Bad Mergentheim/Main-Tauber-Kreis. Als Zentral- und Schwerpunktversorger ist das Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim für viele Menschen in der Region Main-Tauber, aber auch weit darüber hinaus eine wichtige Anlaufstelle. Hier werden Notfälle versorgt, Krankheiten behandelt und viele notwendige Operationen durchgeführt. Die FN-Redaktion sprach mit Thomas Wigant, Regionalleiter der BBT-Gruppe (Barmherzige Brüder Trier), und dem Kaufmännischen Direktor, Matthias Kaufmann, über das „Caritas“, die hohen Belastungen für die Belegschaft, die drohende Überlastung des Gesundheitssystems, Finanzierungslücken und die „Revolutionspläne“ von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Die Corona-Pandemie, die Grippewelle und nun auch das RS Virus halten die Krankenhäuser auf Trab. Wie ist die Lage im Caritas-Krankenhaus?
Matthias Kaufmann: Wir haben hier über 1200 Covid-19-Patienten seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 stationär versorgt. Das ist eine große Leistung. Aktuell spielen die Covid-19-Fälle keine so große Rolle mehr. Es sind jetzt im Durchschnitt etwa acht Patienten am Tag und glücklicherweise keine 30 mehr. Dafür gibt es neue Herausforderungen.
Thomas Wigant: Vor allem das RS-Virus ist zurzeit für viele schwere Infektionen verantwortlich. Laut unserem Chefarzt in der Kinderklinik müssen wir täglich etwa fünf Kinder stationär aufnehmen und intensivmedizinisch versorgen. Wegschicken müssen wir aber zum Glück niemanden, wenngleich die Belastung für alle hoch ist.
Ein Skandal ist es jedoch, dass die Kapazitäten der Kinderkliniken bundesweit so stark heruntergefahren wurden, dass selbst aus dem bayerischen Grenzgebiet im Norden unseres Landkreises noch Familien mit kleinen Patienten zu uns kommen und dafür 100 Kilometer Anfahrt auf sich nehmen.
Die deutschlandweite Krankheitswelle spüren wir auch im Caritas-Krankenhaus bei den eigenen Mitarbeitern. Es gab bereits Tage in diesem Jahr, an denen 65 erkrankte Mitarbeiter im Pflege- und Funktionsbereichen und zusätzlich 20 Erkrankte im ärztlichen Dienst gleichzeitig zu verkraften waren.
Wo steht das Caritas heute? Was zeichnet es aus?
Kaufmann: Wir befinden uns mitten in einer schwierigen Zeit mit großen Herausforderungen und komplexen Rahmenbedingungen. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Lieferkettenprobleme und einiges mehr belasten die Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen. Trotzdem sind wir für die Menschen in der Region da. Man kann sich auf uns verlassen. Wir sichern die medizinisch-pflegerische Versorgung in allen Fachbereichen an 365 Tagen im Jahr und haben in den vergangenen Jahren unser Leistungsspektrum weiter ausgebaut.
Wir bieten exzellente medizinische und pflegerische Qualität und bekommen dies auch immer wieder durch Auszeichnungen bestätigt, zuletzt durch die Deutsche Krebsgesellschaft und durch die Langzeitstudie des wissenschaftlichen Instituts der AOK. Wir kämpfen aber ebenso wie viele Kliniken mit den immer schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen.
Wigant: Ich bin jetzt seit 16 Jahren in verantwortlicher Position vor Ort und kann dankbar sagen, das Caritas-Krankenhaus hat auch weiterhin eine große Bedeutung weit über Bad Mergentheim hinaus. Zwischen Heilbronn und Würzburg sind wir ein wichtiger Schwerpunktversorger. Die Kolleginnen und Kollegen sind erschöpft, von den vielen Krankheitswellen und der Pandemie, aber uns zeichnet auch aus, dass die Versorgung der Patienten gewährleistet ist, weil unsere Mitarbeiter bis an und über ihre Grenzen hinaus gehen – klar ist jedoch auch, dass kann so nicht weitergehen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat kürzlich die Revolution im Krankenhauswesen ausgerufen und verkündet: „Billig und Masse, das müsse weg!“
Kaufmann: Dazu sehe ich zwei Aspekte: Wir brauchen akute Unterstützung! Dass was Herr Lauterbach jetzt mit seiner Reformkommission an Plänen vorgestellt hat, wird ja nicht die nächsten ein bis zwei Jahre schon greifen. Es muss schon jetzt etwas passieren.
Zudem besteht das Problem, dass die Finanzierung des Krankenhauswesens nicht auskömmlich ist. Mit einer reinen Umverteilung ist es somit nicht getan. Und dann gibt es noch die ausufernde Bürokratie. Nur ein Beispiel: Vor 18 Jahren wurden die Fallpauschalen eingeführt. Damals waren es 650, heute sind es über 1200 – die Politik schafft es, alles immer noch komplizierter zu machen. Bei jeder „Reform“ sollte es darum gehen, wie Krankenhäuser mit ihrer Daseinsfürsorge ausreichend finanziert und die Last von den Mitarbeitenden in den Akutkliniken genommen werden kann.
Minister Lauterbach möchte die Fallpauschalen zurückdrängen und Vorhalteleistungen belohnen. Ist das ein Weg aus der Kostenfalle für die Klinikbetreiber?
Kaufmann: Es gilt auch das Unternehmer-Risiko für die Träger der Kliniken zu senken, denn wir Tun absolut Gutes und übernehmen mit unseren Krankenhäusern einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In der Öffentlichkeit müssen wir immer wieder als Bittsteller auftreten, weil die Einnahmen durch die Fallpauschalen bislang planwirtschaftlich festgelegt sind, während bei den Ausgaben die Mechanismen des Marktes greifen. Wir sind mit Kostensteigerungen, bei Energie, Material, Lebensmitteln und Personal, konfrontiert. Die Inflation liegt bei rund zehn Prozent. Bei den Fallpauschalen wurden dieses Jahr jedoch nur 2,5 Prozent Steigerung bewilligt. Kurzum: Die Einnahmen sind gedeckelt und auf der Ausgabenseite lässt man die Akutkrankenhäuser alleine!
Es fehlt also an kurzfristiger Hilfe aus Berlin? Es fehlt zudem grundsätzlich Geld im System? Und die Bürokratie erdrückt die Mitarbeiter im Gesundheitswesen?
Kaufmann: Ja, so ist es. Mehr Geld im System ist eine Forderung, aber diskutiert wird auch, wie wir in Deutschland in der Fläche mit Krankenhäusern aufgestellt sind und ob es nicht weniger Kliniken sein müssten. Gerade auch im Hinblick auf das fehlende Personal muss neu gedacht werden, um die Versorgung langfristig sicherzustellen.
Wigant: Es wäre tatsächlich eine Revolution, wenn die Finanzierung des Krankenhauswesens grundsätzlich geändert würde. Dabei muss aber auch der ländliche Raum profitieren und nicht nur die Ballungszentren. Die nun angedachte Vorhaltepauschale stärkt die wohnortnahe Versorgung und damit auch das Caritas.
Jeder Ansatz das System besser zu machen, ist begrüßenswert. Aber die Pläne von Herrn Lauterbach helfen uns eben nicht kurzfristig, denn jetzt stehen die Patienten da und wollen versorgt werden. Die Mitarbeiter erwarten zu Recht ein gutes Arbeitsumfeld und verlässliche Dienstpläne – das treibt uns akut um. Der politische Prozess kommt oft zu spät.
Trotz vieler Schwierigkeiten auch in den vergangenen Jahren ist es dem Caritas immer wieder gelungen, am Ende doch schwarze Zahlen zu schreiben. Wie sieht das 2022 und im nächsten Jahr aus?
Kaufmann: Aktuell machen knapp 70 Prozent der Kliniken in Deutschland Verluste. Wir haben 2021 eine schwarze Null geschrieben und schaffen dies voraussichtlich auch 2022. Für 2023 haben wir uns das ebenfalls vorgenommen. Die Rahmenbedingungen sind wie erwähnt aber sehr schwierig, wir bleiben dennoch optimistisch unsere Ziele zu erreichen, da wir auch von höheren Patientenzahlen im kommenden Jahr ausgehen und unsere Versorgungskapazitäten wieder erweitern.
Was bringt das Krankenhaus-Zukunftsgesetz (KHZG) mit sich und wie weit ist die Digitalisierung im Caritas vorangeschritten?
Kaufmann: Das KHZG ist ein Programm des Bundes und soll die Digitalisierung weiter voranbringen. Es geht um Transformation, um die digitale Patientenakte oder ein Patientenportal, bei dem man sich von zu Hause schon anmelden und Daten eingeben kann, Aufklärung erhält, die Medikamentenversorgung abgeglichen wird, sprich um eine bessere Vernetzung und die Bereitstellung aller behandlungsrelevanter Informationen. Rund 4,5 Millionen Euro haben wir allein im Caritas für weitere Schritte beantragt. Aber wir haben noch keine Förderzusage. Wir rechnen damit im ersten Quartal 2023.
Wigant: Es geht um grundlegende Prozessveränderungen, gerade auch für unsere Mitarbeiter. Sie sollen dadurch entlastet werden und es soll wieder mehr Zeit für die Patienten am Bett da sein.
Bauprojekte stehen auch auf der Agenda rund um das Caritas und den Gesundheitscampus. Zuletzt wurde das neue Logistikzentrum samt neuer Krankenhausapotheke und Speziallabor eingeweiht. Was kommt als nächstes?
Kaufmann: Zwölf Millionen Euro wurden in das neue Logistikzentrum investiert. Mitte Januar ist ein Fördergespräch mit dem Land angesetzt, dann werden wir die genaue Fördersumme erfahren. Inzwischen ist auch der Antrag für die neue Zentrale Notaufnahme gestellt. Wir hoffen auf einen Bescheid vom Land bis Mitte 2023. Ewa acht Millionen Euro sind hier an Investitionen geplant. Wir wollen so bald wie möglich starten, können aber nicht noch einmal in finanzielle Vorleistung gehen wie beim Logistikzentrum.
Wigant: Wir wünschen uns vom Land Baden-Württemberg ein höheres Maß an Flexibilität, um Planungssicherheit zu erhalten.
Wie geht es auf der erworbenen Freifläche an der Buchener Straße weiter? Der Gemeinderat hat Ende September den Weg für einen Bebauungsplan freigemacht.
Kaufmann: Wir haben jetzt eine Raumbedarfsplanung vorgenommen für die Bereiche Bildungscampus, den Neubau der Pflegefachschule und die Schule für Physiotherapie, das Ärztehaus mit vier bis sechs Einheiten und das große Wohnheim mit 120 Appartements. Insgesamt geht es um etwa 8000 Quadratmeter umbauten Raum. Dazu kommt noch ein neues Parkhaus mit 600 Stellplätzen.
Bis zum zweiten Halbjahr 2023 wollen wir mit der Projektierung vorankommen und dann mit externen Partnern schauen, wo die Reise hingeht. Ab spätestens 2025 soll die Umsetzungsphase starten. Priorität hat sicher die Parksituation, da müssen wir zeitnah vorwärtskommen.
Wigant: Mit Hilfe von Bund und Land würden wir gerne schneller vorankommen. Es geht um eine höhere zweistellige Millionen-Investition. Wir bauen die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Bad Mergentheim und der Region und erweitern dazu unseren Campus vor Ort.
Info: Der Fachkräftemangel, die Impfpflicht und weitere Personalangelegenheiten sind in einem extra Artikel Thema.
Holding und „Caritas“
Das Caritas-Krankenhaus gehört zur Gesundheitsholding Tauberfranken. Die Holding hat insgesamt rund 2200 Mitarbeitende und kümmert sich in zwei Krankenhäusern (Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim), drei Seniorenzentren, drei Berufsschulen, vier Medizinischen Versorgungszentren und einer Physiotherapiepraxis um die medizinische und pflegerische Versorgung der Menschen in der Region.
Die 2012 gegründete Holding wird von drei Gesellschaftern getragen: dem Barmherzige Brüder Trier e.V. (BBT-Gruppe) mit 51 Prozent, dem Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit 29 Prozent und dem Main-Tauber-Kreis mit 20 Prozent.
Seit Mitte 2018 ist die BBT-Gruppe auch Mehrheitsgesellschafter der Hohenloher Krankenhaus gGmbH mit dem Hohenloher Krankenhaus Öhringen und sieben Seniorenzentren im Hohenlohekreis.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-krankenhaus-mitarbeiter-sind-erschoepft-_arid,2034594.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html