Bad Mergentheim/Üttingshof. In einer anderen Sportart könnten sie jetzt wohl erstmal entspannen. Sich auf den Erfolgen ausruhen und dann langsam wieder ins Training starten. Bei den Reiterinnen und Reitern auf dem Üttingshof bei Bad Mergentheim ist das nicht so. Aus gutem Grund, wie im FN-Gespräch mit Uwe Kaplirz zu Sulewicz und seiner Frau Sabine deutlich wird.
Doch von vorne. Die Rede ist von der deutschen Delegation, die Ende Juli an den „Virtus World Equestrian Dressage Championships“ teilnahmen. An diesem internationalen Dressurreitturnier im englischen Winchester nahmen sechs Nationen mit insgesamt 30 Reitern teil. Die deutsche Delegation mit fünf Reitern präsentierte sich hier in starker Form und gewann Bronze im Team hinter den gastgebenden Engländern und den Australiern, zudem gewannen die deutschen Reiter noch drei Einzelmedaillen (zweimal Silber und einmal Bronze). Zur Einordnung gilt es zu wissen, dass die englischen Reiter insofern einen Vorteil haben, als dass diese auf eigenen Pferden reiten dürfen, während der Rest sich auf Leihpferde vor Ort einstellen musste. Umso bedeutsamer also das starke Ergebnis der deutschen Delegation.
Mit Florian Kaplirz zu Sulewicz, der im Einzel noch Bronze gewann, ist einer der fünf deutschen Reiter aus Bad Mergentheim. Er lebt mit seinen Eltern auf dem Üttingshof. Doch mittlerweile sind die gesamte deutsche Mannschaft und deren Erfolge eng mit der Kurstadt verknüpft. Denn alle Reiter sind inzwischen auch Mitglieder des Vereins „Sprungbrett“, der sich die Förderung der Integration von Menschen mit Handicap auf die Fahnen geschrieben hat. Dr. Sabine Kaplirz zu Sulewicz, die Mutter von Florian, ist Vorsitzende des Vereins.
Den Fränkischen Nachrichten erklärt sie die enge Verbindung der gesamten deutschen Mannschaft mit dem Verein vom Üttingshof so: „Es ist einfacher, über den Verein Spenden zur Unterstützung zu gewinnen. Ohne privates Engagement wäre eine solche Turnierteilnahme nicht möglich.“ 1.400 Kilometer Anreise über mehrere Tage mit dem Auto, Übernachtungen für die Athleten und deren Begleiter und Ausrüstung – rund 8.000 Euro pro Person müssen hierfür eingeplant werden. Die Turnierteilnahme als Kraftakt in jeder Hinsicht – den das engagierte Ehepaar mit vielen anderen Helfern ermöglichte.
Uwe und Sabine Kaplirz zu Sulewicz beschreiben den nach wie vor zähen Kampf und Anerkennung der sportlichen Leistungen, welche die Reiter mit geistiger Beeinträchtigung erbringen. Umso wichtiger sind da kleine Erfolge. „Dass wir diese Jacketts für die Reiter mit dem Bundesadler als Logo darauf tragen durften, mussten wir uns erkämpfen“, erklärt Uwe Kaplirz zu Sulewicz. Denn hierfür brauche es eine Genehmigung beim Deutschen Olympischen Sportbund. „Das ist dann einfach ein anderes Bild und man hat den Stolz bei den Reitern gemerkt, das war gleich ein anderer Auftritt“, begründet er die Wichtigkeit solcher vermeintlich kleinen Details.
Großer Aufwand und „Bauchschmerzen“ im Vorfeld
Doch schon vor dem eigentlichen Auftritt in England ist eine solche Turnierorganisation sehr aufwendig. „Das war zeitweise ein Vollzeitjob“, beschreibt Sabine Kaplirz zu Sulewicz die Vorbereitungszeit, die bereits im November begann und unter anderem „hunderte Mails“ erforderlich machte.
Umso größer der Stolz bei den beiden über das tolle Ergebnis der Mannschaft – und natürlich auch ihres Sohnes Florian. „Mit Bauchschmerzen“ und niedrigen Erwartungen reisten sie nach England, als zu schwer erachteten sie manche der Aufgaben. Denn man darf sich diese nicht als eher einfach vorstellen, nur weil die Reiter geistig beeinträchtigt sind. Sehr lange und mit vielen Bewegungswechseln seien die Aufgaben eine echte Herausforderung für die Reiter gewesen – die zudem ja noch auf Leihpferden bewältigt werden mussten. „Das ist Leistungssport, die Teilnehmer werden hier an ihre Grenzen geführt“, so Sabine Kaplirz zu Sulewicz.
Turnierteilnahme hat auch eine politische Komponente
Die Medaillen sind für das Ehepaar nicht nur ein Lohn der vielen Arbeit im Vorfeld, sondern auch ein Ansporn. Um dranzubleiben. Denn diese Auszeichnungen sind auch ein Argument im Kampf um Anerkennung in Gesellschaft und Politik. „Wir wollen nach draußen tragen, dass diese Leute nicht durchs Raster fallen“, erklärt das Paar.
Die Teilnahme der Reiter vom Verein „Sprungbrett“ an solchen internationalen Turnieren hat also nicht nur eine sportliche Komponente, sondern auch eine politische. Es geht dem Verein darum, aufzuzeigen, dass auch Menschen mit geistiger Beeinträchtigung Aufmerksamkeit und eine entsprechende Förderung verdienen. Denn im Reitsport ist der Kampf um millionenschwere Fördermittel aus Bundes- und Landesmitteln hart umkämpft, allzu oft haben hier die Reiter mit körperlicher Beeinträchtigung die Oberhand.
So erklärt sich auch, warum nach dem Turnier keine so rechte Entspannung aufkommen wird. Denn nach dem Turnier ist vor dem Turnier, für ein Ausruhen bleibt keine Zeit. Auch hier gilt es wieder, den positiven Trend zu bestätigen. Eine kurze Rückschau fällt dennoch positiv aus: „Die ganze Arbeit hat sich gelohnt“. Grenzen in diesem Bereich aufzubrechen, sei „ein langer Weg“. Der Verein „Sprungbrett“ wird ihn aber trotzdem gehen, denn es lohnt sich einfach: „Menschen mit geistiger Beeinträchtigung werden oft unterschätzt, dabei lernen sie nur anders. Von Reiten profitieren die Menschen ganzheitlich und dann ist vieles möglich.“
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