Vertreter der Citygemeinschaft plädieren dafür, erst neue, zentrumsnahe Parkplätze zu schaffen, ehe es zu weiteren Verkehrseinschränkungen in der Innenstadt kommt. Sie kritisieren deutlich das Mobilitätskonzept der Grünen.
Bad Mergentheim. „Ich glaube, dass das vor kurzem öffentlich präsentierte Mobilitätskonzept der Grünen nicht mehrheitsfähig ist, weil die Grünen mit Sperrungen und Verboten arbeiten, statt Angebote zu machen“, fasst Hans-Joachim Kuhn, der Vorsitzende der Citygemeinschaft, seine Position zusammen und beklagt die teilweise „Realitätsferne“, weil der massive Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zwar begrüßenswert, aber wohl auch unbezahlbar sei.
Kuhn und weitere Vertreter der Citygemeinschaft, die zum Pressegespräch baten, erklären einhellig, dass sie sich sehr wünschen, dass sich auch die anderen Gemeinderatsfraktionen zum Thema „Verkehr“ klar äußern. „Ich sehe die große Gefahr, dass der zweite Schritt wieder vor dem ersten gemacht wird, so wie bei der Sperrung des Deutschordenplatzes“, meint Kuhn und schiebt nach, dass die Händler in der Innenstadt Planungssicherheit bräuchten, weil sonst auch Investitionen infrage gestellt werden müssten, wenn die Altstadt komplett für den Autoverkehr gesperrt würde, ohne zuvor zusätzlichen Parkraum zentrumsnah zu schaffen.
Kuhn bezweifelt nicht, dass weitere Verkehrsberuhigungen oder das Anlegen von Radfahrspuren in der Kurstadt sinnvoll sein könnten, aber er fordert vehement alle Maßnahmen in die richtige Reihenfolge zu bringen. Die Grünen hätten recht mit ihrer Forderung nach einem Ausbau des ÖPNV, aber: „Ist das realistisch? Ist das so einfach möglich? Wer finanziert das? Es reicht eben nicht nur die Forderung aufzustellen!“ Aktuell seien viele Busverbindungen von Stadtteilen in die Kernstadt (und zurück) für Einkaufswillige unzumutbar. Hier gehöre angesetzt. Und die Citygemeinschaft plädiere zudem dafür, weitere Parkhäuser oder -flächen zu bauen, zum Beispiel eine dritte Parkebene am Schloss (bei der Polizei), in der Schiller Straße (früheres Klotzbücher-Areal), am Eissee bei der Feuerwache und beim ehemaligen „Frankies“-Bistro hinter dem alten Zollamt. Erst dann könne die künftige Nutzung des Hans-Heinrich-Ehrler-Platzes oder der Wegfall vieler Stellplätze in der Altstadt, wie von den Grünen vorgeschlagen, weiter verfolgt werden.
5000 Parkplätze
In der spanischen Stadt Pontevedra (80 000 Einwohner), die die Grünen in ihrem Konzept als positives Beispiel benennen, in der Autos weitgehend aus dem Zentrum verbannt sind und Fußgänger Vorrang haben, seien laut Kuhn 15 000 (!) neue Parkplätze rund um die Innenstadt angelegt worden – „für Bad Mergentheim würde das heruntergebrochen etwa 5000 Stellplätze bedeuten“, so Kuhn.
Für die Bürger, Gäste und Kunden brauche es „attraktive Angebote“ und „realistische Pläne“. Die Idee der Grünen am Stadtrand Pendler- und Schülerparkplätze einzurichten und dann mit Shuttlebussen zu arbeiten, werfe schnell die Frage nach einer guten Vertaktung und der Finanzierung auf.
Apotheker Stefan Dietz, der auch Stadtrat der Freien Wähler ist, sagt: „Ich sehe die Situation kritisch. Ich war und bin gegen das jetzt durchgesetzte Verkehrskonzept.“ Die Abkürzung des Durchgangsverkehrs vom Weberdorf und von Igersheim Richtung Herrenwiesen durch die Altstadt zu verhindern, sei das eigentliche Hauptansinnen gewesen. Dies wurde erreicht. Inzwischen verärgere man aber auch viele Kunden, indem man ihnen die Wege zu den Geschäften unnötig erschwere.
Dietz hegt große Zweifel, ob man in einer kleinen Stadt wie Bad Mergentheim annehmbare Alternativen zum Auto mittels guter Taktung im ÖPNV hinbekomme, wie beispielsweise in Heilbronn oder Würzburg. Das sei finanziell gar nicht darstellbar. Die Grünen würden weit übers Ziel hinausschießen. Flächen und Parks zum Flanieren gebe es jetzt schon genug. Dietz: „Es gibt überhaupt keinen Grund unsere Perle im Taubertal ohne Not kaputt zu machen!“ Ebenso wie Kuhn befürchtet er, dass die Kunden die Altstadt meiden, wenn sie überall nur auf Hindernisse treffen. Einzige Profiteure wären am Ende der Internethandel und andere Städte.
Dietz plädiert für eine Befragung aller Bürger vor weiteren einschneidenden Veränderungen, denn er ist sich sicher, dass die große Mehrheit der Einwohner eben nicht für eine Abschottung der Innenstadt sei. Kritisch sieht er in diesem Zusammenhang auch die 400 Eingaben zur Gestaltung des Gänsmarktes, die eben nicht für 24 000 Einwohner stellvertretend sprechen könnten.
Mit Blick auf die grünen Ideen zur Mobilität, fordert Dietz, die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung als obersten Maßstab anzusetzen. Eine auto-ärmere Stadt alleine löse die Probleme nicht und werfe stattdessen viele neue Fragen auf.
Negative Kundenreaktionen
Wolfgang Wunderle vom Fachgeschäft „Leder Pfahler“ bedauert, dass beim Verkehrskonzept immer nur eine Variante getestet und nicht mehr ausprobiert wurde. Auch er verweist auf viele negative Kundenstimmen zur Verkehrspolitik in der Kurstadt.
Besonders ärgerlich sei, dass das beliebte Parkdeck am Schloss, bei der Polizei, nun nicht mehr gut erreichbar sei und die Anfahrt jetzt ausgerechnet über den Marktplatz (!), dann den Ledermarkt und die Nonnengasse führe. Nicht verstehen kann Wunderle auch die ständigen Forderungen nach Fahrradstraßen und Radspuren – „überall in der Stadt kann man mit dem Rad fahren, selbst in der Burgstraße. Alles ist erreichbar. Diejenigen, die Rad fahren wollen, tun dies auch. Doch für bestimmte Großeinkäufe, wie zum Beispiel einen neuen Koffer, braucht es eben auch mal das Auto und dafür auch Stellplätze“, so Wunderle. Die kurzen Wege in Bad Mergentheim würden geschätzt und müssten erhalten bleiben.
Die Citygemeinschaft sei für Gespräche und Diskussionen mit den politischen Akteuren stets offen, betont Kuhn abschließend auf Nachfrage, doch bislang seien beispielsweise die Grünen mit ihrem Ideenkatalog nicht auf die Einzelhändler zugekommen.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-es-gibt-keinen-grund-unsere-perle-im-taubertal-ohne-not-kaputt-zu-ma-_arid,1907154.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Bad Mergentheim Verkehrs-Debatte in Bad Mergentheim ist angefacht