Prozess am Amtsgericht

Bad Mergentheim: Frau erleidet Todesangst durch massive Gewalt

Eine Nichtigkeit führt in Löffelstelzen zum Streit, der wiederum in massiver Gewalt gegen mehrere Personen gipfelt. Deshalb steht ein Mann nun in Bad Mergentheim vor Gericht – und wird mild verurteilt

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Simon Retzbach
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Blick in die Schönbornstraße. Hier soll ein Mann seine Lebensgefährtin massiv geschlagen und getreten haben, hierfür wurde er nun verurteilt. © Simon Retzbach

Löffelstelzen/Bad Mergentheim. Es geht um den 38-jährigen H., der im vergangenen Oktober seine Lebensgefährtin nach einem Streit „massiv“ verletzt haben soll, wie es die Staatsanwaltschaft formuliert. Doch damit nicht genug: Auch dazu gerufene Polizisten tritt, bespuckt und beschimpft der Mann demnach massiv.

Doch warum kam es überhaupt soweit? Durch die Schilderungen von Zeugen und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergibt sich ein Bild, dem der Angeklagte nicht widerspricht. Er gibt Erinnerungslücken aufgrund von Medikamenten-, Drogen- und Alkoholkonsum an. H. soll an diesem Abend seiner damaligen Lebensgefährtin gesagt haben, dass er nach mehrmonatiger Abstinenz wieder Lust auf Alkohol verspüre. Nach entsprechendem Drängen besorgte die Frau dem Mann Alkohol – entgegen einem entsprechenden Verbot, das der Mann als Bewährungsauflage hatte.

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„Dann wollte er, dass ich ihn nach Tauberbischofsheim fahre, um Cannabis zu besorgen“, erzählt die Frau vor Gericht. Doch da zieht sie eine Grenze, verweigert die Fahrt. Daraufhin beginnt der 38-Jährige, der Frau in den Bauch zu schlagen. „Er hat mich nach jedem Schlag wieder gefragt, ob ich ihn fahre. Als ich nein gesagt habe, hat er wieder zugeschlagen“, schildert sie ihr Martyrium.

Lebensgefährtin flüchtet vor Schlägen aus der Wohnung

Sie flüchtet schließlich aus der Wohnung. „Ich hatte Angst, dass ich sterbe. Er hat immer wieder gesagt, dass er mich töten wird“, sagt sie unter Tränen aus. Es ist ihr zufolge nicht die erste Gewalttat, die sie in der rund anderthalbjährigen Beziehung ertragen muss. „Ich habe immer die Augen zugedrückt und das Gute gesehen, aber jetzt ging es nicht mehr“, erklärt sie. Noch heute habe sie Rückenprobleme, durch Tritte des Mannes sei eine OP-Narbe am Rücken wieder aufgeplatzt und aufgrund vorheriger Verletzungen durch H. werde sie wohl dauerhafte Rückenschmerzen haben. Hinzu kommen massive psychische Probleme durch die Taten.

Auch nach Verlassen der Wohnung ist der Angeklagte nicht zu beruhigen. Er folgt seiner Partnerin und geht sie auch auf der Straße an. Eine Passantin, die zufällig mit ihrem Hund am Tatort in der Löffelstelzer Schönbornstraße vorbeikommt, greift ein. Daraufhin beleidigt sie der Angeklagte rassistisch.

Polizist beschreibt eine „sehr aggressive Stimmung“

Selbst die mittlerweile eingetroffene Polizei kann die Situation nicht beruhigen. Der Angeklagte beschimpft sie massiv und wehrt sich gegen seine Festnahme. Dabei tritt er einem Beamten ins Gesicht, spuckt mehrere an. Einer der Beamten beschreibt eine „sehr aggressive Stimmung“, die selbst eine Nacht in der Gewahrsamszelle überdauert. Die mittlerweile zahlreich anwesenden Dritten hindern den Angeklagten H. auch nicht daran, seine Lebensgefährtin weiter zu bedrohen. „Er sagte zu ihr: ’Ich werde dich so langsam erwürgen, dass du mitbekommst, wie du stirbst’“, erinnert sich ein Zeuge an die Äußerungen.

Psychologe sieht beim Angeklagten „unbewusstes“ Verhalten

Zwar steht der Tatablauf soweit fest, jedoch ist auch die Frage zu klären, inwiefern der Angeklagte aufgrund seiner starken Medikation sowie des Alkoholkonsums voll schuldfähig ist. Hinzu kommen psychische Erkrankungen. Da trifft es sich gut, dass einer der Zeugen als Psychologe im Schmerztherapiezentrum tätig ist. Im Verhalten des Angeklagten sieht er durchaus „unbewusste“ Momente, Adrenalin blockiere in solchen Situationen Teile des Denkens, wozu auch die Selbstregulation gehöre.

Der 38-jährige Deutsche ist einschlägig vorbestraft, neben Diebstahl und schwerem Raub sind auch Bedrohungen und aggressives Verhalten gegenüber Polizei und Rettungskräften bereits bekannt. Auch zu Morddrohungen gegen Personal der psychiatrischen Klinik in Tauberbischofsheim kam es bei Aufenthalten dort bereits.

Staatsanwaltschaft: „Enthemmung“ durch Alkohol

Eine selbst herbeigeführte „Enthemmung“ sieht die Staatsanwaltschaft. „Die Tat fand bei laufender Bewährung statt und es liegt ein extremes Gewaltpotenzial vor. Das Opfer leidet bis heute, obwohl Sie Ihnen eigentlich helfen wollte“, stuft die Anklage die Tat ein. Aufgrund einer verminderten Schuldfähigkeit müsse auch das Strafmaß geringer ausfallen, sie fordert ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe. Eine Bewährung komme nicht infrage, „Sie hatten genug Chancen“.

Verteidiger Falko Schöppler sieht das anders. „Eine Mischintoxikation führte zu dieser Tat. Mein Mandant hat jetzt den massiven Wunsch, sein Leben zu ändern und seine Dämonen zu bekämpfen“, erklärt er.

Auch in einer freiwillig begonnen Therapie sieht er Gründe für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Der ansonsten regungslose Angeklagte entschuldigt sich schließlich vor Gericht für seine Taten, die ihm „sehr unangenehm“ sind.

Mann wurde im Februar 2022 zuletzt verurteilt 

Richterin Susanne Friedl verurteilt den Mann letztlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Im Strafmaß folgt sie der Staatsanwaltschaft. „In Sachen Bewährung ist bei Ihnen eigentlich alles ausgeschöpft“, begründet sie ihren Verzicht auf eine erneute Aussetzung der Strafe. Sie macht deutlich, dass es an diesem Abend durchaus auch zu einem Tötungsdelikt hätte kommen können.

Im Vergleich zu vorherigen Taten (die letzte Verurteilung war erst im Februar 2022) stellt diese Tat in ihren Augen „eine Eskalation“ dar. Die eingeschränkte Schuldfähigkeit führt zwar zu einer milderen Gesamtstrafe. Dennoch: „Manchmal hilft einfach nur der ’Holzhammer’ der Freiheitsstrafe“, so Friedl abschließend. Das könnte sogar im Sinne des Angeklagten sein. Friedl betont, dass die Haft auch als Hilfe in Form einer längeren (erzwungenen) Alkoholabstinenz dienen kann.

Redaktion

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