Kolumne #mahlzeit

So dick wäre ich zum 200. Geburtstag

Zum Minimaljubiläum seiner 200. Kolumne "#mahlzeit" fragt sich unser Kolumnist, wie dick ein Buch mit all seinen Kolumnen wäre - dicker als Goethes "Wahlverwandtschaften" jedenfalls. Läuft das auf einen Vergleich hinaus?

Von 
Stefan M. Dettlinger
Lesedauer: 
© kako

Klar, ich mache auch vollkommen unnütze Dinge: beim Spazieren darauf achten, nicht auf die Fugen der Steinplatten zu treten, AfD-Plakate lesen, Tennis, Gitarre. Neulich habe ich Chatbot AI eine kolossal sinnfreie Frage gestellt. Die Antwort war ernüchternd: „Tut mir leid, leider kenne ich die genaue Zeichenanzahl des Buches ’Doktor Faustus’ von Thomas Mann nicht. Die Länge eines Buches wird normalerweise in Seiten oder Wörtern (falsch, d. Red.) angegeben, nicht in reiner Zeichenzahl. Um die genaue Seitenzahl oder Zeichenzahl zu erfahren, müsste ich die Originalausgabe oder eine spezifische Edition des Buches nachschlagen. Als KI-Assistent habe ich keinen direkten Zugriff auf solche detaillierten Buchinformationen (was?). Ich kann Ihnen aber sagen, dass ‘Doktor Faustus’ ein umfangreiches und komplexes Werk von Thomas Mann ist, das in der Regel mehrere hundert Seiten umfasst (ach ne!).“

Ehrlich: Ich bin froh, dass KI auch nicht höher anzusiedeln ist als DI (Dettis Intelligenz). Ich bin so klug als wie zuvor! Ich habe den „Doktor Faustus“ des alten weißen (Thomas) Mannes mehrmals gelesen und geliebt. Schon der Anfang: „Mit aller Bestimmtheit will ich versichern, dass es keineswegs aus dem Wunsche geschieht, meine Person in den Vordergrund zu schieben, wenn ich diesen Mitteilungen …“ Und dann wird man Zeuge, wie viel Spaß es T.M. unter der Tarnkappe von Ich-Erzähler Serenus Zeitblom bereitet, sich in den Vordergrund zu schieben. Das ist grandios und grandios lustig.

Mit aller Bestimmtheit will auch ich versichern, dass es keineswegs aus dem Wunsche geschieht, meine Person in den Vordergrund zu schieben, wenn ich diesen Mitteilungen hier nun kuriose Rechnungen folgen lasse. Aber es gibt ein Minimaljubiläum: Was hier so sinnfrei vorliegt, ist meine 200. Kolumne „#mahlzeit“ mit je etwas über 3000 Zeichen (ja, Journalisten rechnen heute so). Und dieser Umstand hat mich zu der Frage geführt, wie dick ein Buch mit allen 200 mehr oder weniger geglückten Kolumnen von mir wäre. Ich dachte: in etwa wie „Doktor Faustus“, einem eher kürzeren Roman von T.M.?

Leider habe ich mich total vertan. Da die KI nicht helfen konnte, habe ich selbst gezählt: Meine Ausgabe (S. Fischer) hat auf jeder der rund 670 Seiten 36 Zeilen à rund 60 Zeichen, macht rund 1,4 Millionen. Mit meinen Kolumnen komme ich auf knapp die Hälfte (44 Prozent), was aber deutlich mehr ist als Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ und immer noch ein bisschen mehr als Goethes Meisterwerk „Wahlverwandtschaften“, womit ich mit aller Bestimmtheit eventuell aufkommenden Gerüchten entgegentreten will, ich sei jetzt vollkommen übergeschnappt und würde mich mit Goethe vergleiche. Das tue ich nicht. Aber es gibt „Zahlverwandtschaften“. Und die „Bibel“, „Ilias“ und das Kleingedruckte bei Versicherungspolicen sind sowieso dicker als mein Buch.

Nonsens? Ich hatte ja gewarnt! Ich mache auch vollkommen unnütze Dinge. Das entspannt. Bei der Weltlage werde ich sonst verrückt. Ich bin jetzt übrigens bei 619 657 Zeichen, jetzt bei 619 685. Doktor Faustus, ich komme …

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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