Bad Mergentheim. Von 1844 bis 1851 wohnte Eduard Mörike in Mergentheim. Es ist eine schwierige, aber auch produktive Zeit für den Pfarrer im Ruhestand und Dichter.
Als Mörike im Sommer 1837 zusammen mit seiner jüngeren Schwester Klara zur Kur in Mergentheim weilt, schwärmt er von der Gegend: Sie sei reizend und lade zu schönen Spaziergängen ein. Er genießt die Aussicht auf die Tauber und die hohen Bäume des Schlossgartens. Und dahinter sieht er die Türme „dieser fast ganz katholischen Stadt“, zudem „lustige Weinberge und sanfte Hügel“.
Wegen „einer Schwäche des Nervensystems“ waren dem evangelischen Pfarrer von Cleversulzbach vier Wochen Urlaub vom ungeliebten und ihn überforderden Pfarrdienst genehmigt worden, um sich in der Badestadt zu erholen.
Sechs Jahre später, 1843, bittet Mörike dann endlich um seine vorzeitige Pensionierung, denn ein „allgemeines Schwächegefühl“ habe ihn seit Jahren „eigentlich nie verlassen“, vor allem bei der „öffentlichen Rede“, wobei er über „vermehrten Blutandrang nach dem Kopfe, Schwindel, Kopfschmerzen“ und ein „heftiges, nicht selten die Sprache hinderndes Herzklopfen“ klagt.
Gnadenhalber eine Pension
Ist er ein Hypochonder? Will er den Pfarrdienst, unter dem er seit Jahren leidet, schon mit 39 Jahren loswerden und nur noch als Privatmann und Schriftsteller leben? Mörike hat sich dazu nie überzeugend eindeutig geäußert. Gnadenhalber wird ihm eine Pension von jährlich 280 Gulden gewährt. Sein Pfarrergehalt hatte anfangs 600 Gulden betragen.
Nach seiner Pensionierung lebt er noch jeweils ein halbes Jahr zusammen mit seiner Schwester im Pfarrhaus in Wermutshausen bei seinem „Urfreund“ Pfarrer Hartlaub und in Schwäbisch Hall.
Nach diesen Zwischenstationen ziehen die Geschwister nach Mergentheim, wo sie ab dem 1. November 1844 erst in der „Fuchshöhle“ in der heutigen Unteren Mauergasse, dann aber schon Ende März 1845 in dem repräsentativen Eckhaus am Marktplatz wohnen, an dem sich heute eine Gedenktafel befindet. Für die drei Zimmer mit Küche im ersten Obergeschoss bezahlen sie 51 Gulden im Jahr.
Im zweiten Obergeschoss wohnen die Besitzer: Oberstleutnant a. D. von Speeth und seine Frau mit ihren Kindern Margarethe und Wilhelm. Zwischen den Familien entwickelt sich rasch ein freundschaftliches Verhältnis, zumal sich Klärchen Mörike und Gretchen Speeth schon beim Kururlaub in Mergentheim kennengelernt hatten und Mörike sich offensichtlich in Margarethe verliebt. In einem Gedicht schon im Jahr seines Einzugs zu ihrem 27. Geburtstag nennt er sie „Liebste“ und küsst sie „wie man Engel küssen mag“.
Die „liebsten Schwestern“
Damit beginnt eine über Jahre dauernde ungewöhnliche Dreier-Beziehung, wobei Gretchen in die Wohnung der Mörikes einzieht, nachdem ihr Vater 1845 verstorben und ihre Mutter nach Bamberg gezogen war. Mörike spricht einerseits von den „beiden liebsten Schwestern“. Andererseits soll er schon 1846 Margarethe ein Heiratsversprechen gegeben und sich im geheimen mit ihr verlobt haben.
Während Mörike schon früh den „unglaublich verzärtelte(n) Gang“ als einen Grundzug seines „inneren Wesens“ erkennt, wird Margarethe von Bekannten als kompliziertes Geschöpf dargestellt, das trotzig und egozentrisch sei und zu drastischen Szenen neige. Dass auch Mörike, der nicht weniger kompliziert ist, und seine Schwester, die ebenfalls empfindlich reagieren kann und heftige Auftritte hat, auch ihren Anteil an den nervenaufreibenden, von Misstrauen und Eifersucht belasteten Zusammenleben haben, ist überliefert.
Er muss sich entscheiden
Schließlich muss sich Mörike entscheiden und den Schein eines platonischen Dreierbundes beenden und seine Schwester, die aus allen Wolken fällt, mit der Wahrheit konfrontieren. Mörike und die Katholikin Margarethe werden am 25. November 1851 in der Mergentheimer Schlosskirche getraut. Zwei Tage später ziehen sie nach Stuttgart, wo Klärchen in deren Haushalt lebt wie zuvor Gretchen bei den Geschwistern. Die Ehe mit zwei Kindern scheitert. Sie trennen sich 1873. Am 4. Juni 1875 stirbt Mörike. Im Monat davor sollen sie sich versöhnt haben.
Die Mergentheimer Jahre Mörikes bestehen natürlich nicht nur aus der häuslichen Dreiecks-Beziehung, die auch ihre schönen und heiteren Seiten hat. Es entstehen zahlreiche Gedichte. Mit dem Versepos „Idylle vom Bodensee“ landet Mörike einen Achtungserfolg. Er verkehrt mit Honoratioren der Stadt, geht viel im Taubertal spazieren und richtet sich unter dem Dach eine „Steinkammer“ für seine Petrefaktensammlung ein.
Dass Mörike kein weltscheuer, apolitischer Dichter ist, geht aus Briefen hervor, die er im Revolutionsjahr 1848/49 schreibt und ihn als regen Beobachter der „Weltbegebenheiten“ ausweisen. Öffentliche Bekundungen sind ihm allerdings fremd.
Weck, Milch und Aderlass
Im Haushaltungsbuch der Lebensgemeinschaft, in dem die Ausgaben für die einfachen Dinge des Lebens wie Weck, Milch und Brot, aber auch für Papier, Knöpfe und Aderlass und die wenigen Einnahmen aufgelistet werden, fügt Mörike Zeichnungen hinzu, die auf Ausflüge, Kaffeetafeln und vieles mehr aus dem Alltag hinweisen. Es ist eine finanziell eher ärmliche Existenz, die poetisch verklärt wird.
Mörike-Kabinett
Wer mehr über Mörike und seine Lebensumstände in der Mergentheimer Zeit erfahren möchte, sollte das Mörike-Kabinett im Residenzschloss Mergentheim besuchen, zu dem es auch ein Buch gibt. Über 100 Exponate sind hier ausgestellt, die nicht nur den Dichter, sondern auch den Briefschreiber, den geselligen Menschen und seine Beziehungen zu Familie und Freunden zeigen.
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