Festwochenende in der Kurstadt steht an

Bad Mergentheim: Viel zu tun bei der Freiwilligen Feuerwehr

Es brennt und keiner kommt und hilft. Eine Horrorvorstellung. Doch auf die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim ist Verlass.

Von 
Sascha Bickel
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Die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, und ihr Fuhrpark. © Freiwillige Feuerwehr

Bad Mergentheim. Die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, feiert am kommenden Wochenende ihren 175. Geburtstag – mit Festbetrieb, Fahrzeugweihe und Umzug. Das Programm reicht von Samstagnachmittag bis Sonntag.

Auf die Frauen und Männer ist Verlass, sei es bei Unfällen, Bränden, Sturm und Hochwasser. Die Fränkischen Nachrichten widmeten der Kurstadt-Feuerwehr in den vergangenen zehn Tagen eine kleine Serie, heute folgt der dritte und letzte Teil: Im FN-Gespräch berichten Abteilungskommandant Peter Brünner (47), der diesen Posten seit 2018 begleitet und jetzt in seiner zweiten fünfjährigen Amtsperiode ist, sowie Carl Schulz (29), Ausschussmitglied und Gruppenführer über die Abteilung der Kernstadt und die vergangenen 25 Jahre. Schulz kam selbst mit 17 über das Technische Hilfswerk zur Freiwilligen Feuerwehr und hat sich mit der Historie intensiv vertraut gemacht.

85 aktive Feuerwehrleute und Verstärkung

Brünner erzählt, dass man heute rund 85 aktive Feuerwehrleute in der Kernstadt habe, davon etwa zehn Prozent weiblich. Die Feuerwehrabteilung Stadt sei sehr schlagkräftig, habe aber gerade im vergangenen Vierteljahrhundert einige grundlegende Veränderungen mitgemacht. „Die Einsatzzahlen sind stark angestiegen“, während die Manpower im Verhältnis dazu nicht mehr so stark sei, das hänge unter anderem mit einer veränderten Arbeitswelt und mehr auswärtigen Arbeitsplätzen zusammen.

Eine Reaktion auf die schwerer zu besetzenden Tagschichten sei deshalb gewesen, so Brünner, dass man die Abteilung Stadt, die aufgrund ihrer Größe, Ausstattung und Zentralität mit Abstand die meisten Einsätze übers Jahr abarbeiten muss, für Mitglieder der Stadtteil-Wehren geöffnet habe, die tagsüber in der Kernstadt tätig sind und hier nun mit ausrücken können. Brünner: „Die haben ihren Spind in der Heimatabteilung und zusätzlich eine Feuerwehr-Garnitur in der Kernstadt bereitliegen. Auch einzelne Feuerwehrleute aus anderen Kommunen der Region, die in der Kurstadt ihrem Job nachgehen, verstärken mittlerweile tagsüber freiwillig die Kernstadt-Feuerwehr.“

Durchschnittlich 300 Einsätze im Jahr

Brünner berichtet weiter, dass er selbst seit 1997 aktiv ist und erinnert sich noch gut, dass man „damals 100 bis 120 Einsätze pro Jahr mit der Kernstadt-Wehr absolvieren musste“, heute liege man durchschnittlich bei 300 Einsätzen! „2024 war sogar ein Rekord-Jahr mit über 400 und dabei gab es keine größere Flächenlagen.“

Das Aufgabengebiet der Feuerwehr ist sehr viel breiter geworden. Bad Mergentheim hat inzwischen sehr viele Gebäude mit automatischen Brandmeldeanlagen, es dürften wohl über 100 sein. „Wir fahren zu schweren Verkehrsunfällen, aber auch zu vielen kleineren Unfällen und zu immer mehr E-Call-Auslösungen in modernen Fahrzeugen, zudem natürlich zu Bränden, aber eben auch zu Wohnungstür-Notöffnungen, was es früher so nicht gab“, so Brünner.

Die Bevölkerung in Bad Mergentheim ist auch angewachsen, damit passiere mehr und es gebe natürlich die wichtige Überland-Hilfe, die von Bad Mergentheim aus unter anderem mit Spezialfahrzeugen wie der Drehleiter geleistet werde. Die Alarmierungs- und Ausrückeordnung wurde weiterentwickelt und neu festgelegt. Auch dadurch ergaben sich einige Veränderungen.

Die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim ist laut Brünner, „wie der Name schon verrät, eine komplett freiwillige Sache“, lediglich der Stadtkommandant, zwei Gerätewarte und eine weitere Kraft seien für diesen Job fest angestellt. Der große Dank gelte allen Arbeitgebern, betont Brünner, die ihre Mitarbeiter immer wieder während der Arbeitszeit für Einsätze ziehen lassen und damit die Sicherheit in der Region und den Schutz der Allgemeinheit hochhalten.

Abteilungskommandant Peter Brünner freut sich auf das Jubiläumsfest am Wochenende. © Sascha Bickel

Einsatz-Höhepunkte und besondere Ereignisse seit dem Jahr 2000

2000: 150 Jahre Feuerwehr werden groß gefeiert. Ein neuer Vorausrüstwagen wird vorgestellt. Im November brennt das „Bierhals“-Gebäude am Marktplatz.

2001: im Oktober Milzbrand-Alarm auch im Schlosspark; eine Folge der furchtbaren Anschläge auf das World-Trade-Center in New York im September.

2002: Großübung im Juli mit den Heeresfliegern am Drillberg.

2005: Wohnhaus-Brand im April in der Herrenmühlstraße, Dachstuhlbrand im November im Eisenbergwerg und kurz vor Weihnachten ein Wohnhausbrand in der Marienstraße mit drei Todesopfern.

2006: im Februar Dachstuhlbrand in Edlefingen mit einem Toten, wenige Stunden später noch ein Scheunenbrand in der Nachbarschaft.

2007/2008: Einsätze bei den Orkanen „Kyrill“ und „Emma“.

2008: Explosion einer Dönerbude auf dem Toom-Baumarkt-Parkplatz im Juni; zum Glück an einem Sonntag. Zudem im Dezember: Überflutung von Teilen der Rehaklinik ob der Tauber nach einem Wasserrohrbruch.

2009: im Januar Brand in der Seniorenresidenz Schönblick; eine aufwendige Evakuierungsaktion war in einer sehr kalten Winternacht nötig.

2010: Wohnhausbrände in der Ortsdurchfahrt Dainbach (Juni) und in der Seegartenstraße gegenüber der Berufsschule (Juli).

2011: Die Wehr darf sich über ein neues Hilfeleistungslöschfahrzeug (HLF) freuen, das erste Multifunktionsfahrzeug seiner Art für die professionelle Abarbeitung von Lösch- und Unfalleinsätzen.

2013: Im Mai brennen bei einem KfZ-Händler 25 Pkw im „Braunstall“. Im Sommer beginnen die Arbeiten für den Anbau an die Hauptfeuerwache. Dieser wird 2014 in Betrieb genommen. Im August prallt ein Audi auf den Kaiserstein (B 290) und zerstört ihn.

2016: An Neujahr brennt eine Scheune in der Ortsdurchfahrt Wachbach, im März dann die Waldschenke im Wildpark. Sie wird völlig zerstört. Auf dem Autobahnzubringer nahe Assamstadt gibt es im September einen schweren Verkehrsunfall. Ein Mann überlebt den Frontalzusammenstoß nicht. Und ein großer „Tag der Sicherheit“ findet in diesem Jahr statt.

2017: Die neue Drehleiter wird in Dienst gestellt. Eine Besonderheit ist, dass die letzten Meter eine besondere Gelenkfunktion haben und geneigt werden können.

2018: Scheunenbrand in Assamstadt und letzter Einsatz der Drehleiter Baujahr 1963, die dort zur Nachtwache gestellt wird. Im Dezember: Gaststätten-Brand im Willinger Tal.

2019/2020: Neuer Einsatzleitwagen und die ersten Wechsellader-Fahrzeuge halten Einzug, die mit unterschiedlichen Abrollbehältern bestückt werden können.

2020: Im Juni Absturz eines Ultraleichtflugzeuges nahe dem Wartturm.

2020 bis 2022: Die Corona-Zeit ist eine sehr anstrengende und belastende Zeit für die Feuerwehr: eingeschränkter Übungsbetrieb, keine kameradschaftlichen Treffen, tägliche Tests, Fahrzeuge teilweise geringer besetzt oder nur mit Maske oder offenem Fenster unterwegs, einige Spezialeinsätze bei Rehakliniken.

2021: Im Mai Brand in der leerstehenden, ehemaligen Vesalius-Klinik in der Bismarckstraße.

2022: Feuer in der Tiefgarage Altstadt/Schloss (November).

2023: Tag der Sicherheit an einem heißen Juli-Tag. Der Abrollbehälter „Rüst“ kommt neu. Die Umstellung auf den Digitalfunk erfolgt.

2024: Heißer Sommer, diverse Flächenbrände.

2025: Neues Mittleres Löschfahrzeug und neue digitale Alarmierung. 175-Jahr-Jubiläum (September).

Nachwuchs und Digitalisierung wichtig

Zum Thema Nachwuchsgewinnung sagen Brünner und Carl Schulz, dass dies ein Dauerthema sei. Mehr weibliche Feuerwehrleute seien genauso das Bestreben, wie die Jugend zu begeistern und zu gewinnen. „Wir freuen uns über alle Interessenten“, so Brünner. „Wir haben eine Jugendfeuerwehrabteilung, die erfolgreich arbeitet, wissen aber auch, dass viele junge Leute nach der Schule zum Studieren oder für andere Jobs aus dem Taubertal weggehen und dann erst einmal für den aktiven Feuerwehrdienst vor Ort nicht zur Verfügung stehen. Nur ein Teil bleibt und verstärkt die Einsatzabteilung.“

Auf den Fuhrpark geht Brünner im weiteren Gespräch ein und erklärt auch hierzu, dass sich die Feuerwehr-Welt in den vergangenen 25 Jahren enorm verändert hat. Zwölf Fahrzeuge stehen in der Hauptwache in Bad Mergentheim.

Ein Löschfahrzeug sei immer noch ein Löschfahrzeug, so der Abteilungskommandant, aber die Technik eben viel weiter. Wo früher nur Knöpfe und Hebel waren, gebe es heute oft ein volldigitales Display. Inzwischen gibt es auch Wechsellader-Fahrzeuge, die verschiedene, spezialisierte Abrollbehälter aufnehmen und zur Einsatzstelle bringen könnten. Das reiche vom großen Wassertank bis hin zum Abrollbehälter „Rüst“. Das gab es früher auch nicht. Carl Schulz verweist auf Unfälle mit Elektrofahrzeugen, die heute eine ganz andere Herausforderung mit sich brächten, als die Autos vor 25 Jahren. Die Technik auf den Fahrzeugen habe sich deutlich weiterentwickelt, entsprechend müsse sich die Feuerwehr vorbereiten.

Die Feuerwehr Bad Mergentheim hat inzwischen auch ein Mittleres Löschfahrzeug (MLF) im Einsatz, das wendiger in engen Gassen ist und für den Erstangriff bei Bränden und Verkehrsunfällen dient, es löste den Vorausrüstwagen ab, der früher zuerst zum Unfall fuhr. Das MLF hat laut Brünner auf einer Seite die Ausrüstung für eine zügige Technische Hilfeleistung an Bord und auf der anderen Fahrzeugseite die Ausstattung für die schnelle Brandbekämpfung.

Digitale Technik mache die Feuerwehr, so Schulz, auch für junge Leute interessanter. „Die Technik fasziniert, aber jeder findet bei uns seinen Platz“, sagt Schulz: Es brauche Fachleute an vielen Stellen, vom Funk und der Drehleiter-Steuerung bis zur Brandbekämpfung an vorderster Front. Um die Vielseitigkeit bei den Männern und Frauen zu erhalten, um auf verschiedenen Positionen eine gute Arbeit leisten zu können, sind laut Peter Brünner regelmäßige Übungen und Schulungen unabdingbar. Gemeinsam werden aber auch die kameradschaftlichen Traditionen hochgehalten, so gibt es jeden Donnerstag einen Stammtisch, verschiedene interne Feiern und auch immer wieder einen Austausch mit der Partnerwehr in Bregenz/Österreich.

Vorbeischauen und mitfeiern

Wer Bock auf die Feuerwehrarbeit in der Kernstadt oder den Stadtteilen hat, kann sich am besten per E-Mail an feuerwehr@bad-mergentheim.de wenden. Dann trifft man sich, so Brünner, spricht miteinander und schaut mal bei einer Übung zu, um die Kameraden kennenzulernen. In die Jugendfeuerwehr kann man ab zehn Jahren einsteigen, in die aktive Wehr zwischen 18 bis 65.

Der 175. Geburtstag der Freiwilligen Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, wird am Wochenende, 13. und 14. September, ausgiebig gefeiert. Am Samstag ist ab 16 Uhr der Bieranstich im Festzelt bei der Hauptfeuerwache. Es gibt einen kleinen Festakt, dann Festbetrieb und viel Live-Musik. Um 18 Uhr gibt es noch einen Wettbewerb im Lastwagen-Mannschaftsziehen. Der Sonntag startet mit einem Festgottesdienst im Münster, danach ist um 11.30 Uhr eine große Fahrzeugweihe auf dem Marktplatz geplant und im Anschluss ein Festumzug bis zur Feuerwache. Dort geht der Festbetrieb mit Mittagessen und Live-Musik weiter und klingt am späten Nachmittag aus.

Die Freiwillige Feuerwehr Bad Mergentheim, Abteilung Stadt, feiert und ist stolz auf 175 Jahre Geschichte. © Alex Meuschel

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Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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