Bad Mergentheim. Die drei Hausarztpraxen Stahnke, ehemals Träger und Stüber-Brückner, machten im Januar auf einen Schlag zu (die FN berichteten ausführlich). Die dadurch gerissene Lücke in der hausärztlichen Versorgung für tausende Patienten ist bis heute nur in Teilen wieder geschlossen. Das merken auch die Fachärzte in der Region.
Mitte Februar kam die gute Nachricht, dass das Medizinische Versorgungszentrum, kurz MVZ, am Caritas-Krankenhaus einen weiteren Teil der hausärztlichen Patientenversorgung übernimmt. Silke Stahnke und Dr. Isabella Fini stiegen mit ein. Doch Silke Stahnke ist heute dort nicht mehr tätig. Zu den Gründen will sich das Caritas-Krankenhaus nicht äußern.
Stahnke selbst bestätigt: „Die Trennung fand in der Probezeit statt. Ein Gespräch zu den Gründen gab es leider nicht. Ich orientiere mich deshalb jetzt neu, kann aber noch nicht mehr sagen.“
Ihr ist allerdings wichtig zu betonen, dass die Papierakten der ehemaligen Praxis Stahnke „seit Mitte April oben am MVZ des Caritas“ sind und die digitalen Daten „wohl auch ab diesem Freitag“ dort zur Verfügung stehen. „Ich möchte, dass meine Patienten gut versorgt sind“, fügt Stahnke an und erwähnt die laufenden Arbeitsgerichtsprozesse und die Auseinandersetzung mit Medicas, die sie belasten. Aber sie sei weiter zuversichtlich, beendet sie ihre kurze Stellungnahme.
Neue Entwicklungen gibt es unterdessen im MVZ am Caritas (Telefon 07931 / 58-7100): Seit April verstärkt Allgemeinmediziner Peter Nowak das Team. „Drei Hausärzte stehen jetzt für die Behandlung der Patienten bereit“, erklärt Ute Emig-Lange, die Leiterin „Öffentlichkeitsarbeit“ am Caritas.
MVZ-Team wächst
Der Allgemeinmedizin Nandor Hänsel versorgt hier seit dem Jahreswechsel die Patienten der aufgelösten Hausarztpraxis von Dr. Rainer Stiel. Die Assistenzärztin in Weiterbildung Dr. Isabella Fini ist – wie bereits beschrieben – seit Februar dabei und nun auch Peter Nowak. Zusätzlich werde ab Mai die hausärztliche Internistin Minela Rastoder halbtags das Ärzteteam im MVZ unterstützen, so Emig-Lange.
Der Kaufmännische Direktor des Caritas-Krankenhauses und Geschäftsführer des MVZ am Caritas, Matthias Kaufmann, hebt hervor: „Mit der raschen Anstellung von zusätzlichen Ärzten bei uns im MVZ am Caritas-Krankenhaus haben wir in Absprache mit der kassenärztlichen Vereinigung und der Stadt Bad Mergentheim einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die hausärztliche Versorgung für die Menschen sicherzustellen.“ Die Entwicklung zeige aber, wie schwierig sich die Nachfolgesuche für viele Hausarztpraxen in der Region inzwischen gestalte.
Von Fachärzten in und um Bad Mergentheim hört man inzwischen, dass Patienten in ihrer Not direkt zu ihnen kommen, weil sie ihren Hausarzt „verloren haben“ und nicht wissen wohin. Privatdozent Dr. Steffen Löw, der seine Praxis für Handchirurgie und Unfallchirurgie am Ledermarkt hat, bestätigt dies: „Der Verlust der drei Hausarztpraxen in Bad Mergentheim hat zu einem erheblichen Zuwachs an Patientenaufkommen geführt. Wir behandeln zunehmend auch Patienten, die eigentlich von Hausärzten versorgt werden könnten, derzeit aber keinen haben.“ Man tue dies, so Löw, weil man die Patienten „nicht im Regen stehen lassen“ wolle und um die medizinische Versorgung gemeinsam sicherzustellen. „Zu zweit sind wir in der Lage, gut erreichbar zu sein und kurzfristige Termine anbieten zu können“, ist Löw zudem froh, auch Dr. Sebastian Kiesel an seiner Seite in der Praxis zu haben.
Fachärzte noch mehr gefragt
Als besondere Herausforderungen im Praxisalltag benennt Privatdozent Dr. Löw vor allem die Bürokratie, aber auch immer wieder IT-Probleme durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Von der Politik und den eigenen Branchenvertretern wünscht er sich nun, dass das „gestiegene Behandlungsvolumen auch eins zu eins vergütet wird“. Bislang geschehe das nicht. „Von unseren eigenen Standesvertretern hätten wir uns in der prekären Situation hier in Bad Mergentheim mehr Rückendeckung gewünscht“, so Löw enttäuscht.
Unter Druck
Noch deutlich drastischer schildert sein Kollege Dr. David Brix, Facharzt für Urologie, Andrologie, Kinderurologie in der Poststraße, seine Sicht auf die derzeitige Lage in der Kurstadt: „Die hausärztliche Versorgung bricht gerade zusammen. Dadurch kommt auch die fachärztliche Versorgung zunehmend unter Druck.“
Der Patienten-Ansturm sei nur noch schwer zu kanalisieren, so Dr. Brix, der weiter sagt: „Wir haben bisher keinen Aufnahmestopp für neue Patienten, dadurch bedingt aber lange Wartezeiten für nicht-dringliche Fälle wie Früherkennungen. Notfälle und dringliche Fälle werden an beiden Standorten (Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim mit Dr. Andreas Löser/Stephan Gampl; verbunden durch eine Urologische ÜBAG) zeitnah versorgt. Den meisten Patienten ist bisher noch nicht klar wie knapp freie Sprechstundentermine sind und sie reagieren deshalb oft mit Unverständnis auf Wartezeiten.“
Als Lösungsoption sieht Dr. Brix nur „den Zusammenschluss der noch bestehenden Praxen entweder unter Eigenverantwortung der Praxisinhaber oder unter dem Dach von immer größer werdenden MVZ“. Er fordert aber auch dringend die Entlastung von der überbordenden Bürokratie und die Verbesserung der Honorare sowie Hilfe auf kommunaler Ebene bei der Gründung von lokalen MVZ.
Brix warnt vor dem Zusammenbruch des bisherigen medizinischen Systems, wenn die Politik nicht endlich gegensteuere. Der drohende Personalmangel sei zudem eklatant.
Die im Gesundheitssektor Arbeitenden würden „ausgequetscht wie die Zitronen“. Das könne so nicht weitergehen.
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