Bad Mergentheim. Aufgewachsen ist Jubilar Joachim W. Ilg, jüngster der fünfköpfigen Geschwisterschar, in einem dicht besiedelten Weberdorf-Doppelhaus: Es ging lebendig zu mit den dort lebenden Familien mit insgesamt zwölf Kindern. Klar, dass nicht jedes Kind ein eigenes Zimmer hatte, klar, dass am Badetag warmes Wasser aus dem Waschzuber im Keller in die Zinkbadewanne geschüttet wurde, klar auch, dass der Nachwuchs für kleinere Arbeiten in Haus und Garten eingespannt wurde. Das eigene Gartenbeet gestaltete er zum kleinen Steingarten.
Gemeinsam mit der aus Igersheim stammenden Ehefrau Jutta genießt er heute das viele Grün in der Umgebung, das zu gemeinsamen Spaziergängen einlädt.
Studiert haben beide in Mannheim. Seine Fächer: Germanistik und Politikwissenschaft fürs Höhere Lehramt. Ihr Feld: Soziologie. Das passte perfekt für einen, der schon als Jugendlicher dicke Bücher wälzte: Goethe, Nietzsche und Thomas Mann fallen ihm spontan ein.
Mannheim – damals eine ganz andere Welt als das beschauliche Kurstädtchen im Taubertal: Großstadt! Alte Feuerwache und Free Jazz! Die Haare waren lang, der Geist kritisch, das Referendariat an einer sozialen Brennpunktschule herausfordernd. Da die Gymnasien Kräfte für ganz andere Fächerkombinationen suchten, bewarb sich Ilg erfolgreich auf ein Inserat der Tauber-Zeitung, in dem eine Volontariats-Stelle ausgeschrieben war.
1982 stieg er in den Redaktionsalltag im damals vom Eigentümer und Verleger Albrecht K.-H. Wahl geleiteten Traditionsbetrieb mit seiner über 190-jährigen Geschichte ein. Die Redaktionskonferenzen des Familienbetriebs leitete Wahl selbst. Zu den Aufgaben der damals zwei Redakteure und Volontäre gehörten neben Recherche und Textarbeit auch die Entwicklung der Schwarz-Weiß-Aufnahmen und der Seitenumbruch mit Schere und Klebstoff.
Als Volontär wurde er zum Berichterstatten kreuz und quer durch die Themenfelder des Lokal- und Regionaljournalismus geschickt. Spannend. Und manchmal, er erinnert sich oft langatmiger und bis in den späten Abend dauernder Gemeinderatssitzungen mit schier unendlicher Themenvielfalt, ganz schön hart.
Für bundesweite Schlagzeilen hatte bereits ab 1978 der „Bundschuh“-Widerstand gegen die geplante Daimler-Benz-Teststrecke in Boxberg gesorgt.
Redaktionsleiter Claus Peter Mühleck beschloss, Ilg zum Zuständigen für diesen Bereich zu machen. Der war mitten drin, als unter großem Polizeischutz mit der Rodung des Waldes begonnen werden sollte. Die Polizei ging nicht zimperlich vor, sondern machte, so Ilg, „Jagd auf alles, was keine Uniform anhatte“. Dazu gehörte auch die Presse – eine echte Feuerprobe für den Lokaljournalisten, der die Standpunkte der Bauern ebenso wie die der Stadt, der Gemeinderäte, der Firmenvertreter, der Anwälte und Gerichte zu berücksichtigen hatte.
Auf Boxberg folgte zunächst Creglingen mit den Bürgermeistern Holzwarth und Fifka als Hauptarbeitsgebiet, dann Bad Mergentheim mit seinen Stadtteilen. Vier Kurstadt-Oberbürgermeistern – Mauch, Hülsmann, Barth und zuletzt Udo Glatthaar – hat er als Journalist auf die Finger geschaut. Heiß her ging es oft während der Amtszeiten von Uwe Hülsmann (1995-2003) und Lothar Barth (2003-2011): die Spannungen zwischen Gemeinderat und Verwaltungsspitze sorgten für lokalpolitischen Sprengstoff.
Daneben waren Umstellungen und Neuerungen zu meistern: Computer ersetzten die Schreibmaschinen, Digitalkameras machten die Dunkelkammerarbeit überflüssig, und mit der 2001 zunächst teilweisen, 2008 kompletten Übernahme der Tauber-Zeitung durch die Südwestpresse verlor die 1791 als „Mergentheimer Intelligenzblatt“ gegründete Zeitung ihre Eigenständigkeit. 2015 übernahmen die Fränkischen Nachrichten die Zeitung, mit der sie zuvor im kollegialen Wettbewerb stand.
Einige Festangestellte und freie Mitarbeiter wurden übernommen – für Ilg genau die Gelegenheit, sich als freier Mitarbeiter verstärkt der Bad Mergentheimer Geschichte zu widmen. Entdeckt hatte er diesen Themenbereich bei der Arbeit an seinem 1984 erschienenen neuen Stadtführer „Bad Mergentheim – Bild einer Stadt“. Ilgs knapp 70-seitiger „Streifzug durch Geschichte und Gegenwart“ fußte auf dem ursprünglich 1936 erschienenen und ab 1949 mehrfach überarbeiteten Bändchen „Bad Mergentheim – Führer und Heimatbuch“ von Hans Löschel.
Zum Steckenpferd Geschichte – locker ein dickes Buch ließe sich aus seinen zahlreichen Artikeln dazu machen – gesellen sich Hobbys. Ein Blick in seinen „Malerraum“ lässt staunen: Auf mehreren hundert Bögen in doppelter Plakatgröße hat der Journalist mit breitem, pastosem Pinselstrich abstrakte Farbwelten geschaffen. Schnell und oft in Serie sind sie entstanden, ebenso wie die expressiv-eruptiv gestalteten, mahnenden Schwarz-Weiß-Arbeiten. Auch die kleineren Formate, mit wie vibrierend gestaltetem Strich aufs Papier gebracht, rufen und mahnen nicht leiser, fanden, ebenso wie die großen, bei regionalen Ausstellungen immer wieder Käufer. Inzwischen gehören auch am Computer entstandene Werke zu seinem OEuvre, dazu künstlerisch modellierte Fotoarbeiten, die in teilweise surrealer Verarbeitung den Blick bannen und neu fokussieren.
Im Garten beim Haus am Berg hat er sich ein kleines „Paradies“ angelegt. Beim Tun mit Pflanzschaufel und Gartenschere kommt er „zu sich“, ebenso wie beim Improvisieren auf der Heimorgel.
Die FN-Redaktion gratuliert herzlich und hofft auf noch etliche gemeinsame kreative Jahre.
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