Wohnraum in der Kurstadt

Bad Mergentheim: Wohnungsmarkt mit "Berliner Verhältnissen"?

Wenn in der Bundeshauptstadt eine bezahlbare Wohnung frei wird, sind Menschenschlangen von hunderten Metern bei Besichtigungen keine Seltenheit. Doch wie ist die Lage im vergleichsweise beschaulichen Bad Mergentheim?

Von 
Simon Retzbach
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Um auf den knappen Flächen in der Kurstadt möglichst viel Wohnraum zu schaffen, sind im Neubaugebiet Auenland III mehrere Grundstücke für den Geschosswohnungsbau vorgesehen. © Jens Hackmann/Stadt Bad Mergentheim

Bad Mergentheim. „Von den Berliner Zuständen sind wir weit entfernt“, erklärt Peter Deißler. Der langjährige Vorstand der Kreisbau Main-Tauber hat zusammen mit der Wohnungsbaugenossenschaft die Situation im Main-Tauber-Kreis und hier insbesondere in Bad Mergentheim genau im Blick. „Man merkt den ländlichen Raum, aber es gibt definitiv eine steigende Nachfrage“, beschreibt er die Situation.

320 Wohnungen vermietet die Genossenschaft im Kreis, 160 davon in der Kurstadt. Für die überwiegend kleineren Wohnungen mit 60 bis 70 Quadratmetern melden sich wöchentlich etwa drei neue Interessenten, die dann in eine Warteliste aufgenommen werden.

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„Die Wohnungen in Bad Mergentheim braucht man eigentlich nicht auszuschreiben“, schildert Steffen Dörr, der Peter Deißler zum Jahresende als Vorstand nachfolgen wird. Die Auswahl werde dann auch unter Berücksichtigung sozialer Kriterien getroffen.

Die Wartezeit unterscheide sich dabei nach Wohnungsart, erklärt Dörr. Für große Wohnungen, die man kaum im Bestand habe, könne sich diese durchaus auch mal auf ein Jahr belaufen, bei den Zwei-Zimmer-Wohnungen muss man nur mit drei bis sechs Monaten rechnen.

Wie sehen sie den zukünftigen Wohnungsmarkt? „Die Situation kann sich verschärfen, auch durch den Zuzug von Flüchtlingen wird die Konkurrenz um den Wohnraum natürlich größer“, erklären Deißler und Dörr. „Der Bedarf in der Zukunft ist da. Bad Mergentheim hat Potenzial, weil es wächst“, beschreibt Deißler.

Die nahe liegende Lösung für einen sich abzeichnenden Mangel wäre nun eine vermehrte Bautätigkeit. Seitens der Kreisbau Main-Tauber sind Projekte geplant, jedoch durchkreuze die „schwierige wirtschaftliche Lage derzeit“ diese Pläne gehörig.

Mit bisherigen Mieten von durchschnittlich sechs Euro pro Quadratmeter sind neue Projekte aus Sicht der Kreisbauvertreter aufgrund stark gestiegener Baukosten nicht mehr wirtschaftlich, allzu hohe Mieten kann und will man mit Blick auf die Mieterschaft aber auch nicht erheben.

Gespräche mit der Stadt

Um auch zukünftig Projekte verwirklichen zu können, befindet sich die Kreisbau Main-Tauber in Gesprächen mit der Stadt. „Die Stadt muss für Investoren attraktiver werden“, fordert Steffen Dörr. Bauaktivitäten der Genossenschaft finanziell, beispielsweise in Form von Mietzuschüssen, zu unterstützen, hält er für einen sinnvollen Weg.

Es scheint, als habe man den Appell seitens der Stadt bereits im Ohr. Als eine „Daueraufgabe“ bezeichnete Oberbürgermeister Udo Glatthaar die Thematik unlängst in einem FN-Interview. Es sei wichtig, Bauaktivitäten in Ganz zu setzen, Anreize für Investoren werden gerade geschaffen.

„Die Stadt hat für die von uns selbst geschaffenen, größeren Geschosswohnungs-Flächen gerade erst neue Vergabekriterien verabschiedet. Im neuen Baugebiet Auenland III gibt es insgesamt sechs solcher Flächen. Die erste Ausschreibung erfolgt voraussichtlich noch im Juli. Dabei wurden die sozialen Faktoren neu gewichtet. Das bedeutet, dass Investoren mit entsprechender Ausrichtung auch bei niedrigerem Preis-Gebot gute Zuschlags-Chancen haben“, erklärt Pressesprecher Carsten Müller.

Auch in den Neubaugebieten der Teilorte wird so ein Mehr an Wohnraum geschaffen. Dort ist das Verhältnis von Geschosswohneinheiten zu Wohneinheiten in Einzelhäusern jedoch etwas geringer als in der Kernstadt, wo es im Auenland fast bei 1:1 liegt.

Eine besondere Bedeutung erhält der soziale Wohnraum. Derzeit sind laut Auskunft der Stadt 22 Wohnungen mit entsprechender sozialer Mietbindung registriert, eine Erhöhung sei angestrebt, wenngleich keine konkrete Zielgröße genannt wird.

Kauf bei Bedarf

Wäre der städtische Wohnungsbesitz nach Wiener Vorbild ein Weg für Bad Mergentheim? „Ein allgemeiner Ankauf ‚auf Vorrat‘ findet nicht statt“, erklärt Pressesprecher Müller. Fünf Wohnungen besitze man derzeit und wo es aus Sicht der Stadtentwicklung im Einzelfall sinnvoll sei, kaufe die Stadt grundsätzlich auch Flächen, Immobilien oder Wohnungen an.

Ein Anliegen, das auch im Gespräch mit Peter Deißler und Steffen Dörr deutlich wurde, ist die Nachverdichtung von Flächen. Also die Schaffung von Wohnraum nicht nur durch Verwendung und Versiegelung neu erschlossener Gebiete, sondern eine stärkere Nutzung bereits vorhandener Gebiete.

Potenzial hierfür besteht in der Kurstadt: „Das ehemalige Sägewerks-Areal in den Herrenwiesen ist das große angestrebte Projekt der Konversion einer Gewerbebrache zu einem modernen, urbanen Quartier. Diese Innenentwicklung soll – neben anderen Funktionen – vor allem verdichtete Wohnbebauung beinhalten. Bereits im derzeit laufenden Rahmenplan-Prozess für die Landesgartenschau wurden die Planungen weiter präzisiert und sie werden voraussichtlich noch im Sommer öffentlich im Gemeinderat vorgestellt“, kündigt Carsten Müller an.

Für eine weitere potenzielle Fläche, dem Areal des ehemaligen Alten- und Pflegeheims unweit des Kurparks, sei jedoch eine studentische Nutzung und kein weiterer Wohnungsbau seitens der Stadt favorisiert.

Redaktion

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