Bad Mergentheim. Auf einer alten Flurkarte aus dem Jahr 1833 wird Mergentheim als eine Stadt dargestellt, die von einer fast runden Stadtmauer eingeschlossen ist und die man nur durch die vier Stadttore, die nach und nach abgebaut wurden, betreten oder verlassen konnte. Mit der Eröffnung des Bahnhofs 1869 wurde die mittelalterliche Begrenzung der Stadt aufgebrochen. Es entstand ein weiterer, ein fünfter Stadteingang.
Mit dem Bahnhofsgebäude entstand auch der Bahnhofplatz, der von den Dienstgebäuden der Bahnbeamten und Angestellten auf der linken und rechten Seite begrenzt wurde. Hinzu kamen noch die damals größten Hotels und Touristenunterkünfte der Stadt, welche sich um den Platz gruppierten: Excelsior (1925), Deutscher Hof (1928), Haberer und Victoria (beide 1929). Sie werteten den Eingangsbereich der Stadt auf und machten deutlich, dass die Eisenbahnzeit für das beschauliche Städtchen eine Epochenwende bedeutete.
Diese Eisenbahn-Epochenwende sollte nicht die letzte sein, denn mit dem Nationalsozialismus brach sich eine neue Zeit Bahn. Am 11. April 1933, fast zweieinhalb Monate nach Hitlers „Machtübernahme“, tagte der Bad Mergentheimer Gemeinderat und beschloss, den Bahnhofplatz „aus Anlass des Geburtstages des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler am 20. April in Adolf-Hitler-Platz umzubenennen“. Aus dem Bahnhofplatz wurde so ein bedrückender Platz. Denn von hier aus fanden drei Deportationen in den Jahren 1941 bis 1942 statt. Die meisten der von Mergentheim aus abtransportierten Juden wurden erschossen oder kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Am 7. April 1945 wurde aus dem Hitler-Platz wieder der Bahnhofplatz.
Traum vergeblich geträumt
Wenn man vor nicht allzu langer Zeit von der Stadt kommend auf den Bahnhof schaute, konnte man auf der linken Seite noch das Dienstwohngebäude und die ehemaligen Waschräume der Bahnbediensteten sehen. Sie waren, neben dem Bahnhof selbst, die letzten steinernen Zeugen der Geschichte des badisch-württembergischen Wechselbahnhofs und standen vergeblich unter Denkmalschutz. Der Traum, zum Beispiel von einem Café in den Arkaden des Waschgebäudes, wurde vergeblich geträumt. Die Baudenkmäler wurden 2012 abgebrochen. An ihrer Stelle entstand ein Neubau ohne historischen Bezug.
Und wieder steht dem Bahnhofplatz eine grundlegende Veränderung ins Haus, da er sich als „unübersichtlicher Verkehrsplatz“ präsentiert, wie die Stadtverwaltung einräumt. Die vielbefahrene Straße vor dem Neuen Rathaus trennt den Platz vom Stadtkern wie einst die Stadtmauer. Den Fußgängern wird zugemutet, die Straße durch eine nicht gerade einladende Unterführung zu unterqueren, um dann auf einen Bushalteplatz zu gelangen, der nicht gerade zum Verweilen einlädt, es sei denn, der Bus lässt noch auf sich warten.
Mobilitätsdrehscheibe
Zwar lässt die Landesgartenschau 2034 auch noch einige Zeit auf sich warten. Die Stadt ist aber jetzt schon mit Planungen beschäftigt, aus dem von Bussen und Autos dominierten Verkehrsplatz eine „zukunftsfähige Mobilitätsdrehscheibe“ zu entwickeln, um dann vor allem auch den Gästen der Landesgartenschau „einen angemessenen Empfang in der Stadt der Blühenden Quellen“ zu bereiten.
Neue Zonen vorgesehen
Der Bahnhofplatz soll zum „repräsentativen Stadteingang“ umgestaltet werden. Zu diesem Zweck soll er „neu zoniert und mit einem durchgängigen Belag aufgewertet“ werden. Fußgänger sollen „komfortabler und barrierefrei“ in die Altstadt gelangen. Eine „leichte, begrünte Dachkonstruktion auf dem Platz“ soll „Aufenthaltsqualität mit witterungsgeschützten Sitzgelegenheiten für Wartende“ schaffen. Außengastronomie soll zum Verweilen einladen, so einige Umgestaltungsziele der Stadtverwaltung.
Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Die Macht in Bad Mergentheim verschoben