Der neue Film

Ethan Coens Solo-Projekt "Drive-Away Dolls"

Der Oscar-prämierte Regisseur Ethan Coen überrascht mit einer Komödie über einen ungewöhnlichen Road Trip eines ungleiches Duos, der bald zu einer Selbstfindungsreise wird

Von 
Gebhard Hölzl
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Haben auf ihrem Roadtrip eine Panne: Margaret Qualley (l.) als Jamie und Geraldine Viswanathan als Marian in „Drive-Away Dolls“. © Wilson Webb/Universal Pictures/dpa

Sie sind wohl – neben „The Archers“, sprich Emeric Pressburger und Michael Powell („Die roten Schuhe“) – das erfolgreichste Regie-Duo der Filmgeschichte: Joel und Ethan Coen. Skurrile Charaktere, wendungsreiche Handlungsstränge und jede Menge schwarzer Humor zeichnen ihre Werke aus, darunter „The Big Lebowski“ oder ihr Western-Remake „True Grit – Vergeltung“. Viermal wurden die Brüder bislang mit dem Oscar ausgezeichnet, für „No Country for Old Men“ in den Kategorien „Beste Regie“, „Bester Film“ und „Bestes adaptiertes Drehbuch“, für „Fargo – Blutiger Schnee“ in der Sektion „Bestes Original-Drehbuch“.

Nun scheinen sie getrennte Wege einzuschlagen. Joel hat 2021 mit seiner ambitionierten, formal strengen Shakespeare-Adaption „Macbeth“ den Anfang gemacht, Ethan legt aktuell mit „Drive-Away Dolls“ nach. Er setzt altbewährt auf Komödie, wählt einen in der Gattung bereits mehrfach durchdeklinierten Stoff: Ein Kofferraum voll heißer Ware, ein nettes, naives Paar und Gangster, die auf es Jagd machen.

Das entsprechende Drehbuch hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Cutterin Tricia Cooke („O Brother, Where Art Thou? – Eine Mississippi-Odyssee“), verfasst. Ohne Familienbande scheint es bei Ethan nicht zu gehen.

Reise nach Florida

Alles nimmt seinen Anfang, nachdem Jamie (Margaret Qualley) in einer Bar erneut mächtig über die Stränge geschlagen hat und ihre Freundin, Cop Sukie (Beanie Feldstein), daraufhin die Trennung fordert und sie aus der Wohnung wirft. Was Jamie cool damit abtut, dass (lesbische) Beziehungen ohnehin überbewertet seien. Dennoch sitzt der Schmerz tief und muss gelindert werden. Mit einem Roadtrip nach Tallahassee, Florida. Freilich nicht allein, sondern in Begleitung der nerdigen, konservativ gewandeten Marian (Geraldine Viswanathan), die Entspannung braucht und ihre Tante im „Sunshine State“ besuchen will.

Auf also zu „Curlie’s Drive-Away“, laut telefonischer Eigenauskunft des Besitzers (Bill Camp), die zuverlässigste Mitfahragentur in Pennsylvania. Nur mit Curlie, wie’s auf seinem Namensschild steht, möchte er sich von Jamie partout nicht anreden lassen. Egal. Der Wagen wird gebucht, die Musik aufgedreht und sorglos dahingebraust. Zunächst zumindest.

Denn das falsche Auto wurde bereitgestellt – was der geplagte Curlie von drei grimmigen Zeitgenossen schmerzhaft zu spüren bekommt. Derweilen platzt den Girls ein Reifen. Ein Radwechsel muss vorgenommen werden und dabei findet sich ein mysteriöser Alukoffer ...

Margaret Qualley – Tanz, Film & Musik

  • Sarah Margaret Qualley hat die Schauspielerei im Blut, ist sie doch das 1994 in Kalispell, Montana, geborene dritte und jüngste Kind von Andie MacDowell („Und täglich grüßt das Murmeltier“).
  • Als Kind träumte sie von einer Karriere als Tänzerin , verbrachte als 16-Jährige die Ferien am American Ballet Theatre in New York City, entschied sich aber dann nach einem Sommerschauspielkurs an der Royal Academy of Dramatic Art in London für die Arbeit vor der Kamera .
  • Als Model lief sie für Valentino und Chanel über internationale Laufstege, ihr Leinwanddebüt gab sie neben James Franco 2013 in Gia Coppolas Drama „Palo Alto“, den Durchbruch schaffte sie in der HBO-Mysteryserie „The Leftovers“ (2014-2017).
  • Seitdem war sie etwa in Quentin Tarantinos „Once Upon a Time... in Hollywood“, für einen Golden Globe nominiert in der Miniserie „Maid“, als „Jean Seberg“ oder der Miniserie „Fosse/Verdon“ als Tänzerin und Choreographin Ann Reinkin zu sehen.
  • In die Schlagzeilen geriet die attraktive Mimin ob ihrer angeblichen Liaison mit Cara Delevingne („Suicide Squad“). Seit 2023 ist sie mit Jack Michael Antonoff, Leadsänger der Indie-Pop-Band Bleachers, verheiratet. 

„Liebe ist eine Schlittenfahrt in die Hölle“ steht auf dem Heck des Leihwagens zu lesen. Motto für alles was nun folgt. Statt wie bei den Coens gewohnt „alter weißer Männer“ stehen hippe junge Frauen im Zentrum, die sich auf einer Selbstfindungsreise befinden. Coming-of-Age? Ungewohnt für den Filmemacher, der für bitterbösen Spaß und blutige Handgreiflichkeiten bekannt ist. Siehe die Eröffnungssequenz, in der ein verängstigter Mann, gespielt von „Mandalorian“ Pedro Pascal in einer finsteren Seitengasse – untermalt von Carter Burwells („Carol“) düsterer Musik – ein schlimmes Schicksal ereilt. Die Herren der Schöpfung sind gewohnt gewalttätig und reichlich unterbelichtet. So die „Goons“, Arliss (Joey Slotnick) und Flint (C.J. Wilson), die als idiotische Handlanger von „The Chief“ (Colman Domingo) ihm dessen geheimnisvolles Gepäckstück um jeden Preis wiederbeschaffen sollen.

Ganz anders das vermeintlich „schwache Geschlecht“. Das weiß sich durchaus zu wehren. Wie Sukie mit Pfefferspray, gezielten Boxhieben auf die Nase und Tritte zwischen die Beine. Während ihre Ex-Freundin den Zufallsfund gewinnbringend zu veräußern versucht, daneben noch reichlich Zeit zur Entspannung findet und ihre Queerness auslebt. Recht explizit in einschlägigen Etablissements und auf einer Pyjama-Party. Ihre (zunächst) zugeknöpfte Wegbegleiterin liest stattdessen im Bett brav Henry James. Ein klassisches „odd couple“.

Es fehlen originelle Ideen

Im Ansatz passt alles. Nur zum großen Ganzen will sich der von Kamerafrau Ari Wegner („The Power of the Dog“) ansehnlich fotografierte Genremix mit seinen diversen Erzählebenen und psychedelischen Traumsequenzen nicht so recht fügen. Viele Klischees, viel Kolportage. Es fehlen originelle Ideen und überraschende Wendungen.

Da helfen selbst die Kurzauftritte von Matt Damon und Miley „Hannah Montana“ Cyrus wenig. Auch die Lovestory der mutig aufspielenden (Anti-)Heldinnen Qualley („Poor Things“) und Viswanathan („Der Sex Pakt“) zündet nicht so richtig. Aber das kann sich ja noch ändern. Ethan Coen hat verlauten lassen, dass es sich hier um den Auftakt zu einer geplanten B-Movie-Trilogie über das chaotische Dyke-Duo handelt. Das lässt hoffen – mit reichlich Luft nach oben.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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