Bad Mergentheim. Ein knappes Jahr ist Dörr nun Geschäftsführer, er übernahm die Geschäfte vom langjährigen Vorstand Peter Deißler. Er war langjährig in der Bankenbranche tätig und ist im Besitz einer Maklerqualifikation, kennt also die verschiedenen Dimensionen zum Wohnungsbau bestens.
Herr Dörr, der Wohnungsbau steckt in der Krise. Macht es in der aktuellen Situation überhaupt Spaß, Geschäftsführer der Kreisbau zu sein?
Steffen Dörr: Ja, natürlich macht das Spaß. Auf der einen Seite ist das Bauen natürlich schwieriger, auf der anderen Seite haben wir rund 330 Wohneinheiten vermietet. Damit tun wir uns momentan deutlich einfacher. Wir haben lange Interessentenlisten, die zu uns wollen. Also ist wenigstens das gesichert.
Das heißt größere Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum. Können Sie diese mit ihrem Angebot an Wohnraum noch decken?
Dörr: Wir können ihn nicht ganz decken, weil auch der Bedarf nach barrierefreiem Wohnraum zunimmt. Man merkt hier die Überalterung der Bevölkerung. Wohnungen mit Aufzug, am besten ebenerdig und ein barrierefreies Bad – da steigen die Ansprüche der Kunden.
Ist der Wohnungsbestand diesbezüglich angepasst?
Dörr: Nein, das ist schwierig. Da, wo es geht, werden wir zukünftig auch etwas tun, aber für ein Objekt mit Aufzug brauchen wir entsprechende Kapazitäten. In einem Sechsparteienhaus beispielsweise ist das wirtschaftlich nicht darstellbar.
In Bayern werden die Wohnungsbaugenossenschaften insgesamt landesweit zum Jahresende nur 500 Wohnungen fertiggestellt haben. Wie viele werden es bei der Kreisbau sein?
Dörr: Am Ende dieses Jahres werden wir nichts fertigstellen. 2025 wird ein Neun-Familien-Haus im Weberdorf entstehen, das aber als Eigentumswohnungen verkauft wird. Baubeginn ist hier im Frühjahr 2025 geplant, die Planungen sind abgeschlossen. Ansonsten werden in zwei Objekten, in der Clemens-August-Straße und der Königsberger Straße, größere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt.
Die Kreisbau hat in der Vergangenheit sehr positive Zeiten mit großem Wachstum, aber auch negative Zeiten mit Stillstand erlebt. Wo ordnen Sie die aktuelle Phase ein?
Dörr: Momentan sind wir in einer eher schwierigen Zeit. Wir haben Verantwortung für unsere Mitglieder und Mieter mit Blick darauf, dass alle Gebäude im Bestand energetische Standards erfüllen müssen. Das ist etwas, was auch in den kommenden Jahren sehr vieler Investitionen bedarf. Aktuell ist es also auf jeden Fall keine Boomphase. Denn auch das Bauträgergeschäft, mit dem wir die Genossenschaftswohnungen mitfinanzieren, läuft aktuell nicht. Der Immobilienmarkt liegt im Grunde genommen am Boden.
Das heißt, aktuell liegt der Fokus auf Sanierung gegenüber Neubau. Bestehenden Wohnraum optimieren statt neuen zu schaffen.
Dörr: Schwierig. Wir müssen auch neuen Wohnraum schaffen und wenn das wirtschaftlich geht, werden wir das auch tun. Aber eben immer unter der Prämisse, unseren Bestand aufzuwerten. Das ist eine absolute Pflicht. Ansonsten bestehen derzeit angesichts der neuen Grundsteuer Überlegungen, inwieweit Bestandsobjekte nachverdichtet werden können, da für die Grundsteuer zukünftig die Grundstücksgröße die entscheidende Rolle spielt. Für Einfamilienhausbesitzer wird das hart. Wenn sich die Kosten in großen Mietshäusern verteilen, tut das weniger weh.
Kommt das Geschäftsmodell der Kreisbau, Genossenschaftswohnungen auch über Bauträger- oder Maklertätigkeit mitzufinanzieren, an seine Grenzen?
Dörr: Der Grundsatz ist ja, niedrige Mieten zu haben. Durch diese niedrigen Mieten kommt da nicht die Masse raus, die für neue Projekte und Instandsetzung gebraucht wird. Aufgrund dessen brauchen wir weitere Geschäftsfelder, um Geld zu reinvestieren. Wir investieren aktuell einen hohen Anteil der Mieteinnahmen in den Bestand, sodass weniger für Neubauten bleibt. So können wir nicht jedes Jahr ein Neubauprojekt verwirklichen.
Die Genossenschaft wird 100 Jahre alt. Es ist eine alte Idee, die immer noch besteht. Worin liegt aus heutiger Sicht der Mehrwert einer Mitgliedschaft? Denn die Mietpreise steigen auch bei Ihnen...
Dörr: Wir sind unseren Mietern verpflichtet. Er ist nicht nur Mieter, er ist Nutzer und Eigentümer der Genossenschaft und kann seine Rechte auf der Mitgliederversammlung durchsetzen, er hat eine Stimme. Eine Aktiengesellschaft ist den Aktionären verpflichtet. Wir sind unseren Eigentümern verpflichtet, die gleichzeitig unsere Mieter sind. Daher schauen wir, dass wir neben den Mieten auch die Nebenkosten geringhalten. Wir sind eher bereit, zu investieren, wo ein kapitalorientierter Anleger kein Geld in die Hand nehmen würde. Wir investieren mehr in Erhaltung und Modernisierung. Was wir tatsächlich als Mieterhöhung weitergeben können, ist verschwindend gering.
Der Kalkulationsrahmen für die Miete wird knapper, dennoch steigt sie. Wie viel spart man heute noch als Mieter der Genossenschaft gegenüber dem normalen Wohnungsmarkt?
Dörr: Wir haben eine durchschnittliche Miete von 6,33 Euro bei 332 vermieteten Objekten. Damit liegen wir trotz Steigerungen weit unter den aktuellen Marktpreisen. Wenn Sie in Bad Mergentheim heute neu mieten, liegen Sie mindestens bei neun Euro.
Ist eine Genossenschaft durch Mitglieder robuster als ihre Mitbewerber oder vulnerabler, weil sie geringere Mieten anbieten muss?
Dörr: Der Vorteil der Mitgliederstruktur ist größer. Wir haben weniger Fluktuation, die Treue ist größer. Unsere Mieter identifizieren sich mit uns. Es ist interessanter, bei uns einzuziehen. Man hat bei uns die Vorteile eines Mieters mit den Rechten eines Eigentümers. Als Eigentümer habe ich lebenslanges Wohnrecht, kann nicht wegen Eigenbedarf gekündigt werden.
Wie ist aktuell das Verhältnis von Interessenten zu Wohnungen?
Dörr: Das ist erschreckend hoch. Bei kleinen Wohnungen können Sie die vielen Anfragen gar nicht mehr bearbeiten. Hier fragen Menschen mit 1000 Euro Rente an, die wissen in ihrer Verzweiflung nicht mehr weiter, wie sie Miete und Lebensunterhalt bestreiten sollen.
Tätigkeitsschwerpunkt war bislang in Bad Mergentheim. Sind hier Änderungen geplant?
Dörr: Das Problem ist: Beim Bauen in kleinen Ortschaften sind die Baukosten genauso hoch, aber beim Vermieten bestehen eklatante Unterschiede. Da sind eher Kommunen mit zentraler Lage wie Lauda oder Tauberbischofsheim interessant. Da ist die Kreisbau derzeit noch nicht aktiv. Aber wir sind die Kreisbau Main-Tauber und ich schließe das definitiv nicht aus.
Was sind Ihre Gründe für einen optimistischen Blick in die Zukunft?
Dörr: Wir haben einen Bestand mit hoher Sanierungsquote. Wir werden unsere Ziele in Sachen Sanierung bis 2030 erreichen. Das gibt Spielräume für andere Projekte. Zudem kommen Einkünfte durch die Mieten, wir sind nicht mittellos, wenn das Bauträgergeschäft stockt. Die Kapitallage ist sehr gut. Auch wenn es etwas langsamer geht: Wir werden unsere Ziele erreichen!
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-warum-die-kreisbau-main-tauber-in-einer-schwierigen-situation-ist-_arid,2255035.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html