Berufungsprozess

Bad Mergentheim: Landgericht spricht Urteil in Belästigungsprozess

Sexuelle Belästigung und Nötigung – diese Vorwürfe standen gegen einen Lehrer im Raum. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Mergentheim legte er Berufung ein – und erzielte trotz Verurteilung einen Teilerfolg

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Simon Retzbach
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Der Lehrer einer weiterführenden Schule in Bad Mergentheim wurde auch vor dem Landgericht Ellwangen verurteilt. © dpa

Bad Mergentheim/Ellwangen. Mit dem Urteil des Landgerichts Ellwangen fand eine ausführliche Berufungsverhandlung ein Ende. Unterm Strich steht eine Geldstrafe von knapp 20 000 Euro, die der 64-Jährige wegen sexueller Belästigung und Nötigung zahlen muss.

Zahlreiche Zeugen sagten bereits am ersten Verhandlungstag Anfang November aus. Auch am zweiten und zugleich finalen Verhandlungstag wurden noch mehrere Zeugen zu den Vorwürfen (und darüber hinaus) gehört.

Hierbei besonders interessant die Aussage des Schulleiters der weiterführenden Schule, an welcher der Angeklagte unterrichtete. Denn neben den konkreten Anschuldigungen ging es auch um den hintergründig mitschwingenden Vorwurf (so nahm es der Rektor zumindest wahr), seitens der Schulleitung sei nicht auf die Beschwerden reagiert worden.

Rektor der Schule äußert sich zu Vorwürfen

Dies verneinte der Rektor vor Gericht nachdrücklich. Auf Schülerbeschwerden und schriftliche Protokolle habe er insofern reagiert, als dass er diese „sofort und lückenlos“ an das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart weitergeleitet habe. Denn: „Ich habe als Schulleiter dienstrechtlich keine Handhabe.“ Das RP habe dann auch entsprechend reagiert und dem Lehrer nach Bekanntwerden eine sogenannte Pflichtenmahnung und Auflagen zukommen lassen. Darin wurde er aufgefordert, bestimmte Aussagen gegenüber Schülern zu unterlassen.

Nach dem ersten Urteil des Amtsgerichts Bad Mergentheim im März 2024 bekam der Angeklagte vom RP dann das „Verbot zur Führung der Dienstgeschäfte“ ausgesprochen und durfte demnach nicht weiter unterrichten. Schon zuvor habe man den Lehrer „als organisatorische Maßnahme“ keinen Sportunterricht für Mädchen mehr geben lassen.

Der Sachverhalt und insbesondere die Berichterstattung seit Bekanntwerden der Vorwürfe belasten den Schulleiter spürbar. „Ich bin entsetzt über die Behauptung, ich hätte nicht reagiert“, wehrte er sich. Und weiter: „Das Gefühl, ich hätte Kollegen mit der Sache alleingelassen, ist totaler Quatsch. Die Schüler sind mir super wichtig und ich habe immer persönliche Hilfe und Unterstützung angeboten.“

Verteidigung sieht „dünne“ Beweislage

Doch zurück zu den konkreten Anschuldigungen: Insbesondere die Androhung einer schlechten Note, die als besonders schwere Nötigung vor Gericht verhandelt wurde, geht laut dem Schulleiter „gar nicht“. „Ein ausgebildeter Pädagoge muss andere Möglichkeiten zum Mitmachen der Schüler finden. Das Vertrauensspiel soll Freude vermitteln“, fand er. Der Rektor hielt das Schenkelsitzen als Spiel jedoch grundsätzlich für unangemessen. „Man muss heutzutage viel mehr auf Distanz achten“, befand er. Auch ein mit dem Angeklagten bekannter Sportlehrer kennt das Spiel zwar und führt es durch, ist als Lehrer dabei aber „in einer Beobachterrolle“.

In den abschließenden Plädoyers sah Verteidigerin Anne Patsch eine „sehr dünne Beweislage“ für den Schlag auf den Hintern einer Schülerin, die als sexuelle Belästigung verhandelt wurde. „Mein Mandant ist anders als die meisten Kollegen. Manche finden das gut, manche nicht. Wenn es dann zu Zwistigkeiten im Kollegium kommt, landet es vor Gericht“, erklärte sich die Verteidigerin den Grund für die Anklage gegen den Mann. Sie spielte dabei auf die Aussage des Rektors an, der einen solchen Konflikt zwischen einer Lehrerin und dem Angeklagten wahrgenommen haben will.

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„Viele Gerüchte“ würden dafür sorgen, dass man dem Lehrer solche Dinge zutraue. Für erwiesen hält sie den Schlag auf den Po jedoch nicht. Das Vertrauensspiel wiederum „lebt von Kontakt“. „Da war keine sexuelle Komponente dabei“, sagte sie mit Blick auf die Nebenklägerinnen, die genau deshalb wegen sexueller Belästigung im zweiten Fall geklagt hatten. Die Androhung einer schlechteren Note sei „nur so dahingesagt“ und für Schüler erkennbar nicht ernst gemeint. Dass ein Schüler mit Verweis auf seine Religion nicht mitmachen wollte, wie von diesem ausgesagt, sei auch durch die anderslautende Aussage einer Mitschülerin nicht feststellbar. Daher forderte sie insgesamt einen Freispruch für den Angeklagten.

Als „distanz- und geschmacklos“ bezeichnete Staatsanwalt Johannes Heth das Vorgehen des Lehrers. „Nein sagen steht einem da zu“, machte er mit Blick auf das Vertrauensspiel Schenkelsitzen deutlich. Durch das Bestehen auf engem Körperkontakt zwischen ihm und zwei jungen Mädchen sei es „kein harmloses Kennenlernspiel“ mehr. Er forderte die Aufrechterhaltung des Urteils aus erster Instanz: Neun Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, sowie eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts. Die Nebenklägerinnen forderten zudem jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1000 Euro.

Keine sexuelle Belästigung bei Vertrauensspiel

Richter Martin Honold verwarf die Berufung des Mannes letztlich und verurteilte ihn wegen Nötigung und sexueller Belästigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 145 Euro, insgesamt knapp 17 500 Euro. Er sah den Schlag auf den Hintern in der Skifreizeit als ebenso bestätigt wie die Nötigung im Vertrauensspiel durch die Notendrohung.

Eine sexuelle Belästigung der Nebenklägerinnen im Rahmen des Spiels verneinte er aufgrund des Kontexts der Spielsituation jedoch – und damit auch den Anspruch der Frauen auf Schmerzensgeld. Auch wurde aus der besonders schweren Nötigung letztlich ein ’normaler’ Fall der Nötigung, da mildernde Gründe wie die erheblichen gesundheitlichen und möglichen beruflichen Folgen des Verurteilten zu berücksichtigen seien. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Prozessparteien können noch in Revision gehen.

Redaktion

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