Kommentar Für die deutschen Handballer steht bei der WM viel auf dem Spiel

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft muss bei der WM hohe Erwartungen erfüllen, kommentiert Marc Stevermüer. Und sie muss sich ein Jahr vor der Heim-EM in eine gute Situation bringen

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Marc Stevermüer
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Die Nationalmannschaft ist gemeinhin das Aushängeschild einer gesamten Sportart. Oder besser gesagt: Sie sollte es sein. Den deutschen Fußballern gelang das zuletzt nämlich nicht, womit sie sich in guter Gesellschaft befinden. Denn auch die Handballer haben beim Thema Erfolg Nachholbedarf, was in beiden Fällen zu einem Problem führt. Die zwei wichtigsten Männer-Nationalteams des Landes stehen 2024 vor einer Heim-EM und müssen dann liefern. Sprich: das Halbfinale erreichen.

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Wie weit die Fußballer allerdings von der Weltspitze entfernt sind, wurde gerade erst mit dem WM-Debakel in Katar deutlich. Und auch die Handballer gehören hinsichtlich ihrer individuellen Qualitäten momentan nicht zur internationalen Spitzenklasse. Im Gegensatz zu den Fußballern wissen sie das allerdings, was die Herangehensweise an die nahende WM grundlegend verändert. Denn allen in der Auswahl des Deutschen Handballbundes ist klar, dass sie nur mit mannschaftlicher Geschlossenheit und einer starken Verteidigung erfolgreich sein können.

Beim Turnier in Polen und Schweden geht es für die Deutschen deshalb um die einfachen Tore, also um Ballgewinne in der Abwehr und überfallartige Angriffe gegen einen unsortierten Gegner. Was damit möglich ist, zeigt der deutsche Meister SC Magdeburg seit längerer Zeit. Und auch die Rhein-Neckar Löwen sind seit dieser Saison stilprägend, wenn es um das Tempospiel geht. Nicht rein zufällig stehen sie und auch die Magdeburger weit oben in der Tabelle.

Mit einer funktionierenden Strategie lässt sich also viel wettmachen– aber eben nicht alles, weshalb Liga und Verband in der Pflicht stehen, künftig Weltklasse-Rückraumspieler auszubilden. Löwe Juri Knorr ist auf dem besten Weg, dieses Niveau zu erreichen. Vielleicht gelingt das auch Julian Köster. Aber danach wird es dann doch recht dünn. Ein alarmierendes Armutszeugnis für die größte Handballnation der Welt.

Das Viertelfinale muss es sein

Um diesen Mangel an individueller Qualität auszugleichen, muss jetzt also die Taktik passen. Bundestrainer Alfred Gislason hat entsprechend einen auf Tempohandball zugeschnittenen Kader nominiert. Nur weiß er nicht, ob die Basis dieses Spiels tatsächlich funktioniert. Denn auch das einstige Prunkstück, die Abwehr, ist wackelig – und wenn die nicht steht, dann droht bei der WM ein ähnlich böses Erwachen wie den Fußballern. Samt anschließender Personaldebatte.

Die Erwartungen an die deutsche Mannschaft sind nämlich unabhängig von allen Problemen hoch. Und das dürfen sie auch sein. Die Auslosung meinte es ganz gut mit dem DHB-Team, das Viertelfinale ist nicht nur ein mögliches, sondern ein realistisches Ziel. Vielleicht sogar ein Muss, um vor der Heim-EM ein Zeichen zu setzen. Kurzum: Das Verpassen der K.o.-Runde wäre eine Enttäuschung, ein Stimmungskiller – und würde auch Zweifel an Gislason säen.

Bei den von Corona geprägten Turnieren 2021 (WM-Zwölfter) und 2022 (EM-Siebter) verwies er zurecht auf die widrigen Umstände. Eine Bewertung seiner Arbeit war bislang also schwierig. Nichtsdestotrotz trat der Isländer 2020 als Bundestrainer an, um die Deutschen zurück in die Weltspitze zu führen. Ein Jahr vor der Heim-EM sollte davon etwas zu sehen sein.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft