Der neue Film

Serienklassiker mit gruseligem Rummel-Besuch wiederbelebt

Thomas Stuber erweckt den populären DDR-Serienklassiker „Spuk unterm Riesenrad“ als turbulenten Familienspaß auf der Leinwand zu neuem, Geist-reichen Leben

Von 
Gebhard Hölzl
Lesedauer: 
Familienfilm der Sonderklasse: Elisabeth Bellé (Mitte) als Tammi, Anna Schudt (r.) als Hexe sowie David Bennent (l.) als Rumpelstilzchen. © MIDEU Films GmbH/Jens Hauspurg/dpa

Riesenrad. Bei diesem Wort denkt man fast automatisch an Wien. An den Prater. Oder Carol Reeds „Der dritte Mann“, in dem Orson Welles als Harry Lime in der Nachkriegszeit im Schatten des österreichischen Wahrzeichens finsteren Geschäften nachgeht. Ist man jedoch in der DDR aufgewachsen, fällt einem wohl eher die siebenteilige Kinderserie „Spuk unterm Riesenrad“ ein, die ab 1979 regelmäßig im ostdeutschen Fernsehen lief - so erfolgreich, dass aus den einzelnen Episoden sogar ein Kino-Zweiteiler montiert wurde.

"Spuk unterm Riesenrad" sind wohl eine Kindheitserinnerung für das Remake

Film oder Serie sind wohl eine Kindheitserinnerung von Thomas Stuber, 1981 in Leipzig geboren. Der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg gewann für „Von Hunden und Pferden“ den Deutschen Kurzfilmpreis und wurde 2012 mit dem Studenten-Oscar in Silber ausgezeichnet. Das Drehbuch basierte auf einer Geschichte von Clemens Meyer mit dem der Regisseur in der Folge die Skripts zu seinen hoch gelobten, mehrfach prämierten Kinofilmen „Herbert“ und „In den Gängen“ schrieb. Hauptdarsteller war jeweils Peter Kurth, der nun launig als Erzähler durch dessen „Spuk“-Remake führt, bei dem „Die Köbris“ („Winnetous Sohn“) - alias Anja Kömmerling und Thomas Brinx - als Autorinnen und Autor firmieren.

Auf einen Rummelplatz geht’s. Genauer gesagt Jackels Rummel. In die Jahre ist dieser gekommen. Autoscooter, Karussell, Schießbude, Zuckerwatte-Stand, Mini-Riesenrad, Würstchenbude ... alles da. Nur Besucher fehlen. Dem altmodischen Vergnügungspark droht die Schließung. Doch der Namen gebende Besitzer (Kurth) denkt nicht ans Aufhören.

Muss er auch nicht, wie sich final herausstellt. Wie es dazu kommt, berichtet er nach erlittenem Herzschlag aus dem Jenseits. Wiedererweckt als geschecktes Pferdchen, „Punkte-Pony“ genannt. Und weil der Mann etwas von seinem Geschäft versteht, weiß er, dass „eine gute Geschichte immer mit einer ordentlichen Temporunde beginnen sollte.“

Das gesagt zieht ein mächtiges Gewitter über den familieneigenen Mini-Jahrmarkt. Es scheppert und kracht gewaltig. Der Blitz schlägt ein, ein Strommast fällt um und in der Geisterbahn erwachen drei Spukfiguren - Hexe (Anna Schudt), Rumpelstilzchen (David Bennent) und Riese (Moritz Führmann) - zum Leben.

Einöde ohne Handy-Empfang statt Urlaub in Formentera

Tammi (Elisabeth Bellé), die mit ihrer Mutter Simone (Sophie Lutz) zur Beerdigung ihres Opas angereist ist, traut ihren Augen nicht. Statt auf Urlaub in Formentera, von wo sie ihren Followern schon Traumfotos für einen Influencer-Wettbewerb versprochen hat, hängt sie nun ohne Handy-Empfang in der Einöde fest.

Und sie muss sich mit den nerdigen Kids ihrer Tante Britta (Katja Preuß) herumschlagen. Mit dem musikalisch talentierten Umbo (Noèl Gabriel Kipp) und der organisatorisch begabten Keks (Lale Andrä), derweil sich die Mama mit ihrer Schwester über die weitere Vorgehensweise in Sachen Rummel - verkaufen oder doch lieber modernisieren - zankt. Chaos pur. Was der aufgeweckte Teenager für seine Zwecke nutzen will.

Vielleicht schafft Tammi es mit Hilfe des Gruseltrios, der Pampa zu entkommen, um noch ein paar Strandtage zu genießen. Blöderweise hat sie die Rechnung ohne die Verwandtschaft und den Eigensinn der Gespenster gemacht...

Fantasy-Story ist mit der Realität verbunden

Ein Familienfilm der Sonderklasse, gleichermaßen für Klein und Groß geeignet. Sanfte Spannung und krachender Humor halten sich die Waage, klug ist die Fantasy-Story in der Realität - siehe Instagram oder Mobiltelefon-Manie - verankert.

Gewohnt präzise zeichnet Stuber - er beweist, dass er sich neben Arthouse auf schwungvolle Unterhaltung versteht - seine Figuren, wunderbar fängt er das Schausteller-Milieu ein. Schön gewählt und von Kameramann Conrad Lobst perfekt fotografiert sind die Schauplätze, die man in und um Bernburg an der Saale gefunden hat. Dazu passend fällt das nostalgische Produktionsdesign aus - wie die altmodischen Tricks, die ohne Digitaltechnik auskommen.

Mehr zum Thema

Kino

„Bob Marley: One Love“ im Kino: Nah an den Fakten, mit einer gewissen Verklärung

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren
Kino

Filmgenuss für Feinschmecker: "Geliebte Köchin" im Kino

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren
Der neue Film

Ein Film wie ein Schlag in die Magengrube

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren

Eingerahmt wird der hintersinnige Spaß von Kurths prägnanten Miniauftritten sowie seiner Stimme aus den Off und der lustvoll-quirlig aufspielenden Nachwuchshoffnung Bellé, die sich für große Rollen empfiehlt. Für die durchgeknallte Komik sind zudem „Tatort“-Kommissarin Schudt, Bennent („Die Blechtrommel“) und Führmann („Capelli Code“) zuständig, die, in Halloween-Manier geschminkt, in ihren grotesken (Gothik-)Kostümen gefallen und sich letztendlich als durchaus liebenswerte Zeitgenossen entpuppen.

Insgesamt ein kurzweiliger Budenzauber, bei dem Werte wie Freundschaft und Teamspirit gefeiert werden. Nicht zu vergessen der inhärente Aufruf, sich mutig und optimistisch der Zukunft zu stellen.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke