Kino

"White Bird": Menschlichkeit und Überleben im Schatten des Holocaust

Marc Foster erzählt in „White Bird“ - nach der Graphic-Novel-Vorlage von Raquel J. Palacio - die Geschichte einer Jugendfreundschaft im besetzten Frankreich des Zweiten Weltkriegs

Von 
Gebhard Hölzl
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Helen Mirren als Großmutter und Bryce Gheisar als Julian in dem neuen Film „White Bird“ (Filmstart: 11. April). © Larry Horricks/Lionsgate/_DSC5559/Larry Horricks/Lionsgate

Filme über den Holocaust gehören spätestens seit Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ (1993) zum Kino-Kanon. Gerne wird dabei der Mut jener Menschen thematisiert, die Juden unter größter persönlicher Gefahr Unterschlupf gewährten, sie vor den Schergen des nationalsozialistischen Regimes versteckten.

Zurzeit läuft im Kino James Hawes‘ „One Life“, die Story des „britischen Schindler“ Nicholas Winton, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs 669 jüdische Kinder aus der Tschechoslowakei nach England in Sicherheit brachte. Des Musikers Wladyslaw Szpilman, der im Warschauer Ghetto von einem Wehrmachtsoffizier versteckt und versorgt wurde, entsinnt sich Roman Polanski in „Der Pianist“ (2002).

In „White Bird“ geht es auch um Mobbing und Selbstbemächtigung

Nur drei Beispiele, alle basierend auf wahren Begebenheiten. Der 1969 in Ulm geborene, deutsch-schweizer Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Marc Forster, bekannt für so unterschiedliche Kassenerfolge wie „James Bond 007: Ein Quantum Trost“, „World War Z“ oder „Ein Mann namens Otto“, geht einen anderen Weg. Er hat - nach Mark Bombacks („Planet der Affen: Survival“) Skript - die Graphic Novel „White Bird“ (2019) von Raquel J. Palacio adaptiert. Das Buch knüpft an ihrem Bestseller „Wunder“ (2012) an, in dem es um Vorurteile und Schikanen geht, mit einem Jungen namens Julian als zentralen Charakter.

Dieser taucht nun, gespielt von Bryce Gheisar, im New York der Gegenwart wieder auf. Er ist gerade wegen wiederholten Mobbings von seiner (Elite-)Schule verwiesen worden. Zum Leidwesen seiner Großmutter Sara (Helen Mirren). Die berühmte Künstlerin ist gerade aus Paris angereist, soll eine ihr zu Ehren ausgerichtete Retrospektive eröffnen. Um ihrem Enkel zu helfen, beschließt sie, ihm die Geschichte ihrer eigenen Jugend zu erzählen.

Die Scheune als Zufluchtsort für Fantasiewelten

Zurück ins Frankreich der frühen 1940er-Jahre geht es. Die musisch veranlagte, zeichnerisch begabte Sara (Ariella Glaser) wächst behütet in der kleinen Gemeinde Aubervilliers aux Bois auf. Die Idylle ändert sich mit der Besetzung des Landes schlagartig. Deutsche Soldaten durchsuchen Saras Schule nach jüdischen Kindern. Dank der Hilfe ihres Klassenkameraden Julien (Orlando Schwerdt) gelingt ihr die Flucht.

Gillian Anderson - Die Rothaarige

  • Gillian Anderson ist seit ihrem Part als Dana Scully im TV-Dauerbrenner Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI (1993 - 2018) Kult. 1968 wurde sie in ChicagoIllinois, als Tochter eines Hippie-Paares geboren, das sich nach 13 Wanderjahren schließlich in Grand RapidsMichigan, niederließ. Während der Highschool spielte sie in einer Punkband und trat in einer Amateurtheatergruppe auf.
  • 1987 nahm die nur 1,60 Meter große Mimin mit den flammroten Haaren am Sommerprogramm des National Theatre of Great Britain an der Syracuse University teil und studierte an der Goodman Theatre School in Chicago. Nach dem Umzug nach Los Angeles gab sie - mehrfach in „Sexiest Women Alive“-Listen vertreten - im Drama „The Turning“ ihr Leinwanddebüt. In der Folge war sie in „Der letzte König von Schottland“, im Schweizer Drama „Winterdieb“, in „Mr. Morgans letzte Liebe“ oder der 007-Parodie „Johnny English - Jetzt erst recht!“ zu sehen.
  • Bekannter ist die Darstellerin und Produzentin jedoch durch ihre TV-Auftritte, etwa in den Serien „Hannibal“, „The Fall: Tod in Belfast“, „The Crown“ oder „Sex Education“. Die dreifache Mutter, für „Akte X“ unter anderem mit dem Golden Globe, SFX Award und Emmy ausgezeichnet, war mit Dokumentarfilmer Julian Ozanne und Art Director Clyde Klotz verheiratet, mit Geschäftsmann Mark Griffith liiert.
  • Bühnengagen spendet Gillian Leigh Anderson der Umweltorganisation Survival International.

Er bringt sie auf dem Hof seiner Eltern (Gillian Andersen & Jo Stone-Fewings) in Sicherheit. Bald sind sie unzertrennlich, verbringen jede freie Minute miteinander. Die Scheune, Saras Versteck, wird zum magischen Zufluchtsort, wo sie sich in Fantasiewelten flüchten. Stets bedroht von der Gefahr entdeckt zu werden ...

Kraft der Magie und der Freundschaft

Um die Kraft der Magie und der Freundschaft geht es dem Filmemacher, siehe „Wenn Träume fliegen lernen“ oder „Christopher Robin“, einmal mehr. Drama mischt er mit Fantasy. Der Banalität des Bösen, der NS-Willkür, setzt er tatkräftige Menschlichkeit entgegen. Zuallererst in Person des Julien, der seit seiner Polioerkrankung auf Krücken geht, sich aber nicht brechen lässt. Von den brutalen Besatzern ebenso wenig von seinen Mitschülern, die ihn beständig hänseln, körperlich misshandeln und als „Krüppel“ ausgrenzen.

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Neben ihm, ihrer Lehrerin und dem örtlichen Priester, ist Juliens Mutter, zupackend und empathisch verkörpert von Anderson („Akte X: Die unheimlichen Fälle des FBI“), Saras größte Stütze. Wie ihr eigenes Kind nimmt sie sich des klugen Mädchens an, tröstet es - „In dunklen Zeiten erinnern uns Kleinigkeiten an unsere Güte“ -, steht ihm unverdrossen mit Rat und Tat zur Seite.

Das Bild stimmt, aber die Symbolik wirkt teils überladen

Derweil die beiden Teenager auf dem Heuboden im Gedanken im stillgelegten Auto in die Seine-Metropole und nach New York reisen, sich von Julien im Kino besorgte Filme ansehen und miteinander tanzen. Wie Märchen muten diese Momente an. Passend dazu hält Forsters Stammkameramann Matthias Koenigswieser seine Aufnahmen. Nebelverhangen, verschneit ist die Landschaft - stellvertretend für das Elsass wurde in Tschechien gedreht -, dunkel und mysteriös der Wald - ein harter Kontrast zur brutalen Realität.

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Viel Atmosphäre, viel, insgesamt zu viel Symbolik, wie etwa der Titel gebende Vogel - Emblem für Frieden und Freiheit - der immer wieder durchs Bild fliegt. Das geht auf Kosten der Zeichnung der Figuren, von denen einige nur oberflächlich skizziert werden. Neben den eindimensionalen Nazis Juliens Vater oder dessen Nachbarn, die als Denunzianten verdächtigt werden.

Gerne sieht man Nachwuchshoffnung Glaser („Marie Curie - Elemente des Lebens“) zu, gewohnt solide und schwungvoll agiert in der Rahmenhandlung die unverwüstliche „Queen“ Mirren. Als coole Oma und kämpferische Frauenrechtlerin, die zur Eröffnung ihrer Werkschau die Faust ballt, diese vom Rednerpult aus den Gästen entgegenreckt und „Vive l’humanité“ - „Es lebe die Menschlichkeit!“ - ruft. Ein unnötiges Feminismus-Klischee.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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