Wie ein Prozess erschreckend unprofessionell ablaufen kann

Das war nix - so der Eindruck von Redakteur Simon Retzbach zum Auftakt eines Vergewaltigungsprozesses am Landgericht Mosbach. Die Kammer muss sich kritisch hinterfragen.

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Simon Retzbach
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Lauda. Haben Sie den Ernst der Lage verstanden? Diese Frage in Richtung des Angeklagten hört man des Öfteren mal in Prozessen. Meistens ist dies jedoch bei minderschweren Vorwürfen an Amtsgerichten der Fall. Mit Blick auf den Vergewaltigungsprozess am Landgericht Mosbach muss man diese Frage als Beobachter auch stellen. Allerdings gilt sie dieses Mal nicht dem Angeklagten, sondern der 8. Strafkammer des Landgerichts unter Leitung von Michael Haas. Mehrere Dinge ergeben zusammengenommen den Eindruck, als würde der Prozess von der Kammer nicht ernst genug genommen.

Es geht damit los, dass die Mehrzahl der Zeugen keine Ladung erhält und nur durch Zufall und Eigeninitiative überhaupt zum Aussagen vor Ort ist. Es geht weiter damit, dass ein Schöffe (im Prozess gleichberechtigt zu Berufsrichtern und eine urteilsrelevante Stimme!) mehrfach nicht in der Lage ist, sein Handy stumm zu schalten und somit wiederholt für Ablenkungen vom Prozess sorgt. Und final erlaubt sich ausgerechnet der erfahrene Vorsitzende Richter Michael Haas den wohl größten Patzer.

Zum Abschluss des ersten Verhandlungstages – es ist noch kein Urteil gefallen – läuft er grinsend am Angeklagten vorbei und lobt dessen „schönes Trikot“. Ein Moment unnötiger Distanzlosigkeit, der nur auf den ersten Blick wie ein harmloser Scherz unter Fußballfans wirkt. Mit dieser unprofessionellen Äußerung, und sei sie auch noch so kurz, könnte Richter Haas als Kammervorsitzender möglicherweise Sympathie für den Angeklagten erkennen lassen, die ein Urteil in zwei Wochen beeinflussen könnte. Ist dann wirklich noch ein eventuell erforderliches, härteres Strafmaß denkbar? Fragen, die sich ein Prozessbeobachter eigentlich gar nicht erst stellen sollte. Die aber in einer solchen Situation zwangsläufig aufkommen.

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Ein schlimmer Fehltritt des Richters, der zuvor selbst noch in einer gut hörbaren Schelte gegenüber dem Schöffen mit klingelndem Handy davon sprach, dass das hier „keine Spaßveranstaltung“ sei. Mit seinem eigenen Patzer gegenüber dem Angeklagten wird der Vorsitzende dem Anspruch eines solchen Verfahrens nicht gerecht.

Es wird keine Lappalie verhandelt. Ob und inwiefern der Angeklagte schuldig ist, lässt sich nach diesem ersten Verhandlungstag schwer sagen. Die Sachlage ist komplex. Umso dringender ist absolute Sachlichkeit der Kammer geboten. Daran wird sich die 8. Strafkammer hoffentlich beim nächsten Mal erinnern. Denn Richter Haas hat völlig Recht: „Das ist hier keine Spaßveranstaltung!“

Redaktion

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