Literatur

Ruth Korbergers Debütroman erzählt von Pionierin Merian

Die Weinheimer Autorin Ruth Kornberger hat mit ihrem Erstlingsroman der Forscherin Maria Sibylla Merian ein Denkmal gesetzt. Mutige Frauen haben es ihr angetan: Ihr zweites Buch ist der Astonomin Carolin Herschel gewidmet

Von 
Helga Köbler-Stählin
Lesedauer: 
Ruth Kornbergers Erstlingsroman erzählt von der Malerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian. © Helga Köbler-Stählin

„Eine Dame darf nicht frieren. Würde ich hier wohnen, hätten Sie Teppiche, Felle und immer heißen Tee.“ Und während Jan de Jong im Roman „Frau Merian und die Wunder der Welt“ diesen Satz ausspricht, denkt man gerührt an den kommenden Winter. Die Szene spielt jedoch im April 1691. Und Ruth Kornberger beschreibt sie so innig, dass einem auch heutzutage warm werden kann. Jedenfalls ums Herz. Schauplatz ist Schloss Waltha in den Niederlanden. Und natürlich schmilzt Maria Sibylla Merian bei der ersten Begegnung mit de Jong dahin. Sechs Jahre zuvor hat sie ihren Mann verlassen und zieht mit ihren zwei Töchtern zu den Labadisten, einer kleinen religiösen Gemeinde. Später wird sie behaupten, dass sie Witwe sei und niemand wird mehr nachfragen, warum sie alleine reist und ihren Lebensunterhalt selbst verdient. In Wieuwerd kann Frau Merian in Ruhe Pflanzen, Blüten und Tierchen zeichnen, Schmetterlinge und Insekten präparieren, sich ihren Forschungen widmen, von der weiten Welt träumen und seit dieser Begebenheit auch von de Jong. Eine Liebesgeschichte, so wurde der Autorin empfohlen, soll nicht so lange auf sich warten lassen. Sie soll ins Buch hineinziehen. Ein Rat, den sie charmant und wirkungsvoll umsetzt.

Schiffe, das Meer, das raue Wetter. Ein Abenteuer!
Ruth Kornberger über ihren Roman

Bis zu diesem Roman, ihr Debüt, hat Ruth Kornberger Kurzgeschichten geschrieben und so manchen Preis gewonnen. Aber bald wird ihre Zeit zu knapp, um sich an Wettbewerben zu beteiligen. Familie, Kinder und Arbeit fordern sie. Wie das so geht, wenn man mitten im Leben steht. Die 42-Jährige studierte nach dem Abitur in Ilmenau. In der Thüringer Kleinstadt hat Goethe seine Spuren hinterlassen. Bei einer Führung geht es um den Staatsminister und großen Dichter. Dabei lernt sie ihren Mann kennen. Mittlerweile hat das Paar drei Kinder. Die Familie lebt in Weinheim und hier gibt es, wie in manch anderer Stadt, eine Merianstraße. „Sie ist nach dem Vater benannt, Matthäus Merian der Ältere, der Stadtansichten zeichnete“, erzählt Ruth Kornberger bei einem Tee. „Kaum einer kennt die Tochter.“

Die Autorin

  • Ruth Kornberger ist 1980 in Bremen geboren. Sie studierte an der TU in Ilmenau: Mit ihrer Diplomarbeit über digitale Wissensvermittlung schloss sie das Studium ab. Sie arbeitet bei einer IT-Firma in Heidelberg. Mit Mann und drei Kindern lebt sie in Weinheim.
  • Die Autorin ist Mitglied im „Kollektiv Junge Literatur Mannheim“. Die offene Gruppe trifft sich im TiG, dem Theater in G7, zu Textwerkstätten und zum Poetisieren.
  • „Frau Merian und die Wunder der Welt“ ist Ruth Kornbergers Debütroman. Er umfasst 525 Seiten und ist im C. Bertelsmann Verlag erschienen (Preis 20 Euro).
  • Am Freitag, 14. Oktober, um 19 Uhr wird die Autorin ihren Roman in der Lanzkapelle, Meerfeldstraße 87, vorstellen. Der Eintritt kostet 10 Euro. Karten bei buero@buchladen-lindenhof.de oder unter der Telefonnummer 0621-1806 8718. 

Gedanken für einen Roman brodeln seit einiger Zeit in Kornbergers Kopf. Aber wer soll die Protagonistin sein? Und obwohl sie lange Zeit in Goethes Aura gelebt hat, kamen keine Frauenfiguren aus dessen Umfeld in Frage. Christiane nicht und Ottilie nicht. Doch als 2017 an den 300. Todestag von Merians Tochter erinnert wird, beginnt Ruth Kornberger, sich mit Maria Sibylla auseinanderzusetzen. Sie erfährt von Briefen. Stöbert in den wenigen erhaltenen Nachweisen. Sie liest Reisebeschreibungen, etwa von Atlantik-Überquerungen in die niederländische Kolonie Surinam, die Maria Sibylla 1699 bereisen wird. „Ich bin nahe der See geboren“, erzählt sie, „Schiffe, das Meer, das raue Wetter. Ein Abenteuer!“ Und damit nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Es ist die Geschichte einer Pionierin, die in den abenteuerlichen Urwald reist:

Nach der Arbeit, „spät“, wie sie sagt, sitzt Ruth Kornberger am Computer. Sie schreibt Kapitel für Kapitel. Neben ihr liegt eine Tafel Nussschokolade, ihr Hausrezept um wach zu bleiben. Und während der Roman fortschreitet, wird auch ihre Familie zu Beobachtern; sie schauen Würmer und Schmetterlinge, Blätter oder Spinnen mit Maria Sibyllas Augen an. Naturkundliche Museen, wo es auch heute noch Kabinette mit getrockneten Faltern oder Insekten zu sehen gibt, stehen auf dem Reiseprogramm. Auch Nürnberg und Frankfurt, die Lebensstationen ihrer Heldin, die Niederlande und das Rembrandt-Haus in Amsterdam. Frau Merians Epoche, die Architektur und Inneneinrichtung des 17. Jahrhunderts, Gemälde, auf denen Menschen zu sehen sind, die Kleidung ihres jeweiligen Standes tragen, werden lebendig. „Die Erlebnisse gehen mit mir spazieren“, gesteht sie lächelnd und fügt die ganze Fülle ihres Kopfkinos in den beeindruckenden Roman ein. 525 Seiten sind es am Ende geworden. Er erzählt nicht nur von Frau Merians emsiger Arbeit als Malerin, Forscherin und Geschäftsfrau. Es ist die Geschichte einer Pionierin, die in den abenteuerlichen Urwald reist. Zwei Jahre hat es gedauert, bis der Roman fertig war.

Mehr zum Thema

Ausstellung

Künstlerin als Naturforscherin

Veröffentlicht
Von
Christian Huther
Mehr erfahren
Gedenktag

Forscherin und Malerin

Veröffentlicht
Von
Thomas Maier
Mehr erfahren

Eine ihrer Lieblingsautorinnen, Zadie Smith, hatte nach ihrem ersten Erfolg eine Schreibblockade. Bei ihr, erzählt Ruth Kornberger, sei das Gegenteil passiert. „Ich hatte Lust zu schreiben!“. Das nächste Buch wird in Kürze erscheinen. Wieder über eine erfolgreiche Frau: die Astronomin Caroline Herschel.

Freie Autorin Studium: Journalismus, Medien- und Pressearbeit-PR

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen