Bad Mergentheim. Vier oder fünf Windkraftanlagen auf der Höhe zwischen Neunkirchen, Althausen und Stuppach, oberhalb der B 19? Diese Frage beschäftigte den Gemeinderat am Donnerstag in einer hitzigen und intensiven Debatte.
Es ging vor allem um die fünfte Anlage und darum, ob sie auf einem Grundstück der Stadt stehen könne, das mit Hilfe eines Grundstücksnutzungsvertrages dem Stadtwerk Tauberfranken überlassen werden sollte. Der CDU-Fraktionschef übte heftige Kritik am Oberbürgermeister, weil ein Grundsatzbeschluss des Gremiums vom vergangenen Dezember einfach ignoriert werde. Nach einer Kampfabstimmung sagte eine Mehrheit Nein zum fünften Windrad auf städtischer Fläche. Eigentlich will man gar keine neuen Windkraftanlagen im Stadtgebiet haben. Doch die überregionalen, politischen Vorzeichen stehen für diese grundsätzlich ablehnende Haltung eher ungünstig.
Gegen neue Vorranggebiete im Stadtgebiet
Ein kurzer Blick zurück: Im Dezember 2024 beschloss der Gemeinderat mit 27:7-Stimmen, dass man sich klar gegen „neue Vorranggebiete Wind“ im Bereich Bad Mergentheim, genauer gesagt bei Dainbach, Althausen, Wachbach und Herbsthausen, ausspricht. Nur Grüne, SPD und OB Udo Glatthaar wandten sich damals gegen diese Position, die CDU, Pro MGH, die Freien Wähler und die FDP vertraten.
Am Donnerstagabend teilte nun die Stadtverwaltung mit, unterstützt von Paul Gehrig, dem Geschäftsführer des Stadtwerks Tauberfranken, dass der Regionalverband Heilbronn-Franken im Herbst weitere Wind-Vorranggebiete in seinem Zuständigkeitsbereich beschließen wolle, um die Ausbauziele der Bundes- und Landesregierung zu erfüllen. Auf der Höhe zwischen Neunkirchen, Althausen und Stuppach/Lillstadt liege „ein potenzielles Vorranggebiet“, bei dem die EnBW bereits eine Flächensicherung vorgenommen habe, um dort vier Windkraftanlagen erstellen zu können. Es läge nun das Angebot auf dem Tisch, eine fünfte Anlage mit zu realisieren, die auf einem städtischen Areal dort oben stehen würde und nachher in einer gemeinsamen Gesellschaft von EnBW und Stadtwerk Tauberfranken betrieben würde. Mindestpachteinnahmen von rund 100.000 Euro für die gebeutelte Stadtkasse stünden pro Jahr in Aussicht, zuzüglich einer Erlösbeteiligung. Laut Gehrig gebe es nur jetzt die Chance, in das Gesamtprojekt mit einzusteigen, später nicht mehr.
OB verteidigt sich gegen Angriffe
OB Glatthaar verteidigte sich gegen den CDU-Vorwurf, das Thema trotz Grundsatzbeschluss vom Dezember überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Er wollte dafür eine separate Entscheidung des Gremiums haben, denn die Stadt könnte hier finanziell profitieren.
„Umzingelt von Windrädern“
Neunkirchens Ortsvorsteher Torsten Frank erklärte, dass man lange im Ortschaftsrat über das Projekt diskutiert habe und sich am Schluss eine Ratsmehrheit dafür aussprach. Ganz anders die Situation in Althausen: Ortsvorsteher Oliver Adelmann berichtete von einer zuerst einstimmigen Ablehnung und bei einem zweiten Votum von einer knappen Ablehnung des Vorhabens in seinem Ortschaftsrat. Man fühle sich dann umzingelt, wenn nach Bobstadt und Dainbach/Üttingshof nun auch noch Windräder auf der Höhe gen Neunkirchen platziert würden. Stuppachs Ortsvorsteher Erwin Landwehr führte an, dass Lustbronn und Lillstadt massiv betroffen wären und weil man das nicht für die Bürger wolle, habe man im Ortschaftsrat einstimmig Nein zum Vorhaben gesagt.
Jordan Murphy (SPD) eröffnete die Debatte der Stadträte mit der Aussage, dass die Vorranggebiete „Wind“ trotz aller Widerstände aus Bad Mergentheim wohl kommen werden. Sie seien bundes- und landespolitisch gewollt. Dann sollte man vor Ort auch finanziell profitieren. Rainer Moritz (Grüne) blies ins selbe Horn: 100.000 Euro pro Jahr würden dem Haushalt guttun. Die Grünen seien dafür.
Gemeinderat in Kürze
Wo sind die „Blindenstreifen“? Kurz vor 23 Uhr entschied sich der Gemeinderat am vergangenen Donnerstagabend, auch noch den Punkt „Verschiedenes“ schnell durchzuziehen: Dabei verlangte Dr. Klaus Hofmann (Freie Wähler) eine Erklärung, warum die zugesagten „Blindenstreifen“ (Markierungen auf dem Boden) bislang am neuen Gänsmarkt nicht umgesetzt seien. Stadtbaudirektor Bernd Straub versprach ihm dazu, in den nächsten Tagen eine schriftliche Antwort. Die FN erfuhren vom städtischen Pressesprecher Carsten Müller am Freitag: „Das Aufbringen des taktilen Leitsystems für Sehbehinderte gehört zu den noch ausstehenden Restarbeiten am neuen Gänsmarkt. Bis Mittwoch, 2. Juli, läuft die Frist für entsprechende Anbieter zur Abgabe von Angeboten. Diese werden im Anschluss umgehend vom Stadtbauamt geprüft, damit eine zeitnahe Vergabe stattfinden kann.“
„BBV-Fiasko“: Im Anschluss forderte noch CDU-Stadtrat Hariolf Scherer, dass „BBV-Fiasko im Landkreis“, das den versprochenen Glasfaserausbau bis in alle Orte nach Jahren des Wartens wohl doch nicht bringe, zum Anlass zu nehmen, jetzt schnellstmöglich mit der Telekom nach neuen Lösungen zu suchen. OB Udo Glatthaar sagte, dass die Unzufriedenheit groß sei und man hinter den Kulissen bereits intensiv nach neuen Lösungen suche.
Tiefbau in Edelfingen: Tiefbauarbeiten zur Instandsetzung des Parkplatzes an der Turn- und Festhalle Edelfingen wurden an die Firma Konrad Bau aus Lauda-Königshofen zum Preis von 224.000 Euro vergeben. Bis Mitte September soll die Baustelle, die in Kürze startet, erledigt sein.
Dachsanierung beauftragt: Die Flachdachsanierung an der Turnhalle der Eduard-Mörike-Gemeinschaftsschule beauftragte der Gemeinderat. Die Firma BBM Dachdeckerbetrieb Mehmeti aus Igersheim erhielt mit 240.000 Euro den Zuschlag.
Neue Trägerverträge: Die Neufassung der Trägerverträge mit den freien, kirchlichen und privaten Trägern über den Betrieb und die Förderung der Kindertagesstätten im Stadtgebiet wurde vom Gemeinderat grundsätzlich abgesegnet. Beschlüsse gab es bereits für die Kindertagesstätten Kunterbunt, die St. Josefspflege Mulfingen und die Waldorado GmbH. Der neue Vertrag mit der katholischen Kirchengemeinde soll in den nächsten Monaten beschlussreif sein, hieß es.
Grünes Licht für Solarpark: Der Bebauungsplan „Sondergebiet Freiflächenphotovoltaik Schneckenberg – Teil 1“ (Neunkirchen) wurde vom Gremium mit 25:6-Stimmen und den vorgeschlagenen Ergänzungen von Hariolf Scherer (CDU) zu Bepflanzungen im Umfeld beschlossen. Das Plangebiet umfasst 4,1 Hektar und überschneidet sich in einem Teilbereich mit einem geplanten Windvorranggebiet des Regionalverbands. Dieser wird nun gebeten, seine Flächen-Abgrenzung entsprechend anzupassen.
Zuschüsse für DLRG: Auch die DLRG Wachbach drücken – wie den TV Bad Mergentheim (die FN berichteten) – die höheren Bahnenstunden-Kosten im Sportbad der „Solymar“-Therme. Deshalb wandte sich die DLRG an die Stadt mit der Bitte um Unterstützung. Diese wird nun gewährt. Bei einer Enthaltung stimmte der Gemeinderat dafür, ab 2026 einen jährlichen Zuschuss von maximal 4500 Euro zu leisten. Es werden 20 Euro je genutzter Bahnenstunde bezuschusst. Im Gegenzug verpflichtet sich die DLRG zu einem ehrenamtlichen Engagement in städtischen Bädern und bei Veranstaltungen. Laut DLRG Wachbach sind durch die Änderungskündigung des „Solymar“-Betreibers die bisherigen Kosten deutlich gestiegen. Für die 210 Bahnenstunden pro Saison würden statt bislang 3675 Euro (im Jahr 2024) künftig jährlich 9450 Euro für die gleiche Anzahl an Bahnenstunden anfallen. Das sei nicht tragbar. Die Stadt und der Rat reagierten nun.
Höhere Strafen für Müllsünder: Auf Antrag der CDU beschloss der Gemeinderat einstimmig, ohne große Debatte, die Verschärfung der städtischen Polizeiverordnung und die Erhöhung der Strafen für illegale Müllablagerungen, hier werden nun 1000 Euro Bußgeld fällig. Das Ordnungsamt erhält den Auftrag, die Ermittlung von Tätern zu intensivieren. Zudem wurde die Stadt beauftragt, bis September Vorschläge zu einer deutlichen Verbesserung der Sauberkeit im Stadtgebiet, besonders in der Altstadt, zu erarbeiten.
Keine Verpackungssteuer: Der Grünen-Antrag zur Prüfung einer Verpackungssteuer in Bad Mergentheim erhielt nicht die nötige Mehrheit. Nur fünf Stadträte stimmten zu, zwei enthielten sich, der Rest des Gremiums war dagegen, weil es laut OB Udo Glatthaar für die Kurstadt „keinen Sinn macht“, man sei zu klein. Er habe sich erst kürzlich mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer darüber ausgetauscht, der reichlich Erfahrungen vorweisen könne. Grünen-Fraktionsvorsitzender Hubert Schmieg hatte den Antrag kurz begründet, während Artur Schmidt (FDP) ihn rundweg ablehnte, weil man doch froh über jedes Geschäft, jeden verkauften Kaffeebecher und jede verkaufte Pizza samt Karton im Stadtgebiet sein müsse.
Förderung für Sportgeräte: Angenommen wurde der CDU-Antrag, die Beschaffung von Sportgeräten und von Platzinstandsetzungsmaßnahmen in die städtischen Sportförderrichtlinien mit aufzunehmen. Eine Bagatellgrenze von 3000 Euro ist vorgesehen. Es gab vier Gegenstimmen im Gemeinderat und eine Enthaltung, aber der Rest war dafür.
Patrick Sinn neu im Gremium: Nachdem Stadträtin Anna-Katharina Kuper von Pro MGH wegen ihres Wegzugs darum gebeten hatte, von ihrem Amt entbunden zu werden und dies auch bestätigt wurde (die FN berichteten), rückte nun Patrick Sinn ins Gremium nach. Der 59-Jährige ist laut seiner Fraktion selbstständiger Physiotherapeut in der Kurstadt. OB Glatthaar verpflichtete ihn zu Beginn der Sitzung.
Richtig sauer
Anders sah es Andreas Lehr, der CDU-Fraktionsvorsitzende: „Unser Grundsatzbeschluss gilt. Wir müssen ein klares Zeichen der Ablehnung nach Heilbronn zum Regionalverband senden.“ OB Glatthaar habe ein Signal für Bad Mergentheim im Sinne der Ratsmehrheit zu setzen und überhaupt habe der vom OB angesetzte Tagesordnungspunkt keine Berechtigung, ärgerte sich Lehr sichtlich. Richtig sauer war Lehr gar als sein Fraktionskollege Karl Kuhn später ausscherte und die Windräder als wichtigen Teil der Energiewende benannte und sein Ja zur fünften Windkraftanlage auf städtischem Grund ankündigte. Hanspeter Fernkorn (CDU) stimmte übrigens auch dafür.
Doch zurück zur Debatte: OB Glatthaar plädierte für „eine moderate Linie und eine überlegte Entscheidung an diesem Abend“. Dr. Klaus Hofmann (Freie Wähler) stellte sein Nein in Aussicht, da Bürger und Ortschaften nicht mit Windrädern überlastet werden dürften. Dagegen konnte Hubert Schmieg (Grüne) nicht verstehen, warum man sich erst über den positiven Jahresabschluss des Stadtwerks Tauberfranken und die Millionen für die Stadtkasse freue (das war auch ein Tagesordnungspunkt an diesem Abend) und dann sich ablehnend zu weiteren 100.000 Euro positioniere. Auch Klaus-Dieter Brunotte (SPD) verwies auf die prekäre Finanzsituation der Stadtkasse. Jochen Flasbeck (Freie Wähler) sagte: „Alle wollen Strom haben, irgendwo muss er herkommen. Wir werden uns an die Windräder gewöhnen.“ Wolfgang Herz (CDU) betonte: „Es gibt rund 800 Windräder in Baden-Württemberg. Knapp 19 Prozent davon stehen im Main-Tauber-Kreis. Das reicht!“
Kampfabstimmung
Schließlich sagten in einer Kampfabstimmung zwölf Ja zu einem Grundstücksnutzungsvertrag zur Errichtung einer Windkraftanlage auf städtischem Grund zwischen Stadt und Stadtwerk, darunter der OB, die Grünen, die SPD, wenige Freie Wähler und zwei CDU-Stadträte, während es zwei Enthaltungen gab und 18 Räte (ein Großteil der CDU, Pro MGH und Vertreter der Freien Wähler) mit Nein stimmten.
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Kommentar Reinregieren in Bad Mergentheim und anderswo unerwünscht