Lauda-Königshofen/Mosbach. Beim Blick auf das umfangreiche Programm hätte man eine derart unklare Lage nicht unbedingt erwartet. Immerhin zehn Zeugen sollten von der 8. Großen Strafkammer zum Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung gegenüber einem 32-Jährigen gehört werden.
Klar wurde vor allem eines: Die Erinnerung an den knapp zwei Jahre zurückliegenden Vorfall war bei allen Zeugen nicht mehr die beste. Was genau geschah auf der privaten Party im Januar 2023, lässt sich auch nach Aussagen der zahlreichen Zeugen nicht wirklich sicher sagen.
Doch von vorne: Der Angeklagte G. wird beschuldigt, im Rahmen der Feier in der Innenstadt von Lauda seine Bekannte B. vergewaltigt zu haben. Aus einvernehmlichem Sexualkontakt wurde im Laufe des Abends nach Schilderung von Staatsanwältin Jana Wolf-Mittmann eine Vergewaltigung. G. habe mehrere klare Aussagen der Geschädigten („Ich will das nicht“) ignoriert und erst gestoppt, als diese erbrochen habe. Derart aggressiv habe er dann außerdem dem Hausherrn, der seine Wohnung für die Party zur Verfügung stellte, im Rahmen einer Auseinandersetzung mehrfach ins Gesicht geschlagen.
Die Rekonstruktion des Abends gestaltete sich äußerst schwierig. Denn alle Partygäste mit Ausnahme des Hausherrn waren nach eigenen Aussagen stark betrunken, was die ohnehin schwache Erinnerung an den Abend vor knapp zwei Jahren zusätzlich trübte. Der Angeklagte äußerte sich am ersten Verhandlungstag nicht. Die vermeintliche Geschädigte B. schilderte, sie habe viel Alkohol getrunken und im Laufe des Abends sei ihr immer schlechter geworden. „Mit mir stimmt was nicht, ich hatte Herzrasen“, beschrieb sie ihren Zustand an besagtem Abend.
Zeugen hatten mit lückenhafter Erinnerung zu kämpfen
Sie sei plötzlich im Schlafzimmer der Partylocation aufgewacht und dort – nach zuvor einvernehmlichem Verkehr – vom Angeklagten zu weiteren sexuellen Handlungen gezwungen worden. „Mir war echt schlecht und ich habe geschrien, dass ich das nicht möchte“, erzählte sie. Doch vergeblich, erst nach ihrem Erbrechen und einem Einschreiten durch den Hausherrn ließ der Angeklagte demnach von ihr ab.
Doch die junge Frau hatte – ebenso wie die anderen Zeugen – stark mit Erinnerungslücken zu kämpfen und konnte zu den Vorkommnissen nur wenig sagen. Immer wieder kam es zu Widersprüchlichem bei der Befragung durch die Verteidiger Michael Traub und Niklas Baudach. Diese machten deutlich, dass sie die Aussage für „sehr, sehr dünn“ und „widersprüchlich“ halten. Ihre Vermutung: Der Frau wurde durch den Hausherrn eingeredet, der Angeklagte habe sie vergewaltigt. Das Motiv des Mannes: Er sei sauer gewesen, dass die Partygäste sein Mobiliar beim Feiern beschädigt hatten und der Angeklagte ihn schlug.
Unterschiedliche Aussagen über Zustand der Frau
Weitere Zeugen – mehrheitlich die Gäste der Privatparty – schilderten eine kurze, aber äußerst wilde Beziehung zwischen der mutmaßlichen Geschädigten B. und dem Angeklagten G. Diese wären bereits zuvor „sexuell aktiv“ geworden und auch an besagtem Abend hätten sie immer wieder Kontakt zueinander gesucht. Über den Zustand der B. gab es hierbei unterschiedliche Aussagen von „total Blackout, null aufnahmefähig“ zu „noch normal“.
Dass es eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Hausherrn gab, wurde mehrfach bestätigt. Der G. sei „etwas impulsiv und aggressiv, wenn er getrunken hat“. Zumindest einen Schlag des Angeklagten wollen manche der Partygäste gesehen haben.
Zur möglichen Vergewaltigung gab es durch die Zeugen unterschiedliche Aussagen, die jedoch eher den Angeklagten in Schutz nahmen. „Sie hat nicht gesagt, dass sie das nicht will“, war sich ein Anwesender sicher – ein klarer Widerspruch zur Aussage des Hausherrn zuvor, der Hilfeschreie und ablehnende Worte der Frau gehört haben will.
Beamter rätselt über Verhalten der jungen Frau
Ihr gegenüber habe die B. wenige Wochen nach dem Abend gemeint, dass sie nichts von einer Vergewaltigung wisse, sagte eine Zeugin vor Gericht aus. Der Hausherr habe der B. die Vergewaltigung „eingeflößt“. „Er packt Geschichten aus, von denen nur er weiß“, beschrieb sie vor Gericht. Ein Polizist erklärte, dass man an besagtem Abend in erster Linie wegen der Körperverletzung gerufen wurde und erst im Laufe des Einsatzes die mögliche Vergewaltigung zur Sprache kam. Die vermeintlich Geschädigte hätte jedoch nach anfänglichen Aussagen plötzlich verneint, dass es eine Vergewaltigung gegeben habe. „Will sie von dem Vorfall vielleicht einfach nichts mehr wissen?“, rätselte der Beamte über das widersprüchliche Verhalten der Frau.
Es blieb an diesem ersten Verhandlungstag vieles unklar. Gab es nun Aussagen der Frau, sie wolle den Geschlechtsverkehr nicht? Welche Rolle spielten der Hausherr und die anderen Partygäste? Wie lassen sich die teils recht wirren und widersprüchlichen Aussagen der mutmaßlichen Geschädigten erklären? Und inwiefern hat sich der Angeklagte G. etwas zuschulden kommen lassen?
Ob sich alle diese Fragen jemals beantworten lassen, bleibt offen. Ein Urteil ist für Montag, 18. November, vorgesehen.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/lauda-koenigshofen_artikel,-lauda-koenigshofen-lauda-koenigshofen-prozess-um-vergewaltigung-laesst-etliche-fragen-offen-_arid,2258799.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Wie ein Prozess erschreckend unprofessionell ablaufen kann