Ausstellung - Das Frankfurter Städel-Museum zeigt Blumenbilder von Maria Sibylla Merian

Künstlerin als Naturforscherin

Von 
Christian Huther
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Maria Sibylla Merian (1647-1717) malte hier "Grindwurz mit Spannern, Raupen und Puppen" (entstanden nach 1683).

© Städel Museum

Eine hellrote Rose begrüßt den Besucher, sehr fein mit Aquarell- und Deckfarben auf Pergament gezeichnet. Aber halt, was ist denn das? Da kriecht ja schon eine Raupe umher, auch Larve, Puppe und Schmetterling sind zu sehen. Oder, in Maria Sibylla Merians Worten, "die lieblich-grüne Raupe mit dem schwarzen Köpflein" frisst eine Rosenknospe von innen auf. Denn Merian (1647-1717) entwickelte als Blumenmalerin eine Leidenschaft für Raupen und wurde so zur Naturforscherin, ein für die damalige Zeit sehr ungewöhnliches Leben einer Frau.

Sie war das jüngste Kind des Frankfurter Verlegers Matthäus Merian d. Ä., die so viel Mumm hatte, sich von ihrem Mann zu trennen und 1699 zu einer Expedition ins südamerikanische Surinam mit ihrer Tochter aufzubrechen. Ein Abenteuer vor fast 320 Jahren: Zwei Frauen des Barock forschten mit ihren voluminös aufgebauschten Kleidern zwei Jahre lang in der niederländischen Kolonie. Maria Sibylla Merian hat es wahrlich verdient, dass ihr Konterfei den 500-D-Mark-Schein zierte.

Schau zum 300. Todestag

Ihre Biografie ist gut bekannt, ihr künstlerisches Werk indes noch nicht gut erforscht. Nun widmet das Frankfurter Städel der berühmtesten Tochter der Stadt eine Ausstellung zum 300. Todestag. "Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes", so der Titel der Schau, stellt ihre Vorläufer, Zeitgenossen und Nachfolger anhand von 150 Zeichnungen, Grafiken und Gemälden vor, vom 15. bis zum 19. Jahrhundert.

Das ist eine große Zeitspanne, aber das Verhältnis zur Natur wandelte sich in dieser Zeit gründlich. Schaut man sich etwa die Blattornamente des spätgotischen Meisters ES an, wird man zwar schön geschwungene, aber keine naturgetreuen Formen entdecken. Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts setzte sich das Natürliche durch, im 16. Jahrhundert entfaltete sich die oft unterschätzte Blumenmalerei, im 17. Jahrhundert galten Gärten und Blumen als kostbare Güter. Jetzt sind 40 Merian-Blätter versammelt, zehn davon gehören dem Städel. Aber mit der Zuschreibung ist das so eine Sache, denn Merian signierte und datierte selten. So hilft nur ein Stilvergleich. Aber da es kein Werkverzeichnis gibt, ist das ein mühsames Unterfangen.

Exakt dokumentiert

Die Merian dokumentierte als Künstlerin sehr exakt das, was sie als Naturforscherin entdeckt hatte. Schon als 13-Jährige hatte sie die Seidenraupe beobachtet, als 22-Jährige gab sie 1679 ihr "Raupenbuch" heraus, das die "wunderbare Verwandelung" an 50 Beispielen erläuterte. Merian war sich auch nicht zu schade dafür, selbst Unkraut wie den Wegerich zu zeichnen, als sie auf ihm eine Raupe entdeckte.

Mit viel Geschick und Geduld, mit der Liebe zu Kunst und zu Natur schuf Merian außergewöhnliche Blätter, deren Farben noch heute erstaunlich frisch wirken. Das "Raupenbuch" etwa konnte man in verschiedenen Versionen erwerben, mit einfachen oder mit nachträglich kolorierten Kupferstichen. Folglich sollte der Besucher etwas mehr Zeit als sonst für einen Rundgang haben. Denn man muss schon genau hinschauen, um all die kleinen Schönheiten zu entdecken.

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

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