Gemeinderat

Bad Mergentheim möchte hausärztliche Versorgung stärken

Von einer „deutlichen Unterversorgung im hausärztlichen Bereich“ spricht der Abschlussbericht der erfolgten Standortanalyse in Bad Mergentheim.

Von 
Sascha Bickel
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Zusammen mit dem Caritas-Krankenhaus könnte die Stadt Bad Mergentheim ein Primärversorgungszentrum aufbauen, lautet ein Ergebnis der externen Standortanalyse. © dpa

Bad Mergentheim. „Wir müssen als Große Kreisstadt, Kur- und Gesundheitsstadt aktiv werden und uns um Abhilfe bemühen“, sagte Grünen-Stadträtin Dr. Alexandra Kurfeß zu Beginn der Debatte im Gemeinderat über die hausärztliche Versorgung. Und Oberbürgermeister Udo Glatthaar bestätigte dies mit den Worten: „Ja, wir müssen viel tun! Wir brauchen Ärzte für eine gute Zukunft und gehen das Thema jetzt intensiv an.“

Dem Gremium wurde zunächst der Abschlussbericht zur Standortanalyse der hausärztlichen Versorgung in Bad Mergentheim vorgelegt und dieser kommt zu dem Ergebnis, dass die Versorgung mit Hausärzten in der Kurstadt „derzeit klar unterhalb der Regelversorgung liegt“. Für eine angemessene Versorgung im hausärztlichen Bereich wären 14,5 Zulassungen vor Ort nötig, aktuell seien es jedoch nur 11,5 Zulassungen für Hausärzte und dazu gebe es noch die Unklarheit über die Zukunft der drei „Medicas“-Praxen, die aktuell geschlossen sind. Das mache die allgemeinärztliche Versorgungssituation nicht einfacher.

Die zentrale Erkenntnis aus vertraulichen Gesprächen mit Ärzten und anderen Fachleuten aus der Stadt und dem Umfeld überrasche laut Standortanalyse nicht. Da heißt es: „Sämtliche Hausarztpraxen arbeiten am Anschlag. Der Standort Bad Mergentheim leidet an einer deutlichen Unterversorgung im hausärztlichen Bereich.“

Grundsätzlich befänden sich die Kommunen untereinander im Wettbewerb um die Hausärzte. Inzwischen sollen die Städte und Gemeinden nach dem Willen des Gesetzgebers sogar durch die Übernahme von unternehmerischer Verantwortung die Lücken füllen, die die Selbstverwaltung nicht schließen konnte – etwa, indem es Kommunen jetzt möglich ist, selbst als Betreiber eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) aufzutreten und Ärzte anzustellen, ist in der Standortanalyse von Ullrich Eidenmüller, der damit beauftragt war, nachzulesen. Doch dies sei nur die ultima ratio, also der letzte Ausweg, wenn zuvor alle anderen Lösungswege bewertet und gescheitert seien.

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Im Bereich Hilfsangebote und Fördermittel sei die Stadt Bad Mergentheim bereits tätig und unterstütze das Förderprogramm für Landärzte aktiv. 10 000 Euro wurden 2022 für eine Förderung vor Ort ausgezahlt. In diesem Jahr gingen zwei Anträge bei der Stadt ein, die jeweils auch mit 10 000 Euro kofinanziert werden.

Als grundlegende Empfehlung wird von Eidenmüller genannt, die Suche nach Ärzten und Praxispersonal nicht den Ärzten allein und der Stadtverwaltung zu überlassen, sondern aktiv die Bevölkerung einzubeziehen, um so erfolgreiche Kontakte für neue Ärzte und medizinisches Personal herzustellen.

Das Ministerium für Ländlichen Raum hat in Zusammenarbeit mit dem Gemeindetag das Förderprojekt „Standortanalysen für die medizinische Versorgung“ entwickelt und fördert Standortanalysen für 20 Kommunen in Baden-Württemberg. Bad Mergentheim wurde im März als eine von elf Projekt-Kommunen ausgewählt.

Das Projekt beinhaltete eine Überprüfung der jeweiligen örtlichen Ressourcen durch einen externen Fachberater und berücksichtigte dabei die Interessen aller Beteiligten durch Abfragen und Gespräche. Am 16. Juni fand erstmals ein gemeinsamer Runder Tisch mit den örtlichen Leistungsträgern statt.

„Dramatische Überlastung“

Thema war in Bad Mergentheim auch das gescheiterte Medicas-Vorhaben und die Lehren daraus. In der Analyse heißt es dazu: 2022 hatten sich in Bad Mergentheim drei Hausarztpraxen (Einzelpraxen) unter Beibehaltung ihrer Standorte zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) zusammengeschlossen. Doch aufgrund fehlender Ärzte und Organisationsschwierigkeiten folgte „der schnelle Zusammenbruch der Konstruktion“ und die drei Praxen seien mittlerweile geschlossen, was eine „dramatische Überlastung“ der übrigen Allgemeinarztpraxen zur Folge habe.

Um die Lage in Bad Mergentheim zu verbessern, sei das A & O laut Analyse-Abschlussbericht neue Kräfte – Ärzte, aber auch Weiterbildungsassistenten sowie Medizinische Fachangestellte – für den örtlichen Versorgungsbereich zu gewinnen. Es wird empfohlen, einen regelmäßig tagenden Initiativkreis – vorwiegend aus der Ärzteschaft, unterstützt von der Stadtverwaltung – zu schaffen, der einen Entwicklungsprozess anstoßen und begleiten soll. Mit folgenden Zielen: Einrichtung eines von der Stadt und dem Caritas-Krankenhaus gemeinsam getragenen Gebäudes für ein Primärversorgungszentrum (PVZ). Und die Erarbeitung eines Konzepts zur Integration allgemein- und fachärztlicher Praxen in das PVZ. Die Praxen sollen dort optimal vernetzt werden. Das könne auch unter Einhaltung der Selbstständigkeit geschehen.

Gleichzeitig sollen alle Netzwerke in der Stadt und der Region aktiviert werden, Bürger, Schulen und Organisationen, um neue Ärzte und anderes Fachpersonal für Bad Mergentheim zu begeistern. Zudem sollten Stadtverwaltung und Gemeinderat bereit sein, „im vertretbaren Maß Haushaltsmittel in das Projekt PVZ einzubringen“ und stets bemüht sein, Fördermittel einzuwerben.

CDU-Stadtrat Wolfgang Herz bedauerte in der Ratsdebatte, dass es durch die Probleme mit Medicas und den Wegfall von gleich drei Arztpraxen viele unversorgte Patienten gegeben habe und noch immer gibt. Er dankte allen verbliebenen Ärzten, die hier über ihre Kapazitäten gegangen seien, um die Versorgung weitgehend sicherzustellen. Für ein neues Primärversorgungszentrum brauche es jemanden, der es betreibt, stellte Herz fest, ehe OB Glatthaar betonte, dass man sich nun mit der Ärzteschaft gemeinsam auf den weiteren Weg machen wolle, um gute Lösungen zu finden. Große Gesprächsrunden hinter verschlossenen Türen – „mit allen Betroffenen“ – seien dazu in Vorbereitung.

Einstimmig nahm der Gemeinderat Kenntnis von der vorgestellten Standortanalyse und das Gremium beauftragte die Stadtverwaltung, konkrete Vorschläge mit den finanziellen Auswirkungen zu erarbeiten und dem Rat dann zur Entscheidung vorzulegen.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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