Kolumne #mahlzeit

Warum Bela eine Verschwörung wittert

Bela wittert eine Verschwörung der Subventionskulturmischpoke und klagt: Warum machen die so verquere Sachen, die keiner versteht? Unser Kolumnist Stefan M. Dettlinger nimmt den Faden auf und landet - in der eigenen Redaktionsstube

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Er habe es satt, sagt Bela, während er wild mit seinem iPad in der Luft rum fuchtelt und fast Caro an den Kopf stößt. Dieses geisteskranke Geschwurbel der Kulturleute und Feuilletonisten stehe ihm bis hier, sagt er. Bela legt die Hand vertikal an die Oberlippe. Keiner schreibe, was er wirklich denke, er, Bela, glaube, es gebe seit langem eine Verschwörung der Subventionskulturmischpoke gegen die Leute. Die im Theater und Literaturbetrieb sowieso. Die machten nur, was sie selbst, ihre Dramaturgen und die Kritiker interessiere. Und die in den Redaktionsstuben fänden das dann natürlich gut, obwohl sie, wie auch viele Sponsoren des Theaters, hinter vorgehaltener Hand ablästerten. Belas Nüstern sind ungewöhnlich aufgepumpt.

„Brauchst du was? Willst du einen Joint? Ich hab’ da was, du kannst …, wenn du mich auch mal lässt …“, sagt Caro – wohl, um den Mann zu beruhigen. Der sieht jetzt aber erst recht rot. Wenn er über Schauspiel lese, etwas sei „am Puls der Zeit“, wisse er sofort, dass es um Schwule, Lesben und queere Figuren gehe. Wenn drinstünde, etwas sei „vom Feuilleton hochgelobt“ oder es sei „ein verstörendes Debüt“, wisse er sofort, dass er es und auch sonst keiner außerhalb der Theaterbelegschaft verstehe und vor allem: keinen Menschen interessiere. Und wenn drinstünde, dass etwas bewegend sei, wisse er sofort: Da stirbt ein Hund. Oder eine Katze. Oder ein Kind. Oder Mama hat Krebs. Belas Teint bekommt Tomatenqualität.

Ob er da nicht etwas übertreibe, sagt Caro, atmet ostentativ beruhigend aus und zieht den Joint aus ihrer Bluse (oder was das Textil auch immer sein soll). Mit schräg gestelltem Kopf und bei Caro nie gesehenem Charme hält sie ihn Bela hin, der unwirsch sagt: „Jetzt kennen wir uns schon so lange, und du weißt’s immer noch nicht: Ich. Rauche. Nicht!“ Wenn sie ihn so ansehe, sehe sie da einen Widerspruch zwischen dem, was er sage, und dem, was er momentan habe: „einen glühenden Kopf, der raucht: Glaub’ mir, das hier kann dir helfen“, sagt sie.

„Was sagst du eigentlich zu all dem?“, bellt Bela mich an. Nun, ich bin, manche kennen das ja, auch nicht immer der Oberdiplomat und sage erst mal (um Zeit zu gewinnen), dass er prinzipiell nicht Unrecht habe. Ich erwähne (um Zeit zu gewinnen) den Film „Der Dummschwätzer“, in dem der notorische Lügner Fletcher (Jim Carey) seinem Sohn schwört, einen Tag lang nur die Wahrheit zu sprechen. Was soll ich sagen: Fletcher ruiniert sein Leben. Und so ertappt man sich auch als Schreiber dabei, dass man schreiben will „abgekupfert“, dann aber doch „in der Tradition von“ nimmt, dass man „so ein Unsinn“ schreiben will, sich aber für „es bleiben Fragen“ entscheidet, dass man „gestelzt und manieriert“ sagen will, aber „mit poetischer Stimme“ wählt, dass man schreiben möchte, dass das Verlagslektorat sich vom Renommee des Autors hat blenden lassen (ergo das Buch viel zu lang ist), dann aber „ein episches Werk“ tippt. Apropos: Ich höre jetzt auf. Ich will mir nicht anhören müssen, ich schriebe epische Kolumnen. Die Wahrheit kann schmerzhaft sein. Lächelt Bela jetzt sogar ein wenig?

Schreiben Sie mir: mahlzeit@mannheimer-morgen.de 

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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