Nach Urteil am Amtsgericht Bad Mergentheim

Bad Mergentheim: Landrat fordert rechtliche Schritte

Nachdem ein Lehrer vom Amtsgericht Bad Mergentheim wegen sexueller Belästigung und Nötigung in erster Instanz verurteilt wurde, fordert nun Landrat Christoph Schauder, dass Konsequenzen aus dem Fall gezogen werden.

Von 
Klaus T. Mende und Simon Retzbach
Lesedauer: 
Nach dem Urteil gegen den Bad Mergentheimer Pädagogen fordert Landrat Christoph Schauder, „disziplinarrechtliche Schritte unverzüglich einzuleiten“. © DPA

Main-Tauber-Kreis/Bad Mergentheim. Ein Lehrer der Kaufmännischen Schule Bad Mergentheim ist am Dienstag vom Amtsgericht Bad Mergentheim wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung und Nötigung zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt worden. Der Fall erfährt auch deswegen viel gesellschaftliche Beachtung, weil der Mann als Person des öffentlichen Lebens in der Region einen gewissen Bekanntheitsgrad hat und bis zuletzt zahlreiche Ehrenämter besetzt hatte. Nach FN-Informationen haben die Gremien diverser Vereine und Institutionen rasch gehandelt und dem Mann ob der Schwere der Anschuldigungen geraten, seine Posten umgehend zur Verfügung zu stellen. Und dies soll noch am Mittwochabend erfolgt sein. Nachdem der Pädagoge noch am Mittwoch zum Unterricht erschienen war, scheint er inzwischen auch freigestellt.

Dienstpflichtverletzung liegt vor

„Wie Sie wissen, kann das Kultusministerium zu Verfahren bei Einzelpersonen keine Auskunft geben. Abstrakt kann ich Ihnen den formalen Vorgang im Umgang mit Fällen von sexueller Gewalt aber schildern“, beantwortet Jochen Schönmann, Pressesprecher der Stuttgarter Behörde, eine Anfrage unserer Zeitung. Demzufolge stelle ein sexualisierter Übergriff im beamtenrechtlichen Sinne eine Dienstpflichtverletzung dar. Es könne je nach den Umständen des Einzelfalls auch eine schwerwiegende Straftat sein. „Die Schulen wenden sich in diesen Fällen an das Regierungspräsidium. Bei den weiteren Maßnahmen kommt es auf den Einzelfall an. Als Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht: Missbilligung, Verweis, Geldbuße, Gehaltskürzung, Entfernung aus dem Dienst, Kürzung des Ruhegehalts, Aberkennung des Ruhegehalts, Suspendierung und eine Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge.“

Schulen stünden zur Beratung erfahrene Fachkräfte zur Verfügung. Wenn Strafanzeige gegen eine Lehrkraft erhoben wird, komme es für die Frage, ob ein sachgleiches Disziplinarverfahren eingeleitet werde, ebenfalls auf die Umstände des Einzelfalls und besonders auf den Grad des Verdachts eines Dienstvergehens an. „Besteht ein hinreichender Verdacht eines Dienstvergehens, ist die Disziplinarbehörde aufgrund des Legalitätsprinzips verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten“, sagt Schönmann weiter.

Mehr zum Thema

Prozess am Amtsgericht

Bad Mergentheim: Lehrer wegen sexueller Belästigung verurteilt

Veröffentlicht
Von
Simon Retzbach
Mehr erfahren

Kommentar Bad Mergentheim: Nicht wegschauen

Veröffentlicht
Kommentar von
Klaus T. Mende
Mehr erfahren
Schülerinnen sexuell belästigt

Lehrer von Schule in Bad Mergentheim verurteilt

Veröffentlicht
Von
Simon Retzbach
Mehr erfahren

Das Disziplinarverfahren könne im Falle eines Strafverfahrens ausgesetzt werden und bis zur endgültigen Entscheidung im Strafverfahren ruhen. Hintergrund dieser Vorgehensweise sei, dass – sollte es im Strafverfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen – die Feststellungen des Strafgerichts für das Disziplinarverfahren in der Regel bindend seien. „Vorläufige Maßnahmen wie zum Beispiel eine Suspendierung oder eine vorläufige Einbehaltung eines Teils der Bezüge des betroffenen Beamten sind bei schwerwiegenden Dienstvergehen auch bei einer Aussetzung des Disziplinarverfahrens aufgrund eines sachgleichen Strafverfahrens möglich“, meint der Ministeriumssprecher.

Christoph Schauder, Landrat des Main-Tauber-Kreises, der Träger der Bad Mergentheimer Bildungseinrichtung ist, zeigt sich schockiert über die Geschehnisse. „Ich habe am Mittwoch aufgrund der Presseberichterstattung von den Vorwürfen, dem Gerichtsverfahren und dem Urteil des Amtsgerichts Bad Mergentheim erfahren und bin darüber zutiefst schockiert“, so Schauder. „Ich begrüße es, dass hier zwei Lehrkräfte den Mut gefunden haben, Anzeige zu erstatten und damit Ermittlungen ins Rollen zu bringen. Bei sexueller Belästigung und Nötigung, um die es hier offenbar vorwiegend geht, gilt für mich ganz klar ,null Toleranz’.“ Dies gelte für ihn, betont der Landrat weiter, umso mehr in einer Schule, die Schutzraum für alle Schüler sein müsse.

Großes Vertrauen in Justiz

„Ich habe größtes Vertrauen in die Justiz, dass alle Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden. An das Land Baden-Württemberg als Dienstherr des verurteilten Lehrers habe ich die klare Erwartungshaltung, dass die notwendigen disziplinarrechtlichen Schritte, sofern noch nicht geschehen, unverzüglich eingeleitet und umgesetzt werden“, findet Christoph Schauder deutliche Worte.

Für Jana Kohlberg, Kreisvorsitzende Main-Tauber/Hohenlohe der Gewerkschaft Erziehung, Bildung und Wissenschaft (GEW), ist wichtig, dass „betroffene Schüler jede Unterstützung bekommen, die sie benötigen – zum Beispiel auch durch Beratungslehrkräfte, Schulsozialarbeit, Schulpsychologie und Profis außerhalb der Schule“.

„Wir gehen davon aus, dass solche Fälle zum Glück extrem selten vorkommen – es gibt 130 000 Lehrkräfte im Land – und es unter pädagogischen Profis eine hohe Professionalität gibt zum Thema Umgang mit sexueller Belästigung. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Schutzkonzepte an den Schulen“, so Kolberg weiter. An den Schulen gebe es Präventionsangebote – und diese sollten weiter ausgebaut werden. „Als Bildungsgewerkschaft fordert die GEW, dass es mehr Stellen für Schulsozialarbeit und Schulpsychologie an den Schulen gibt.“

„Sie dürfen davon ausgehen, dass auch in diesem Fall umfangreiche Prüfungen der Meldungen erfolgt sind. Wenn dem RP das Urteil des Amtsgerichts vorliegt, wird zu prüfen sein, ob sich daraus weitere Maßnahmen ergeben“, lässt Janina Dinkelaker, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart, wissen.

Die Fränkischen Nachrichten wollten auch den schweren Vorwürfen gegen die Leitung der Kaufmännischen Schule Bad Mergentheim nachgehen, die im Rahmen der Zeugenaussage der Lehrerkollegen geäußert wurden. Seit wann waren die Vorwürfe der Schulleitung bekannt? Welche Schritte unternahm sie zur Aufklärung des Sachverhalts und zum Schutz der Schüler? Gab es tatsächlich Wechsel von jungen Schülerinnen aus Sportkursen des Lehrers? Die Schulleitung stand für ein Gespräch bis Redaktionsschluss jedoch nicht zur Verfügung. Falls es hier noch neue Informationen gibt, wird die FN gesondert berichten.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

Redaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke