Löffelstelzer Straße 30, ehemaliges „Haus Bergfried“

Bad Mergentheim: 84 Wohnungen mit viel Polizei zwangsgeräumt

84 Wohneinheiten in der Löffelstelzer Straße 30 ließ die Stadt aus Brandschutzgründen am Mittwochmorgen zwangsräumen. Weil noch 64 Personen dort gemeldet sind, war die Polizei mit einem Großaufgebot mit vor Ort.

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Sascha Bickel
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Zwei verbliebene Bewohner mussten noch aus ihren Wohnungen herausgeführt werden. Mit einem Großaufgebot wurde die Löffelstelzer Straße 30 zwangsgeräumt. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Unzählige Einsatzfahrzeuge der Polizei, dazu die Freiwillige Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Technische Hilfswerk und die Stadtverwaltung – in Summe über 140 Kräfte – rückten am frühen Mittwochmorgen, um 7 Uhr, zur Zwangsräumung des großen Wohnblocks in der Löffelstelzer Straße 30 („Haus Bergfried“) an.

Obwohl vor Ort noch 64 Menschen offiziell gemeldet sind, wurden nur noch zwei Bewohner angetroffen, herausgeführt und anschließend in städtischen Notunterkünften untergebracht. Große Erleichterung herrschte bei allen Verantwortlichen um 10 Uhr als der Einsatz schneller als gedacht beendet werden konnte.

Viel Müll liegt vor dem ehemaligen „Haus Bergfried“ in der Löffelstelzer Straße 30 – früher gab es hier Kurappartements. © Sascha Bickel

„Wir waren auf alles vorbereitet“, sagte der Einsatzleiter der Polizei, Revierleiter Olaf Bamberger, den FN. Man habe damit rechnen müssen, dass auch Menschen drohen, vom Dach oder Balkon zu springen und entsprechend habe man sich auch dafür gerüstet und sei zudem mit Antikonflikt-Teams präsent gewesen. „Es gab keine Verletzten und alles blieb friedlich. Ich bin mit dem heutigen Verlauf sehr zufrieden“, so Bamberger, der explizit von einer intensiven Einsatzvorbereitung berichtete.

Die Bereitschaftspolizei aus Bruchsal war mit im Einsatz. © Sascha Bickel

Die Polizei war als Unterstützung von der Stadt angefordert worden, die die Nutzungsuntersagung und Räumung der Löffelstelzer Straße 30 angeordnet hatte. Stefanie Stern, die Leiterin der Baurechtsbehörde, zeigte sich im FN-Gespräch ebenfalls froh, dass am Mittwoch alles reibungslos ablief. Stern betone, dass die Nutzungsuntersagung nach eingehender juristischer Prüfung und sorgfältiger Abwägung getroffen worden sei: „Sie ist am Ende unvermeidbar gewesen, da die Wohnungseigentümergemeinschaft auf alle Aufforderungen unsererseits nicht einging und eine brandschutztechnische Instandsetzung bis zum heutigen Tage nicht erfolgte. Die festgestellten Brandschutzmängel an dem Gebäude sind gravierend. So gravierend, dass Gefahr im Verzug konstatiert werden muss.“

Jede Wohnung wurde einzeln geöffnet, durchsucht und anschließend durch die Stadt versiegelt. © Stadt Bad Mergentheim

Auch heißt es aus dem Rathaus: „Das Gebäude befindet sich in einem eklatanten baulichen Zustand.“ Die Stadt Bad Mergentheim fordert die Eigentümergemeinschaft nach eigener Darstellung bereits seit Dezember 2022 – also seit fast zwei Jahren – dazu auf, das Gebäude so instand zu setzen, dass die Brandschutzauflagen aus den Baugenehmigungen wieder erfüllt werden.

Oberbürgermeister Udo Glatthaar äußerte sich gegenüber den Fränkischen Nachrichten wie folgt: „Die Stadt muss geltendes Recht durchsetzen. Dass dies trotz allen Dialogs im Vorfeld nun in letzter Konsequenz mit dem angedrohten Zwang passiert, macht mich auch persönlich betroffen. Verantwortlich für diese schwierige Situation sind in erster Linie die Eigentümer des Gebäudes, die unseren wiederholten Forderungen nach Mindestbrandschutzstandards seit Jahren nicht nachkommen.“

Weiter sagt der Rathaus-Chef: „Es ist die Stadt, die hier bereits in den vergangenen Wochen stark mit öffentlichen Geldern in Vorleistung gegangen ist, um zumindest übergangsweise die Situation zu entschärfen. Zudem ist es die Stadt, die allen Mietern nicht erst heute die Hand zur Hilfe reicht und sich um sie kümmert. Auch deshalb sind wir bei der Räumung vor Ort. Niemand landet am Ende des Tages auf der Straße.“

Zur „Bergfried“-Räumung

Hier einige zentrale Fragen und Antworten der Stadtverwaltung zur Nutzungsuntersagung und Räumung der Löffelstelzer Straße 30.

Welche Brandschutz-Mängel gibt es und wie gravierend sind diese? Stadt: „Die Brandschutz-Mängel sind vielfältig und haben vor allem eine Konsequenz: Jede Feuer- oder Rauchentwicklung in diesem sehr großen Gebäude ist für die Menschen, die sich darin befinden, akut lebensbedrohlich. Alle notwendigen Rauch- und Brandschutztüren in den Fluren und Treppenräumen sind nicht funktionstüchtig; es gibt keinen zweiten baulichen Rettungsweg; die Flure und Treppenräume stehen voller brennbarem Material.“

Wie wurde das Gebäude in den vergangenen Wochen gesichert? „Die Stadt hat mit öffentlichen Geldern eine Brandwache eingesetzt, die Tag und Nacht im Gebäude war. Mitte Oktober konnte nur dank der Wache ein Brandereignis frühzeitig entdeckt werden.“

Warum müssen die Mieter ausziehen? „Die Stadt muss die Nutzungsuntersagung durchsetzen, um Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit von den betroffen Mietern, Bewohnern und Besuchern abzuwenden. In letzter Konsequenz mit Zwang und mit der Unterstützung durch die Polizei, wenn Bewohner der Aufforderung nicht nachkommen. Verantwortlich dafür sind die Eigentümer des Gebäudes, die für die Mieteinnahmen, die sie von ihren Mietern erhalten, nicht die Gegenleistung eines Wohnhauses mit Mindestsicherheitsstandards erbringen.“

Werden Bewohner obdachlos? Stadt: „Niemand wird von uns auf die Straße gesetzt! Wer nicht anderweitig unterkommen kann, beispielsweise bei Verwandten oder Bekannten, kommt in eine kommunale Ersatzunterkunft.“ sabix

Auf die Frage, ob die Stadt übertrieben oder gar unverhältnismäßig reagiere, lautet die Antwort aus dem Rathaus: „Die Stadt hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Nutzungsuntersagung und die daraus resultierende Duldungsverfügung ist eine Folge aus dem bereits zwei Jahre anhängigen Verfahren und keine Spontan-Reaktion.“

Christian Völkel, der städtische Fachbereichsleiter Ordnungs- und Sozialamt, ging auf Nachfrage auf die Unterbringung der Hausbewohner ein. Diejenigen, die freiwillig in den vergangenen Wochen und bis spätestens Dienstagnacht 24 Uhr auszogen, kamen bei Freunden, Verwandten oder Bekannten unter oder eben in verschiedenen Notunterkünften der Stadt. Die am Mittwochmorgen vor Ort noch aufgegriffenen beiden Hausbewohner – ein Mann und zudem eine Frau – wurden in Stuppach beziehungsweise Neunkirchen untergebracht.

Polizei-Einsatzleiter Olaf Bamberger im FN-Interview. © Sascha Bickel

Alle 84 Wohneinheiten wurden geöffnet, durchsucht und nachher versiegelt. Sieben Teams mit städtischen Mitarbeitern und Polizeischutz gingen gleichzeitig zu Werke und arbeiteten sich von oben nach unten durch den großen Gebäudekomplex, der früher einmal Kurappartements beherbergte.

Keine Stellungnahmen wollten übrigens die zuständige Hausverwaltung oder die Eigentümer zu den aktuellen Ereignissen abgeben.

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Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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