Bei einer Bürgerversammlung in der Martin-von-Adelsheim-Schule hat Städtetagsdezernent Norbert Brugger über die Unechte Teilortswahl informiert. 20 Bürger waren gekommen.
Adelsheim. Norbert Brugger, Referent des Städtetags Baden-Württemberg, informierte auf verständliche Weise über die Vor- und Nachteile der Unechten Teilortswahl. Nur 20 Bürger wollten sich am Freitagabend in der Martin-von-Adelsheim-Schule über dieses Thema informieren.
„Zwei Anmerkungen habe ich vor meinem Referat: Erstens habe ich keine Mission der Überzeugung für oder gegen die Unechte Teilortswahl (UTW), sondern nur die Aufgabe der Aufklärung. Und zweitens ist heute Abend nur wichtig, wie Sie weiter verfahren möchten, und nicht, ob die UTW in der Vergangenheit gut oder schlecht war“, sagte Norbert Brugger zu Beginn seiner Ausführungen. Das Thema „Unechte Teilortswahl“ beschäftigt derzeit nahezu alle Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis. Denn im kommenden Jahr finden Kommunalwahlen statt.
In den 1970-er Jahren eingeführt
Zur Historie dieser in Baden-Württemberg einmaligen Regelung, die im Zuge der Gemeindereform in den 70-er Jahren eingeführt wurde, merkte Brugger an, dass sie damals durchaus ihre Berechtigung gehabt hätte. Mit Übernahme in die Gemeindesatzung musste die Regelung für mindestens zehn Jahre Bestand haben. Schließlich wurden damals rund 3300 Gemeinden auf ein Drittel geschrumpft. Zwei Drittel verloren ihre Selbstständigkeit und sollten zunächst ihre Vertretung im Gemeinderat garantiert haben. Jedoch sollte heute, weitere 40 Jahre später, das Zusammenwachsen der Gemeinden – wie dies auch in Adelsheim und seinen Ortsteilen Leibenstadt und Sennfeld der Fall ist – gelungen sein. Jeder Gemeinderat sollte sich für die ganze Stadt verantwortlich fühlen – wie es seine Aufgabe ist.
Bürgermeister Wolfram Bernhardt nahm es gelassen, dass nur 20 Bürger zu der Versammlung gekommen waren. Er freute sich über die Anwesenheit jedes Einzelnen, schließlich sei auch die Beteiligung an der Einwohnerversammlung zum gleichen Thema im viel größeren Tauberbischofsheim – trotz derer aktuellen Krise – mit 70 Interessierten bei nur 0,5 Prozent der Einwohnerzahl gelegen. Er sei stolz darauf, dass mit Norbert Brugger ein Referent zur Erklärung des Themas vom Städtetag geschickt worden sei, der leicht verständlich spreche. Und verstanden wurden die Ausführungen sehr schnell, wie die lebhafte und ausschließlich sachbezogene Diskussion – schon während des Referats – zeigte.
Zunächst erläuterte Brugger die Wahlmöglichkeiten. Bei der Unechten Teilortswahl geben alle Wahlberechtigten ihre Stimmen für Bewerber in allen Teilorten ab, wobei es möglicherweise noch Ausgleichssitze aufgrund von Differenzen zwischen Wohnbezirksergebnissen und Gesamtergebnis der Gemeinde geben kann. So könnte die Anzahl der Gemeinderäte sich nahezu verdoppeln. Außerdem sollte die Relation von Sitzen und Einwohnerzahl vor jeder Kommunalwahl geprüft und gegebenenfalls in der Hauptsatzung korrigiert werden, um zu vermeiden, dass die Wahl – wie in Tauberbischofsheim geschehen – für ungültig erklärt werde.
Alternativ könnte man eine Wahl ohne Wahlbezirke abhalten, bei der alle Wahlberechtigten ihre Stimmen für alle Bewerber abgeben könnten, was er selbst als die einfachste, Fehler vermeidende und demokratischste Variante ansah. Und schließlich gäbe es noch die Echte Teilortswahl, wie sie zum Beispiel bei Kreistagswahlen praktiziert werde. Dabei gebe es Wahlbezirke, und die Wahlberechtigten eines Wahlbezirks können nur unter den Bewerbern dieses Wahlbezirks wählen.
2019 lag aufgrund der Unechten Teilortswahl die Verteilung für die Kernstadt Adelsheim bei neun, für Sennfeld bei vier und für Leibenstadt bei zwei Sitzen. Das bedeutete, dass die Kernstadt nur mit 60 Prozent, statt gemäß ihrer Einwohnerzahl mit 70,7 Prozent, vertreten war. Sennfeld war minimal mit 1,1 Prozent und Leibenstadt mit 6,6 Prozent überrepräsentiert.
Bessere Wahlbeteiligung
Norbert Brugger sprach auch die Wahlbeteiligung an, die erfahrungsgemäß größer ist, je kleiner der Ortsteil ist. Das trifft auch auf Adelsheim zu, wo 2019 Leibenstadt auf 64 Prozent Wahlbeteiligung kam, Sennfeld auf 55 Prozent und Adelsheim auf rund 40 Prozent. Bei Abschaffung der Unechten Teilortswahl würde sich diese Statistik positiv auf die Vertretung der kleineren Ortsteile auswirken. Außerdem würde das Wahlrecht weniger eingeschränkt. Die nicht unerhebliche Zahl an ungültigen Stimmzetteln würde sich reduzieren. Denn das Wahlverfahren würde erheblich vereinfacht werden.
Wie die Statistik des Städtetags zeigte, beschließen immer mehr Kommunen die Abschaffung der unechten Teilortswahl. Wandten 1989 noch 680 Gemeinden dieses Wahlverfahren an, so hatten sich bis 2019 fast 300 Kommunen von der Unechten Teilortswahl verabschiedet. Dies könne durch Bürgerentscheid oder Gemeinderatsvotum geschehen.
Ohne Unechte Teilortswahl hätte die Kernstadt beispielsweise bei der Gemeinderatswahl 2019 maximal 15 statt der neun wählbaren Bewerber gehabt, Sennfeld sieben statt vier und Leibenstadt fünf anstelle von zwei. Das könnte jedoch 2024 je nach verfügbaren Bewerbern ganz anders aussehen.
Bürgermeister für Abschaffung
Bürgermeister Wolfram Bernhardt outete sich in seinem Schlussplädoyer als Verfechter der UTW-Abschaffung: „Ich unterstütze die Abschaffung der Unechten Teilortswahl aus mehreren Gründen. Zum einen, weil es das Wahlverfahren erleichtert und so hoffentlich die Wahlbeteiligung erhöht und auch die Zahl der ungültigen Stimmzettel reduziert wird. Zum anderen, weil ein Ortsteildenken im Adelsheimer Gemeinderat ohnehin nicht existiert, sondern das Wohl der Gesamtgemeinde im Vordergrund steht. Wenn die Mitglieder des Gemeinderats von allen Bewohnern aller Ortsteile gewählt werden können, wird diese Verpflichtung allen Einwohnern gegenüber noch weiter zum Ausdruck gebracht.“ Er erläuterte, dass man in den nächsten Sitzungen im Ortschaftsrat Leibenstadt sowie in den Ausschüssen Sennfeld und Adelsheim das Gehörte diskutieren werde, und hoffte auf eine gute und finale Entscheidung des Gemeinderats in der Juli-Sitzung. L.M.
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