Bad Mergentheim. Oberbürgermeister Udo Glatthaar stellte sich den Fragen unseres Reporters.
Herr Oberbürgermeister, Sie befinden sich in der Mitte Ihrer zweiten Amtszeit, wie fällt Ihre persönliche Halbzeit-Bilanz aus?
Udo Glatthaar: Die vier Jahre sind sehr schnell vorübergegangen. Allein zwei Jahre davon stellte uns die Corona-Pandemie in allen Lebensbereichen vor Probleme und Herausforderungen und schränkte unsere Handlungsmöglichkeiten ein. Corona hat uns Zeit, Lebensqualität, Infrastruktur und letztendlich Wohlstand gekostet – trotzdem haben wir in Bad Mergentheim einiges bewegt und umgesetzt. Aber gerade mit Blick auf die Landesgartenschau ist Zeit verronnen und nun sind die noch bleibenden zehn Jahre zu nutzen, damit 2033 alles baulich fertig sein wird.
Wie starten Sie in die kommenden vier Jahre?
Glatthaar: Die Ärmel bleiben hochgekrempelt, wir geben weiterhin Gas und werden uns auch nicht durch die weltweiten Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine, die steigenden (Bau-)Preise, die Energiekrise und andere Probleme aufhalten lassen. Aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse werden wir uns aber jedes Jahr neu fragen müssen, welche Bauprojekte wir in welchem Umfang realisieren können und wollen. Ich rechne mit Mehrkosten in einzelnen Bereichen, bleibe aber insgesamt verhalten optimistisch.
In Summe sind Sie nun seit zwölf Jahren Oberbürgermeister in Bad Mergentheim. Wie zufrieden sind Sie mit den vergangenen vier Jahren?
Glatthaar: Bad Mergentheim steht insgesamt gut da, auch weil die Kernstadt mit ihren rund 15 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und die Stadtteile mit zusammen knapp 10 000 Menschen eine starke Gemeinschaft bilden. Die Erfolgsformel ist, dass beide Seiten voneinander profitieren. Die Stadt lebt von ihrer Gesamtheit, das ist mir sehr wichtig und daran arbeite ich weiter.
Dass wir durch Corona ausgebremst wurden und jetzt der Krieg weitere negative Konsequenzen hat, macht mich von meinem persönlichen Ehrgeiz her etwas unzufrieden. Aber Bad Mergentheim ist bei all den Herausforderungen auch gut durch die Zeit gekommen. Da möchte ich meiner Rathaus-Mannschaft ein Kompliment machen, wir haben gewaltige Aufgaben gut bewältigt, und eines an den Gemeinderat, weil wichtige Projekte angestoßen werden konnten.
Die Kurstadt wächst weiter und im Kinderbetreuungs- sowie im Bildungsbereich wurden Millionen für eine bessere Versorgung erfolgreich investiert. Ich nenne als einige Stichworte nur die neue Grundschule im Auenland, den Bildungscampus in Edelfingen, den neuen, großen Kindergarten „Maria Hilf“, die Spielwiese Kunterbunt sowie den gerade entstehenden Kindergarten „Pfiffikus“ in der Milchlingstraße. Zudem wurde die Digitalisierung in den Schulen deutlich vorangebracht.
Das Feld „Bildung und Betreuung“ wird auch die nächsten Jahre noch einiges Geld verschlingen, denn die weiterführenden Schulen stehen schon mit eigenen Themen und dringlichen Bedürfnissen in der Warteschlange.
Glatthaar: Das ist richtig und wichtig: Auch in die weiterführenden Schulen wird es Zukunftsinvestitionen geben. Wir haben ein Zwischenziel erreicht, aber es geht in diesem Bereich weiter.
Wir sehen das Wachstum unserer Stadt und leiten daraus ab, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren wahrscheinlich ein weiterer Kindergarten, zusätzliche Ertüchtigungen bestehender Kindergärten und vermutlich auch eine Sanierung oder Neuaufstellung der bisherigen Grundschul-Standorte gebraucht werden. Bauaktivitäten leiten sich aber neben der Zunahme der Schülerzahlen vor allem auch aus heute notwendigen, individuellen Betreuungsangeboten ab sowie von Umweltstandards, die wir erreichen sollen und wollen.
Wo wollen Sie noch Akzente setzen? Wie viel Halt gibt die Landesgartenschau 2034?
Glatthaar: Durch die Landesgartenschau haben wir uns einen roten Faden definiert. Das hilft uns. Wir sind nun mitten in einer strukturierten Stadtentwicklung und haben glücklicherweise mit der Stadtsanierung und großzügigen Fördermitteln viele Chancen vor uns. Deshalb ist der strategische Blick der Verwaltung optimistischer, auch bei aktuellen Themen, die von Teilen der Bürgerschaft kritisch gesehen werden.
Bei allen Fragen, die wichtig sind, ist meiner Ansicht nach das größte Thema für unser Land und unsere Stadt in den nächsten Jahren: Wie schaffen wir genügend Wohnraum? Die Kurstadt ist attraktiv und freut sich seit zehn Jahren über eine stetig wachsende Bevölkerung, ebenso über eine Zunahme von zum Beispiel Saisonkräften. Es braucht also Wohnraum für alle Geldbeutel-Größen.
Soll die Stadt mit einer eigenen Wohnbaufördergesellschaft tätig werden oder sollen weiterhin allein private Investoren, vielleicht unterstützt mit Fördergeldern, Wohnraum schaffen?
Glatthaar: Rückblickend gesehen hätte die Stadt vielleicht schon früher in eine eigene strukturierte Wohnbaupolitik einsteigen sollen, anstatt das Feld nur allein privaten Investoren zu überlassen, die es ja zum Glück immer auch in spürbarem Maße gab.
Jetzt bieten sich neue Chancen, weil Bund und Land mit massiven Förderprogrammen den Wohnbau vorantreiben müssen und wollen. Hier tut sich auch eine Chance für die Stadt Bad Mergentheim auf. Grundsätzlich bin ich dafür, eine Wohnbaufördergesellschaft zu gründen, weiß aber auch, dass das nur Sinn macht, wenn man bereit ist, die entsprechenden Gelder dafür einzusetzen. Derzeit wichtiger ist es, Bauaktivitäten in Gang zu setzen.
Im Moment versuchen wir einen Zwischenschritt, in dem wir über das Bauamt und das Liegenschaftsamt nach eigenen Grundstücken schauen, die wir für eine Bebauung durch Investierende zur Schaffung von (sozialem) Wohnraum zum Beispiel günstiger zur Verfügung stellen. Wir wollen insgesamt eine städtebauliche Nachverdichtung erreichen und die Entwicklung des ehemaligen Sägewerk-Areals (an den Bahngleisen) und die Zukunftsstadt Auenland (im Anschluss an das Weberdorf) voranbringen.
Skizzieren Sie bitte kurz die nächsten großen Schritte auf dem Weg zur Landesgartenschau. Wird es bald bessere barrierefreie Fußwege durch die Stadt, über den Marktplatz bis hinauf zum Schloss geben? Kommt der Stadtstrand an der Tauber oder am Wachbach?
Glatthaar: Alle Projekte, die wir in der Machbarkeitsstudie definiert haben und aktuell im Rahmenplan strukturieren, sind aus meiner Sicht umsetzungsfähig. Die Bürger sind von Anfang an intensiv eingebunden, ihre Ideen und Meinungen einzubringen. Es freut mich, dass gerade erst 60 Personen an unseren spannenden Ketterberg-Spaziergängen teilgenommen haben.
Es sollte gelingen, auch Burgstraße und Marktplatz in den nächsten zehn Jahren zu sanieren. Deshalb waren die „Altstadt-Plätze“ ein Schwerpunkt bei der Bürgerwerkstatt im Januar. Auch der Stadtstrand soll kommen, an zwei Stellen unterschiedlich ausgestaltet: einmal zwischen Mühlkanal und Tauber, mit Fischtreppe, Hochwasserschutzmaßnahmen zur Ruhe und Erholung – und einmal mit Bewirtung und Unterhaltung als urbaner Treff auch für Jugendliche an den Wachbach-Terrassen. Der Waldbogen am Ketterberg ist ein weiteres Thema, das dieses Jahr mit dem Studierenden-Projekt einen starken Aufschlag hatte.
Es gab einmal den Gedanken, die Menschen mit einer Seilbahn auf den Berg zu transportieren. Gibt es diese Idee noch oder ist sie längst vom Tisch?
Glatthaar: Die Seilbahn ist nicht vom Tisch, aber wir haben sie als ein Investorenprojekt eingestuft, das zusätzlich zur Attraktivierung und Instandsetzung des Naturraums entstehen kann. Ich würde die Idee gerne realisieren, mal schauen wie weit die Technik in fünf bis sieben Jahren ist und ob sich jemand der Sache annimmt. Klar ist aber: Wir ertüchtigen neben Trockenmauern die Zickzack-Wege auf den Berg hinauf und bauen diese aus, auch um den neuen Weinberg gut einzubinden. Und das autonome Busfahren Richtung Löffelstelzen ist heute genauso noch denkbar wie andere Überlegungen zur Mobilität der Zukunft.
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