Was wäre Tom ohne Jerry, Pat ohne Patachon, Bad Mergentheim ohne Kur? Schwer vorstellbar – bei Letzterem würde ja schon die Bezeichnung „Bad“ fehlen; und nicht nur das.
Bad Mergentheim. Trink- und Badekuren wurden schon in der Antike als natürliche Heilmethoden geschätzt. Auch in und um Bad Mergentheim gab es schon in grauer Vorzeit Menschen, die das Wasser zu schätzen wussten. So wurden nach Erkenntnissen aus Grabungen mindestens zwei der Mergentheimer Quellen bereits in der Bronzezeit zur Salzgewinnung genutzt.
Die Quellen wurden im weiteren Verlauf jedoch von Kies und Geröll verschüttet und letztendlich vergessen. Der Aufmerksamkeit des Schäfers Gehrig ist es geschuldet, dass die Quellen wieder entdeckt wurden und wie so häufig, fallen dann auf einmal gleich mehrere Dominosteine nacheinander um. Der Zeitpunkt, 1826, an dem er die erste Quelle entdeckte, war optimal. Im späten 18. und vor allem im 19. Jahrhundert, hatte sich die Landschaft der überregional bekannten Kurorte Mitteleuropas dramatisch erweitert. Marienbad in Böhmen, zahlreiche Kurorte in Schlesien, in Bayern, in Österreich und der Schweiz waren bekannt geworden und auch in der näheren Umgebung von Mergentheim blühten Kurorte auf.
Zu dieser Zeit waren sie ein beliebter Treffpunkt für bedeutende Persönlichkeiten, Zentren des gesellschaftlichen Lebens und Treffpunkte für die höheren sozialen Schichten Europas. Hier trafen sich europäischer Hochadel, Niederadel sowie das aufsteigende Bürgertum, die „haute bourgeoisie“ und pflegten sozialen Umgang.
Kurorte waren gleichzeitig Orte der Gesundheitserhaltung oder Heilung, Orte der sozialen Begegnung und des Konsums und in der Folge zentrale Orte des sich allmählich ausbildenden Tourismus. Das belgische Spa beispielsweise wurde so bekannt, dass später der Begriff SPA weltweit als Gattungsbezeichnung für Gesundheits- und Wellness-Einrichtungen geläufig wurde. Wobei es durchaus auch legitim ist, den Begriff Spa mit sanus per aquam, also gesund durch Wasser, zu übersetzen. So verwundert es nicht, dass die umtriebigen „Merchedohler“ ein gutes Geschäft witterten und sich schwer ins Zeug legten. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die für ein Bad so nötigen Einrichtungen fehlten und so blieb der Zustrom auswärtiger Gäste sehr gering, was 1834 zum Verkauf des Bades führte.
Trotz Aufbau eines Kurhotels und Gartenanlagen rechnete sich aber auch für den Mühlenbesitzer Friedrich Kuhn die Investition nicht, schon 1852 übernahm ein Konsortium das Bad. Im Lauf der vielen Jahre blieb das nicht der letzte Besitzerwechsel.
Unrühmlicher Höhepunkt war die Zeit des „Wilden Westens“ in der Kurstadt, als ein deutsch-amerikanisches Ehepaar sich daran machte das Bad zu ruinieren. So erfolgreich waren sie in ihren Bemühungen, dass in der Zeit von 1885 bis 1897 die Zahl der Kurgäste zwischenzeitlich auf 65 fiel. Eine beachtliche Leistung, war die Zahl der Gäste doch von unter Hundert zu Beginn des Kurbetriebs auf 810 im Jahre 1864 geklettert. 1897 wurde unter Beteiligung der Stadt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, der es in wenigen Jahren gelang, das Bad entsprechend seiner Bedeutung wieder einzurichten und die Kurfrequenz auf etwa 700 Besucher zu erhöhen. Als sich Stadtschultheiß Theodor Klotzbücher und der Stuttgarter Bankherr Albert Schwarz des Bades annahmen, war der Wendepunkt erreicht. Die am 1. Januar 1906 gegründete Aktiengesellschaft baute das Bad großzügig aus und bis 1913 stieg die Zahl der Gäste auf bis zu 3467 an.
Nach dem Ersten Weltkrieg erreichte man 1925, auch bedingt durch den Bauboom der 1920er Jahre, als Hotels, Privatpensionen, Kuranstalten und Sanatorien in großer Zahl entstanden, schon mehr als 10 000 Kurgäste, 1929 waren es dann 15 850 Menschen, die sich in Bad Mergentheim, wie man sich nun nennen durfte, erholten.
Als Lazarettstadt von großen Angriffen während des Zweiten Weltkriegs glücklicherweise verschont, musste man sich damit abfinden, dass 53 Kuranstalten, Hotels und Privathäuser nach Kriegsende längere Zeit beschlagnahmt wurden. Aber auch diese, wie so viele andere Krisen, meisterte man.
Findig, wie der hiesige Menschenschlag nun einmal ist, wurde man auch mit dem Andrang in der Zeit des Wirtschaftswunders fertig, so mancher Familienvater nächtigte in der Badewanne, damit man Kurgäste aufnehmen und sich etwas dazu verdienen konnte.
Damals, Anfang der 1950er Jahre, waren immer noch zwei Drittel der Gäste privat auf Kur und nur ein Drittel über die Gesetzliche Krankenversicherung. Dieses Verhältnis änderte sich später gravierend und die Zahlen stiegen zwischen 1954 und 1961 von 19 925 auf 40 000 Gäste.
Nicht viel später, zum 150-Jahr- Jubiläum der Entdeckung der ersten Quelle, konnte man 1976 stolz auf 1,3 Millionen Übernachtungen und 45 000 Gäste verweisen. 40 Sanatorien und 50 Kurheime mit 140 Ärzten gab es und im Kurwesen und der Gastronomie fanden 2300 Menschen Arbeit.
Zudem ist die Kurverwaltung seit den 50er Jahren eine GmbH mit drei paritätischen Gesellschaftern: die Große Kreisstadt Bad Mergentheim, der Landkreis Main-Tauber und das Land Baden-Württemberg und befindet sich nun in ruhigerem Fahrwasser.
Einen gravierenden Einschnitt gab es dann 1996 mit der Gesundheitsreform. Alle zwei Jahre durfte man früher kuren, dann setzte Gesundheitsminister Horst Seehofer den Rotstift an: Kuren wurden von vier auf drei Wochen verkürzt, Genehmigungen erschwert, Patienten mussten Urlaubstage für Kuren opfern und höhere Zuzahlungen leisten und in vielen Kurorten gingen die Übernachtungen binnen Jahresfrist um ein Drittel zurück.
Im Jahr 2022, als Corona immer noch spürbar ein Hemmschuh war, konnten von 629 088 Übernachtungen immerhin 362 110 in Rehakliniken festgestellt werden, hinzu kommen die Kurgäste, die privat in Hotels und Pensionen oder Ferienwohnungen logierten und man ist guter Dinge, dass die Zahlen weiter steigen werden.
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