im Verlauf, ob ihnen das Arbeiten als Hausarzt liegt“, erklärt er. Und genau diese Möglichkeit des Herausfindens müssten die jungen Leute haben, indem ihnen Hausarztpraxen praktische Einblicke bieten.

Zumal die Ausbildung nicht nur Mehraufwand für den Ausbilder ist. „Es ist eine Umgewöhnung, aber sie bringen schnell einen Mehrwert und haben uns oft schon Sprechstunden mit ihrer Unterstützung gerettet“, gibt der Facharzt für Allgemeinmedizin Einblicke in seine eigenen Erfahrungen als Ausbilder, die er in rund zehn Jahren mit verschiedenen Jungärzten sammeln konnte. Auch mit der nun gewonnenen Verstärkung zum Wohle von Patienten und Praxisteam ruht sich Köber nicht aus. Bereits seit Oktober 2024 ist wieder eine Ärztin in Weiterbildung in seiner Praxis tätig.

Im ausführlichen Gespräch mit Dr. Carsten Köber wurde neben der aktuellen Bestandsaufnahme auch deutlich: Für die Zukunft der hausärztlichen Versorgung in Bad Mergentheim und Umgebung wird es Veränderungen geben müssen – sowohl aufseiten des Praxispersonals als auch bei den Patienten. Die FN werden hierzu in einem weiteren Teil berichten.

Redaktion

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