Wirtschaftskriminalität

Bad Mergentheim: Regen Handel mit gestohlenen Autos betrieben?

In einem ungewöhnlichen Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim wurde eine vermeintliche Bande angeklagt, in Italien gestohlene Autos weiterverkauft zu haben.

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Simon Retzbach
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Das Symbolbild zeigt die kriminaltechnische Bearbeitung einer gefälschten Fahrzeugidentifikationsnummer an einem sichergestellten Fahrzeug. Mit solchen manipulierten Nummern soll eine Bande aus Bad Mergentheim angeblich mehrere Autos aus Italien illegal verkauft haben. © picture alliance / dpa

Bad Mergentheim. Ein Halbkreis bedeutet Außergewöhnliches. Denn wenn, wie kürzlich am Amtsgericht Bad Mergentheim geschehen, zahlreiche zusätzliche Stühle und Tische in den eher kleinen Sitzungssaal 1 gebracht werden müssen, deutet das auf etwas Großes hin.

So auch in diesem Prozess. Insgesamt fünf Angeklagte samt ihren Verteidigern finden sich im Saal ein und bilden den besagten Halbkreis. Damit sie das tun konnten, war eine „monatelange Planung“ im Vorfeld erforderlich, wie Richterin Susanne Friedl einleitend erklärte. Kein alltäglicher Vorgang für das Amtsgericht also.

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Doch was wurde den fünf Angeklagten, vier Männer und eine Frau, vorgeworfen? Ab April 2018 sollen sich die Fünf zusammengetan haben, um in Italien gestohlene Autos im Main-Tauber-Kreis erst anzumelden und anschließend zu verkaufen. Dabei sollen sie vielfach gefälschte Papiere verwendet und teilweise sogar komplett erfundene Identitäten verwendet haben.

Insgesamt acht Fahrzeuge sollen es gewesen sein, darunter mit BMW, Audi und Mercedes-Benz auch hochpreisige Fabrikate, sodass sich der Schaden auf mehrere zehntausend Euro beläuft. Teilweise sollen diese dann erfolgreich an Privatkunden, aber auch an Händler verkauft worden sein. Durch die manipulierten Papiere soll die tatsächliche Identität der Fahrzeuge verschleiert worden sein, die anschließende Zulassung im Main-Tauber-Kreis verlieh den Autos demnach so etwas wie ein legales ‚zweites Leben‘.

Verteidigung „Alles im grünem Bereich“ – Gericht zweifelt

„Da war alles im grünen Bereich“, widersprach Klaus Spiegel. Der Rechtsanwalt vertrat einen der Angeklagten. Er habe die Autos ganz regulär über einen Bekannten (er soll im Folgenden S. genannt werden) gekauft, ergänzte der Mann. „Als Kfz-Meister mache ich so etwas häufiger. Ich kaufe die Autos und verkaufe sie später wieder“, so der Angeklagte. Die Autos seien in Ordnung gewesen, er habe beim Kauf von S. keine „Anhaltspunkte, dass etwas nicht stimmt“ gesehen.

Doch Friedl überzeugte das nicht, sie sah mehrere Ungereimtheiten. So soll es ein Bild auf dem Handy des Mannes geben, auf dem er die echte Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) eines Autos abfotografiert – und in der Spiegelung der Windschutzscheibe selbst zu sehen ist. Später wurde diese an einer Stelle manipuliert und eine sogenannte Dublette erzeugt. Damit soll die wahre Identität des Autos, die durch die FIN vergleichbar zu einem Fingerabdruck sichergestellt werden kann, verschleiert werden. Zudem wurden beim Angeklagten verschiedene, teilweise bereits ausgefüllte Blankokaufverträge gefunden und einmal habe er sogar alle gestohlenen Autos aufgereiht nebeneinander fotografiert.

Die Theorie, die demnach im Raum stand: Der Mann wusste, dass es sich um gestohlene Autos handelte. Zusammen mit dem S. fingierte er Verkäufe mittels dubioser Verträge, um sie dann anschließend selbst weiterzuverkaufen. Im Laufe dieses Vorgangs würde die Tatsache, dass die Autos ursprünglich in Italien gestohlen wurden, zunehmends verschwinden und irgendwann kaum noch nachzuweisen sein.

Anklage: „Das stinkt zum Himmel“

Der angeklagte Kfz-Meister, den die Anklage am stärksten belastete, stritt die Vorwürfe ab. „Ich habe nichts verändert, vielleicht wurde mir das Foto zugeschickt“, erklärte er mit Blick auf die ursprünglich korrekte FIN an einem der Autos. Die dubiosen Verträge will er beim Ausräumen des Autos selbst gefunden haben, diese gehörten möglicherweise seinem Geschäftspartner S. „Warum haben Sie überhaupt Autos für ihn verkauft?“, fragte Staatsanwalt Dr. Klaus Schwichtenberg. „Er hat selbst zu viele, also nehme ich ihm welche ab“, erklärte der Angeklagte diesen Vorgang.

Teilweise gab er die Autos dann wiederum an Bekannte weiter, auch ein Teil der Verkaufserlöse lief über deren Konten oder über das seiner eigenen Frau – weshalb letztlich auch fünf Angeklagte vor Gericht standen und die Anklage eine Art Bandenstruktur annahm. „Das stinkt zum Himmel“, fand der Erste Staatsanwalt Schwichtenberg. Warum habe er das Auto auf sich angemeldet, nachdem er es vom Mitangeklagten übernommen habe, wollte er von einem weiteren Angeklagten wissen. Der Autohändler hatte auch dafür eine Erklärung parat: „Die Kunden wollen deutsche Papiere.“ Es sei sein Job, Autos anzukaufen und wieder zu verkaufen.

Davon, dass die Autos seines mitangeklagten Freundes möglicherweise aus zweifelhafter Herkunft stammen könnten, will er nichts gewusst haben. Er verkaufe „rund 400 Autos pro Jahr“, er könne sich nicht mehr an jeden einzelnen Vorgang erinnern.

Kein Urteil, also nichts passiert?

Verteidiger Frank Gangl warf ein, dass man das Verfahren gegen den S. bereits eingestellt habe: „Ich verstehe die weitere Kette daher nicht.“ „Woher soll mein Mandant von Diebstählen wissen, wenn bereits gegen die Vorbesitzer der Autos Verfahren eingestellt wurden?“, ergänzte Irina Freitag, die den Autohändler vertrat. „Kein Urteil heißt nicht unbedingt, dass nichts passiert ist. Die Beweise könnten in diesem Fall ausreichen“, erwiderte Friedl.

Die Aussagen zweier Ermittler halfen ebenfalls nur bedingt weiter. Einer schilderte, wie man dem ganzen Vorgang auf die Spur kam. Ein italienischer Privatdetektiv meldete sich bei ihm. Er habe im Auftrag einer Versicherung ein extra angebrachtes GPS-Signal an einem Fahrzeug bis nach Bad Mergentheim verfolgt. Eine daraufhin durchgeführte Untersuchung in einem Autohaus verlief jedoch ergebnislos, auch der GPS-Sender wurde nicht gefunden. „Wir sind einfach nicht dahintergekommen, was faul sein könnte“, beschrieb der Ermittler.

Der zweite Ermittler fiel dann mit einer bemerkenswert unglücklichen Aussage auf. Denn normalerweise sind Polizisten als Zeugen geübt und liefern eindeutige und brauchbare Aussagen – in die eine oder andere Richtung. Nicht so in diesem Fall: Der mittlerweile pensionierte Kriminalpolizist plauderte munter drauflos, sprang gedanklich munter von einem Aspekt zum nächsten. So richtig nachvollziehbar war es jedenfalls nicht.

Als der ehemalige Polizist dann wiederholt davon anfing, wie „das bei Hehlerei im Allgemeinen so ist“, platzte Verteidiger Timo Fuchs der Kragen. „Die allgemeinen Umstände beim Autoklau haben mit dem konkreten Fall nichts zu tun. Zu diesem sollen Sie sich äußern und sonst nichts.“ Auch Friedl sah das so: „Sie sollen als Zeuge Fakten wiedergeben und keine Werturteile“. Doch das alles half nichts: Munter erzählte der ehemalige Ermittler weiterhin hauptsächlich von seinen subjektiven Eindrücken, konnte aber wenig Konkretes beitragen.

Nach einem längeren Rechtsgespräch zwischen Anklage, Verteidigung und Gericht schließlich das vorzeitige Ende des Verfahrens: Gegen die Angeklagten wird das Verfahren eingestellt, die Vorwürfe ließen sich auch aufgrund der kaum belastbaren Zeugenaussagen letztlich nicht erhärten. Eine Aussage des vermeintlichen Erstverkäufers S. hätte helfen können, dieser könnte jedoch schweigen, sofern er sich selbst belasten müsste. Den Kfz-Meister erwartet jedoch noch ein weiteres Verfahren wegen Insolvenzverschleppung, für ihn ist die Sache also noch nicht abgeschlossen.

Redaktion

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