Bad Mergentheim. Mit einem großen Festakt feierte am Freitagabend die Kreisbau Main-Tauber in Bad Mergentheim ihr 100-Jahr- Jubiläum unter dem Motto „Wohnraum schaffen und beleben – genossenschaftlich sicher wohnen“. Dazu hieß der Aufsichtsratsvorsitzende Rüdiger Zibold im Kursaal zahlreiche Mitglieder und Geschäftspartner sowie Ehrengäste aus Kommunen, Wirtschaft und Politik willkommen.
In seiner Begrüßung blickte Zibold auf einige geschichtliche Eckpunkte der Kreisbau Main-Tauber zurück, die am 8. November 1924 im Gasthaus „Rose“ in Bad Mergentheim gegründet wurde. Bezugnehmend auf den Veranstaltungsort der Jubiläumsfeier erinnerte er an Gründungsmitglied Dr. Lothar Daiker, der sich in der Anfangszeit mit Leib und Seele für die Ziele und Werte der Genossenschaft eingesetzt sowie über fünf Jahre lang als Aufsichtsratsvorsitzender eine tragende Rolle gespielt habe. „Es ist seiner wie auch der Hingabe vieler anderer zu verdanken, dass unsere Kreisbau Main-Tauber heute so dasteht wie wir sie kennen. Ein Jahrhundert, in dem sie das Bild unserer Städte und Gemeinden geprägt hat sowie zu einer Genossenschaft wurde, auf die wir sehr stolz sein dürfen“, konstatierte Zibold.
Siedlungen wie das Weberdorf, „Trillberg“ und „Herrenwiesen“ seien Exempel für Projekte, mit denen sich die Kreisbau nach dem Krieg zum bedeutendsten Träger des sozialen Wohnungsbaus in der Region entwickelt habe. „Von 1949 bis 1973 wurden insgesamt 1011 Miet- und Eigentumswohnungen sowie Eigenheime erstellt – eine Zahl, von der wir heute träumen“, reflektierte der Bürgermeister a.D. und Aufsichtsratsvorsitzende.
Regional tief verwurzeltes Unternehmen
Zum Jahresende 2023 umfasste der Objektbestand im Geschäftsgebiet, das sich von Wertheim über Bad Mergentheim und Weikersheim bis hin nach Niederstetten erstreckt, 332 Wohnungen. „Wir stehen heute nach wie vor als modernes, innovatives und regional tief verwurzeltes Unternehmen da, das seinen Mitgliedern bezahlbaren und hochwertigen Wohnraum bietet. Das wird auch in Zukunft unser oberstes Ziel bleiben“, resümierte Rüdiger Zibold.
In einem Impulsvortrag referierte Dr. Iris Beuerle, Direktorin des vbw -Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, über „Aktuelle Herausforderungen beim Wohnungsbau“. Der Anteil professionell gewerblicher Anbieter sei im Vergleich zu privaten Kleinanbietern und „Amateurvermietern“ relativ gering, verdeutlichte sie. Einerseits habe Baden-Württemberg in den letzten Jahren den geförderten Wohnungsbau vernachlässigt, andererseits bestehe gerade in diesem Bundesland enorm hoher Druck auf den Wohnungsmarkt aufgrund besonders attraktiver Lebensbedingungen. Insofern sei beim Ist- und Sollbestand an Sozialwohnungen ein entsprechend großes Defizit zu verzeichnen.
Ein extremer Anstieg der Baulandpreise, Baukosten und Zinsentwicklungen habe nicht nur die Gesamtkosten beim Bauen drastisch anschwellen lassen, sondern ebenso das Niveau bei Neubauvermietungen und den angespannten Wohnungsmarkt. Gleichzeitig sei die Anzahl beantragter Baugenehmigungen sehr stark zurückgegangen. Dass rund 60 Prozent der Wohngebäude in Deutschland vor 1979 errichtet wurden, stelle eine besondere Herausforderung speziell hinsichtlich der Energieeffizienz des Bestandes dar.
Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ zählte zu den zentralen Programmpunkten des Jubiläumsfestaktes „100 Jahre Kreisbau Main-Tauber eG“. Moderiert wurde die sechsköpfige Expertenrunde von Dr. Thomas Pfohl, Geschäftsführer der Taten.Drang GmbH aus Heidelberg.
Wind hat sich vor allem in hiesigen Städten gedreht
„In unserem dünn besiedelten Flächen-Landkreis kann man zwar noch relativ leicht an bezahlbaren Wohnraum gelangen, aber der Wind hat sich vor allem in hiesigen Städten wie Bad Mergentheim oder Wertheim gedreht“, stellte Landrat Christoph Schauder fest, der einen erheblichen Rückgang der Bauanträge attestierte. „In unserer Gesundheits- und Kurstadt war Wohnraum schon immer knapper und teurer als in anderen Städten oder Gemeinden der Region“, reflektierte Oberbürgermeister Udo Glatthaar, der repräsentativ für seine Amtskolleginnen und -kollegen an der Gesprächsrunde teilnahm.
Trotz gestiegener Preise, Kosten und Zinsen habe man im Neubaugebiet „Auenland“ auch bei der jüngsten Tranche sämtliche Grundstücke verkaufen können. „Wir haben noch über 100 Bauplätze im Gebiet der Kernstadt verteilt zur Verfügung, danach wird es allerdings knapp. Wir benötigen schwerpunktmäßig bezahlbaren Wohnraum, deshalb müssen dringend die erforderlichen Standards gesenkt werden“, gab Glatthaar zu bedenken.
„Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen genauso stimmen wie die rechtlichen. Vor allem im ländlichen Raum müssen Kommunen neben allen Bestrebungen nach innerörtlichen Entwicklungen ebenso die Möglichkeit haben, neue Bauflächen auszuweisen, um attraktiven Wohnraum zu schaffen“, appellierte MdL Prof. Dr. Wolfgang Reinhart. Zugleich rief der Landtagsvizepräsident und Wahlkreisabgeordnete zu mehr Mut für Lockerheit und Freiheit auf. „Wir brauchen Pragmatismus anstelle Ideologien sowie Macher und keine Unterlasser“, gab er als Devisen aus.
„Wir haben zwei Gebäude in unserem Bestand, die demnächst dringend saniert werden müssen. Dies bindet sehr viel Geld, so dass nur eingeschränkt Mittel für weitere Vorhaben und Maßnahmen übrigbleiben“, berichtete Steffen Dörr, seit Dezember 2023 geschäftsführender Vorstand der Kreisbau Main-Tauber, zugleich stellvertretend für seinen ehrenamtlichen Vorstandskollegen, Bürgermeister a.D. Klaus Kornberger. Sofern möglich, sei ein Anschluss an das Fernwärmenetz des Stadtwerks Tauberfranken eine effizientere Energiemaßnahme als andere Schritte.
Unisono forderten die Gesprächsteilnehmer einen drastischen Abbau des Übermaßes rechtlicher Regulierungen und Bürokratien. „In den vergangenen zehn bis 15 Jahren haben die bau- und planungsrechtlichen Vorschriften von 5000 auf circa 20 000 zugenommen“, verdeutlichte Wolfgang Reinhart exemplarisch.
Auflagen für Baupläne sind oft sehr unflexibel
„Die Auflagen für Baupläne sind oft sehr unflexibel und die Zeitspannen für eine Genehmigung zu lange“, bemängelte zum Beispiel Heiko Elsesser, Leiter Projektmanagement bei Goldbeck Südwest GmbH, Niederlassung Bestands- und Wohngebäude Rhein-Main. Das Unternehmen könne umfangreiche Erfahrungen und Prozesse vorweisen, dass sowohl serielles Bauen als auch eine integrale und alle Fachdisziplinen vereinende Planung ein erfolgreicher Schlüssel sei, um rasch den wachsenden Bedarf an bezahlbarem und gleichzeitig hochwertigem Wohnraum zu erfüllen.
„Wir machen die Gesetze nicht, sondern müssen sie anwenden und umsetzen“, verteidigte Christoph Schauder die Kreisverwaltung. Nicht selten ziehe sich ein Genehmigungsverfahren in die Länge, weil die Antragsunterlagen zunächst nur unvollständig oder mangelhaft eingereicht worden seien. Darüber hinaus kritisierte der Landrat eine mittlerweile bestehende Mentalität in der Gesellschaft, „gegen alles und jeden zu klagen“.
Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft verbessern
Dr. Iris Beuerle äußerte die Hoffnung und wichtige Forderung des Verbandes, dass durch die derzeitige Überarbeitung sowie beabsichtigte Novellierung der Landesbauordnung (LBO) eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft erzielt werde.
Im Landeswohnraumförderungsprogramm 2024 sei das Volumen in Höhe von 580 Millionen Euro bereits Mitte Juni ausgeschöpft gewesen, so dass zwar weiterhin Mittel beantragt werden konnten, die Wartezeit für eine Bewilligung jedoch bis zu einem Jahr betrage. „Wir schieben eine enorme Bugwelle vor uns her“, schilderte die Verbandsdirektorin die aktuelle Situation. „Der in Beratung befindliche Doppelhaushalt des Landes für 2025/2026 sehe 1,5 Milliarden Euro für dieses Förderprogramm vor“, informierte Wolfgang Reinhart.
Der Festakt sowie ein anschließendes Galadiner wurden von dem Jazz- und Swing-Trio „San Remo“ musikalisch begleitet. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens wurde eine Jubiläumsbroschüre der Kreisbau Main-Tauber präsentiert, die redaktionell von der Genossenschaftsmitarbeiterin Katja Stephan mit Unterstützung unter anderem durch den Bad Mergentheimer Stadtarchivar Alexander Plöbsch erstellt wurde.
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