Überall in Deutschland und auch irgendwo hier in der Nähe (war es nicht in Mannheims Süden?) wollen sie die Namen von Straßen und Plätzen ändern. Vereine, Frauenrunden und andere engagierte Bürgerinnen, Bürger, Aktivisten und Aktivistinnen setzen sich dafür ein, dass schändlicher Übeltäter nicht mehr mit Straßenschildern gedacht wird (Übeltäterinnen wie Eva Braun, Magda Goebbels oder Winifred Wagner haben natürlich keine Straßenschilder). Sie setzen sich auch dafür ein, dass mehr Damen auf Schilder kommen. Wer überhaupt die Chance hat, eine Straße zu bekommen, sind Leute wie Bertha Benz, die als Erfinderin des Bremsbelags gilt. Es gibt viel zu wenige nach Frauen benannte Straßen. Dabei gibt es große Frauen: Kleopatra, Jeanne d’Arc, Marie Curie, Angela Merkel …
Ein Verein, der sich mit Kolonialgeschichte befasst, setzt sich jetzt dafür ein, dass Namen wie Theodor Leutwein, Adolf Lüderitz oder Lothar von Trotha endgültig getilgt werden. Alle drei haben in der Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika Schreckliches verbrochen. Von Trothas sogenannter Vernichtungsbefehl gilt als Basis für den Völkermord an den Hereros und Nama.
„Das ist leider eines von vielen traurigen Kapiteln der deutschen Geschichte, die Namen müssen weg“, sagt Alya. Bela meint daraufhin: „Traurig, ja, aber es i s t ein Kapitel der deutschen Geschichte, an das diese Straßenschilder erinnern. Und diese Erinnerung ist sehr wichtig. Sie muss bleiben. Deswegen müssen auch die Straßenschilder bleiben.“
Aber man könne doch unmöglich eine Adolf-Hitler-Brücke Adolf-Hitler-Brücke heißen lassen, nur weil man an den Ober-Nazi erinnern wolle, meint eine etwas aufgebrachte Alya jetzt – die natürlich Recht hat. Bela wirkt nun ein bisschen nachdenklich.
Hm. Also ich bin ja ein großer Freund kommentierter Ausgaben. Ich besitze Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in der kommentierten Ausgabe und halte es für wichtig, dass es sie gibt und die Welt auf diese Weise buchstäblich nachlesen kann, wie krank Adolf Hitler war. Es gibt doch Straßenschilder, die heißen „Schenkendorfstraße“, und drunter steht „1783-1817, deutscher Dichter“. Natürlich kann man jetzt nicht hergehen und „Lothar-von-Trotha-Straße – 1848-1920, preußischer General, verantwortlich für den Völkermord an Herero und Nama“ auf ein Schild schreiben, aber …
„Gibt es nicht einen Weg, den Namen zu lassen und in historisch verantwortlichem Sinn Erinnerungskultur zu betreiben und Kontexte herzustellen?“, frage ich die beiden. „Sehe ich nicht“, sagt Alya. „Vielleicht“, beginnt nun Bela zaghaft, „kann man einen neuen Namen setzen, sagen wir einen Friedenshelden im Kampf gegen Rassismus, und dennoch den alten nicht tilgen, sondern den Leuten die Geschichte und Zusammenhänge erklären.“ „Ein Straßenschild ist doch kein historisches Museum“, wende ich ein, „außerdem: Wer hat schon die Zeit, wenn er Auto oder Rad fährt, das alles zu lesen?“ Wäre Caro da, sie hätte vielleicht eine Idee. Aber sie ist immer noch sauer wegen der Sache von letzter Woche …
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