Finsterlohr/Reinsbronn. Ein wenig Zufall war schon im Spiel: Den Theatervirus fing sich Arno Boas, der regionalen Leserschaft seit viereinhalb Jahrzehnten als Lokaljournalist bestens vertraut, über seine Freundin Christiane ein. Die machte mit bei der da noch ganz jungen Amateur-Theatergruppe Reinsbronn. Wer spielen will, braucht Stücke. Und Arno Boas, der schon seit Kindertagen ein ausgeprägtes Faible fürs Schreiben hatte, mutierte vom Zuschauer und Fan zum Bühnenautor.
Sein erstes Stück – „Das Miststück“ - schrieb er im Herbst 1985. Noch heute erinnert er sich an die erste Leseprobe im November 1985 im Gasthaus Beck in Niedersteinach. Die Texthefte damals noch im DIN-A-6-Format, selbst kopiert und mit „Wurstbendel“ (auf hochdeutsch: Bindfaden) gebunden. Truppe und Publikum hatten bereits beim Erstlings-Volksstück des jungen Journalisten im Januar 1986 jede Menge Spaß. Dann folgten Schlag auf Schlag alljährlich Boas-Stücke. Bei der Vereinsgründung des Bühnenzinnobers 1987 wurde er erst zum Schriftführer gewählt, 1995 dann zum Vorsitzenden. Damit ist für den Autor 2025 ein Doppeljubiläum angesagt, denn seit 30 Jahren steht Boas an der Spitze des einzigen Theatervereins in Creglingen.
Spannender Autorenweg
40 abendfüllende Werke, drunter auch ein halbes Dutzend Stücke speziell für die Bühnenzinnober-Jugend, sind es inzwischen geworden. Das jüngste, „Für die Freiheit entflammt“, erlebt am 27. Juni in Niedersteinach zu Füßen der Burg Brauneck als Stationentheater seine Uraufführung. Es ist nicht das erste Stück aus der Region, das sich dem Bauernkrieg widmet: Vor einem runden Jahrhundert hatte der damalige Reinsbronner Pfarrer Kittel das Thema bereits einmal aufgegriffen, allerdings mit ganz anderem Klang als Arno Boas. Für Kittel waren die Bauern eher böse Aufständische gegen den guten Adel und Klerus. Boas dagegen beleuchtet gemeinsam mit Regisseur Peter Warkentin und unter Einbeziehung des Reinsbronner Jugendtheaters den Aufstand und den Kampf für Gerechtigkeit aus unterschiedlichen Zeitfenstern an drei Stationen: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Vom „Miststück“, dem „Jubiläums-Zinnober“ und „Vom Schlooch droffe“, so die Titel der ersten drei Stücke, die sich noch ganz klar an den Bauernstücken des traditionellen Volkstheaters orientierten und eigentlich nur für den „Bühnenzinnober“ geschrieben wurden, bis zur Bearbeitung des Volksaufstands vor 500 Jahren – dem größten vor der französischen Revolution - ist es ein spannender Autorenweg. Weit ausstrahlende Wegmarken gab‘s unterwegs: „Kaltgestellt“ (2005), bittersüß-tragikomische Auseinandersetzung mit Katastrophengaffern, wurde 2007 beim baden-württembergischen Mundarttheaterwettbewerb mit dem „Oskarle“ ausgezeichnet; mit „Heimatfront“ (2007) und „An einem Tag im März“ (2013), letzteres im Bereich Mundarttheater mit dem baden-württembergischen Staatspreis „Lamathea“ ausgezeichnet, widmete sich der Autor facettenreich der Geschichte der Nazizeit.
Doch schon mit „Muggebatsche oum Mistbrialouch“ (1990), „Allmächt“ (1992) und „Raiwer im Roug“ (1995) wurde deutlich, dass schlichte Schenkelklopfer seine Sache nicht sind. Da thematisierte er heiter verpackt die Problematik von Landwirtschaft und Dorfstruktur angesichts rasanter „Modernisierung“ und Gewinnmaximierung durch dörflichen Landraub, ging in „Allmächt“ der Auseinandersetzung mit dem Fremden und in „Raiwer im Roug“ der Änderung von Geschlechterrollen nach. Das kam nicht nur beim Bühnenzinnober-Publikum bestens an, sondern lockte auch andere Amateurbühnen, die sie zu den meistgespielten Boas-Stücken machten. Selbst im deutschsprachigen Ausland fanden sie den Weg auf Bühnen.
Ernste Themen heiter verpackt
Zu den 40 abendfüllenden Stücken gesellen sich zahlreiche Kurzstücke und Sketche. Kein Wunder also, dass Boas mit zahlreichen Preisen bedacht wurde: 1996 erhielt er den Förderpreis des Süddeutschen Rundfunks, 1999 wurde ihm als erstem Ringträger der Gottlob-Haag-Ehrenring verliehen. 2003 wurde er mit der Ehrennadel des Vereins für Heimatpflege im Regierungsbezirk Stuttgart ausgezeichnet, 2011 folgte die goldene Ehrennadel des Landesverbandes Amateurtheater Baden-Württemberg, 2016 ergänzte die Heimatstadt Creglingen mit der Verleihung der Bürgermedaille in Silber die Liste der Auszeichnungen.
Es sind die Normbrecher, die Anderen und der Umgang der Gesellschaft mit ihnen, die Arno Boas interessieren, dazu kommen heiße Eisen. Heiter verpackt greift er gesellschaftlich umstrittene Themen auf: Gentechnologie, Industrialisierung der Landwirtschaft, in Stein gemeißelte Rollenbilder, Fremdenfeindlichkeit, Bürokratie, Geschichtsverdrängung, Rechtsradikalismus, Mobbing...
Auf die Bühne gebracht haben seine Stücke Profi-Theaterfachleute aus der Region: Florian Brand, Hannes Hirth, Biggi Obermeier, Maria Warkentin, Peter Warkentin und David Winkenstern. Alle haben Spuren hinterlassen, die Theatergruppe geprägt und sie weitergebracht. Das gilt auch für die inklusive Kooperation mit der Neudettelsauer Behinderten-Theatergruppe, die die Reinsbronner 2011 bei der Freilichtaufführung von „Geist ist geil“ mit ins Boot holten, eine besondere Erfahrung für beide Truppen und fürs Publikum.
In die Umsetzung mischt er sich nicht ein
Auch wenn Arno Boas als Vorsitzender des Theatervereins mit der Reinsbronner Truppe aufs engste vertraut ist, schreibe er nie einzelnen Spielerinnen und Spielern Rollen auf den Leib, verrät er im Gespräch mit der Redaktion: Die Akteure seien so vielseitig, dass sie in jede Rolle schlüpfen könnten. Auch in die Umsetzung seiner Stücke mische er sich nicht ein. Aber natürlich schaue er gelegentlich gern mal bei Proben vorbei. In diesem Jahr ist es mehr: Drei Gruppen – zwei aus der Bühnenzinnober-Kerntruppe, eine Jugendtheater-Gruppe – sind beim Stationentheater zum Bauernkrieg aktiv: Bei der Jugendgruppe führt Boas selbst die Regie.
Wer oder was ihn inspiriere und durch den Schreibprozess begleite, will die Interviewerin wissen. Boas verweist auf die Niederstettener Autorenwerkstatt. Gottlob Haag, Wilhelm Staudacher, Jörg Ehni und Frieder Münz gaben dem noch jungen Autor in den 1990-er Jahren frühe Impulse. Manchmal sei‘s einfach eine zündende Idee: Situationskomik, die sich etwa aus der Vorstellung von Reißnägeln auf einem Stuhl entwickelt. Und Aktuelles natürlich - klar, bei einem Journalisten. Und Gespräche. Die gibt‘s auch schon mal während des Schreibens. Die Familie und der Freundeskreis sind immer für Inspiration gut. Und für die Motivation - sei es durch Worte oder Faxe – ja, sowas gab es früher mal. Diese Motivationsfaxe, originell gestaltet von seiner Frau Sabine, schmücken heute noch sein Büro.
Was kommt als 41. Stück? Da ist er selbst gespannt. Und vielleicht gesellen sich zum Schreiben von Theaterstücken auch eines Tages mal ein Roman oder ein Kinderbuch...
Premiere am Freitag, 27. Juni
Karten für das parallel an drei Stationen spielende Theaterstück „Für die Freiheit entflammt“ (Premiere ist am Freitag, 27. Juni) gibt es nur über die Homepage www.buehnenzinnober.com. Weitere Aufführungen folgen am Samstag und Sonntag (28. und 29. Juni) sowie den beiden folgenden Wochenenden (4., 5., 6. und 11., 12., 13. Juli). Freitags und Samstags beginnt die Aufführung um 19 Uhr, Sonntags bereits um 18 Uhr. Die letzte Vorstellung findet am Freitag, 18. Juli statt.
An welcher Station die Zuschauerinnen und Zuschauer starten, spielt für das Verständnis des Stückes keine Rolle, weil die einzelnen Szenen nicht chronologisch aufgebaut sind . Eine Station spielt im Jahr 1525, eine in der Gegenwart und eine im Jahr 2125.
Zentraler Sammelplatz ist spätestens 45 Minuten vor Spielbeginn die alte Schule Niedersteinach. Von dort werden die Zuschauer zu ihren jeweiligen Start-Stationen geführt.
An der alten Schule stimmt der Projektchor der Gesangvereine Reinsbronn und Bieberehren mit alten Liedern stilecht auf die Theateraufführungen ein. Dort findet auch die Verköstigung statt.
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