FN-Serie „Wir lieben und leben unsere Region“

Arbeitsmarkt verändert sich: Was in der Region zukünftig gefragt ist – und was nicht

Vom Wandel in der Arbeitswelt wird oft abstrakt gesprochen. Doch was steckt konkret dahinter? Wer sind Gewinner – und mögliche Verlierer? Experten antworten.

Von 
Simon Retzbach
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Für einfache Hilfstätigkeiten wird der Markt laut Experten zunehmend enger. Auch bestehende Berufsbilder wandeln sich. © picture alliance / dpa-tmn

Tauber-Odenwald. „Wir lieben und leben unsere Region“ – so der große Bogen, unter dem die FN die Heimatregion Tauber-Odenwald in all ihren Facetten beleuchtet. Doch wer hier leben will, muss auch arbeiten. Ohne (genügend) Arbeitsplätze und entsprechende Wirtschaftskraft droht eine ökonomische Schwäche, die eine Region letztlich auch als Wohnort und Lebensmittelpunkt unattraktiv machen kann. Da stellt sich die Frage: Wie sieht der Arbeitsmarkt der Zukunft hier aus? Wie sind die Chancen für die Menschen vor Ort?

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Beim Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt sich: In der Region wird viel gearbeitet. Die Arbeitslosenquoten liegen mit dreieinhalb und vier Prozent für Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis jeweils deutlich unter dem Bundesschnitt von 6,2 Prozent. Dennoch kommen von der Agentur für Arbeit auf FN-Anfrage mahnende Töne: „Die wirtschaftliche Lage ist angespannt und die Folgen sind auf dem Arbeitsmarkt angekommen.“ So sind in beiden Landkreisen im Oktober 2025 mehr Arbeitslose zu beobachten als noch vor einem Jahr, im Neckar-Odenwald-Kreis fällt dieses Plus mit knapp sechs Prozent sogar sehr deutlich aus (Main-Tauber-Kreis: plus zwei Prozent).

Fachkräftemangel nach wie vor ein Thema

Zugleich ist der Fachkräftemangel noch immer ein drängendes Thema. „Arbeitslose bringen häufig keine oder nicht die passende Qualifikation mit. Das gilt auch für viele Beschäftigte, die mit dem Wandel auf dem Arbeitsmarkt zum Beispiel aufgrund der Transformation Schritt halten müssen,“ erklärt Elisabeth Giesen dieses Missverhältnis zwischen Fachkräftemangel auf der einen und steigender Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite.

Laut der IHK Heilbronn-Franken (für den Main-Tauber-Kreis) und der IHK Rhein-Neckar (für den Neckar-Odenwald-Kreis) sei der „Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt geworden“, knapp die Hälfte der Betriebe gebe die Suche nach Fachkräften als Haupt-Geschäftsrisiko an. „In ländlichen Gebieten kommt die Konkurrenz zu Ballungsräumen hinzu, was vor allem bei der Ausbildung bzw. der Mobilität eine Rolle spielt“, erklären beide Kammern.

In der Fertigung arbeiten benötigt mittlerweile einiges an Maschinenkenntnis... © picture alliance/dpa

„Im aktuellen Ausbildungsjahr hat man gemerkt, dass es schwächere Jugendliche schon etwas schwerer hatten eine Ausbildungsstelle zu finden (fehlende Sprachkenntnisse und Ausbildungsreife), was zu einem ‚Mismatch‘ auf dem Ausbildungsmarkt führt. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung möchte jeder fünfte Jugendliche nach dem Schulabschluss lieber arbeiten, statt eine Berufsausbildung zu machen. Dies führt zu einem Anstieg von ungelernten Hilfskräften, die zunehmend schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden“, beschreibt Pressesprecherin Verena Kraus die Eindrücke aus dem Alltagsgeschäft der Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim, die für beide Landkreise zuständig ist.

... das reine Arbeiten ohne Steuerungskenntnis der Geräte könnte durch Digitalisierung und Robotik langsam aussterben. © picture alliance/dpa
Im Bereich der Pflege sind die Jobaussichten nach wie vor gut, Fachkräfte werden hier auch zukünftig stark nachgefragt sein. © picture alliance/dpa

Wie sieht nun der Wandel auf dem Arbeitsmarkt aus? Und was muss passieren, damit es kein „Mismatch“ (also fehlende Übereinstimmung zwischen Arbeitskraftangebot und -nachfrage) mehr gibt? Die FN haben sich bei denen umgehört, die es wissen müssen: der Arbeitsagentur und den Industrie- und Handelskammern. Sie wissen, was es braucht, damit auch zukünftig Arbeitnehmer und Arbeitgeber zueinander finden.

Die Situation allgemein: Was wird sich ändern?

„Im Industriebereich wird es weniger Arbeitsplätze durch Automatisierung geben. Das ist gleichzeitig die Chance für den Handwerksbereich, da Reparaturen nicht alle automatisiert durchgeführt werden können (z.B. rund um die Gebäudetechnik). Der Gesundheits- und Pflegebereich benötigt dringend Fachkräfte, ebenso andere Bereiche wie die Gastronomie. Diese Bereiche können davon profitieren. In beiden Landkreisen gibt es viele Automobilzuliefererfirmen, die sich ggf. rechtzeitig an Alternativbranchen orientieren müssen“, so die Prognose der Agentur für Arbeit.

IT-Kenntnisse und die Bereitschaft, sich Grundkenntnisse anzueignen, werden zunehmend wichtiger. © picture alliance/dpa

Es sei eine Verschiebung hin zu mehr Dienstleistungsberufen sowie Tätigkeiten im Sozial- und Gesundheitswesen zu erwarten. Weiterbildung, Umschulung und lebenslanges Lernen sind laut Arbeitsagentur wichtig und nehmen weiter an Bedeutung zu. Die Beschäftigung habe sich „qualitativ verschoben“: mehr Tätigkeiten mit Ausbildung und Fachkenntnissen, weg von Helfertätigkeiten.

Welche Fähigkeiten sind für den Arbeitsmarkt der Zukunft wichtig – und welche nicht?

Hier steht laut Arbeitsagentur und IHK vor allem technisches Können bzw. ein Basiswissen über die Technologie im Fokus. Unternehmens-IT, digitale Kommunikation, aber auch der Umgang mit Daten sind heute stärker gefragt – und werden zukünftig noch wichtiger. Kurz gesagt: Alles, was sich dem Schlagwort „Mint“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) verorten lässt.

Wichtige Fähigkeiten in der modernen Arbeitswelt: Neben Technikverständnis ist vor allem Teamfähigkeit gefragt. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Dazu passend auch charakterliche Fähigkeiten wie etwa Lernbereitschaft auch über die Ausbildung hinaus, Teamarbeit, Projekt- und Problemlösungskompetenzen und Kommunikationsfähigkeit (gerade digital). Neu hinzugekommen sind sogenannte „green skills“, also Wissen rund um nachhaltige, energieeffiziente und ressourcenschonende Arbeitsweisen oder Produktion.

Routineaufgaben wie etwa Verwaltung und Archivierung werden automatisiert, das Berufsbild des Bürojobs dadurch stark verändert. © picture alliance / dpa

Was an Bedeutung verlieren wird: Manuelle Dateneingabe, einfache Büro- oder Verwaltungsprozesse, simple Fertigungsarbeiten ohne technisches Zusatzwissen, klassische Schreibarbeiten oder Archivierung – hier kommt die Automatisierung immer stärker zum Tragen.

Manche Berufe, wie etwa der des Druckers, sind im Abwärtstrend. © picture alliance/dpa

Welche Berufsbilder sterben aus, welche entstehen neu?

„Berufe sterben nicht einfach aus – sie wandeln sich zu neuen Profilen“, erklärt hierzu die Arbeitsagentur. Dennoch gebe es natürlich Berufe, die stark rückläufig sind. Der Drucker etwa, aber auch Fotografen, Mechanikberufe ohne IT-Bezug, der klassische Verkäuferberuf oder die einfachen Büro- und Verwaltungsberufe sind im Abwärtstrend.

Die Agentur für Arbeit und die Industrie- und Handelskammern beschreiben Veränderungen im regionalen Arbeitsmarkt. © picture alliance/dpa

Neu entstanden sind vor allem technische Komponenten in bestehenden Berufen, aber auch Berufsbilder im Bereich der Umwelttechnik. Zu den am stärksten wachsenden Berufsfeldern zählen beispielsweise die Fachkraft für Solartechnik oder Gebäudetechnik mit Nachhaltigkeitsbezug, der Umwelttechnologe, Fachkräfte für automatisierte Lagerlogistik oder IT-Security-Spezialisten. Mit dem Kaufmann für Digitalisierungsmanagement gibt es nun sogar einen herkömmlichen Kaufmannsberuf mit der Ausrichtung auf die neue Arbeitswelt.

Wird die Künstliche Intelligenz (KI) ein Jobkiller?

„In erster Linie geht es um Wandel: Der Einsatz von KI wird viele Tätigkeiten verändern – und neue schaffen“, erklärt Pressesprecherin Kraus für die Arbeitsagentur. Es ist ihr zufolge durchaus möglich, dass für die gleiche Tätigkeit dank KI weniger Mitarbeiter benötigt würden. „Qualifizierte Tätigkeiten im Unternehmen werden immer spezifischer“, ergänzen die Industrie- und Handelskammern hierzu. Inwiefern das Verhältnis von wegfallenden zu neu geschaffenen Jobs positiv ausfalle, sei schwer abzuschätzen.

Entscheidend sei letztlich, dass Menschen dazu befähigt würden, mit ihr umzugehen und sie als Werkzeug zu nutzen. Dann werde KI zum Innovationstreiber. „Auch in den letzten zehn bis zwanzig Jahren gab es Veränderung bei Arbeitsplätzen und Berufen. Die Menschen und der Arbeitsmarkt haben sich angepasst. Wir nehmen wahr, dass Unternehmen noch immer nach guten Fachkräften suchen. Gut ausgebildete Fachkräfte, Spezialisten und Experten sind also nach wie vor gefragt“, zieht die Arbeitsagentur ein positives Fazit. Auch von der IHK kommen positive Töne: „Hochqualifizierte Fachkräfte werden weiterhin gesucht.“

Damit die Qualifikation passt, haben die IHK Heilbronn-Franken und Rhein-Neckar ein bundesweit ziemlich einzigartiges Angebot. Mit einem Zertifikatslehrgang zum Schwerpunkt KI für alle Ausbildungsberufe können die sogenannten KI-Scouts können – unabhängig von ihrem Ausbildungsberuf – einen Lehrgang besuchen und arbeiten in ihrem Betrieb an einem KI-Projekt. Hier wird also die KI-Kompetenz allgemein gestärkt.

Redaktion

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